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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 117 - No. 145 (1. Mai - 31. Mai)
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Donnerſtag



Mannheimer Abendzeitung

13. Mai

Inseratediegeſpaltens
Zeile in Priitipetft oder
deren Raum 3 kr. Insſe-
rate, worüber die Redak-

_ tion Auskunft zu ertheilen

® hat, die Zeile oder deren
Raum 4 kr. ~ Briefe
und Gelh erbittet man

raneo. j

1845





Deuttcſchland.

() Aus dem Großherzogthum Heſſen, 12. Mai.
(Hr. Univerſitäts-Kanzler D. von Linde und die deutsche perisdiſche
Literatur). Nachdem neuerlich Hr. u. Linde, wie man wenigstens
allgemein annimmt, in der Schrift „Betrachtung der neueſten kirch-
lichen Creigniſſe aus dem Standpunkte des Rechts und der Politik;
von einem rcchtsgelehrten Staatsmann“, ſich gegen die deutsch-katho-
liſche Bewegung erklärt und gegen sie das Syſtem der Verdächtigung
zur Anwendung gebracht hat, indem er ihr radikale, demag o-
giſche, communiſtische Absichten unterlegt, hat er nun auch, als
Mitglied unserer erſten Kammer, der Emaneipation der Juden und
der freiſinnigen deutſchen periodischen Literatur den Febdehandschuh
entgegen geworfen. Zwar das Erstere nicht so ganz deutlich. Denn
„perſönlich", so versicherte der Hr. Kanzler, „fühle“ er die innigsſte
Theilnahme für die lebendigen Ruinen eines einſtens großen Volks;
vas in allen Drangſsalen und Kämpfen der Zeit, zerſtreut unter an-
dern Völker des Erdbodens, seine Nationalität und den Glauben ſei-
ner Väter, sein eigenthümliches, edleres Gepräge zu bewahren ge-
' wußt und in seinen, aus der Zeit seiner ehemaligen Größe und
welthiſtorischen Bedeutung geretteten Eigenthümlichkeiten ebenso groß
und achtungswerth erscheint, als andere Völker und Rel'gionsvereine..-
Lautet Das nicht sehr ſ{<ön? Aber es iſt nur der Lockſchlag, um
unmittelbar darauf die freiſinnige deutsche periodische Preſſe und die
Juden ſelbſt deſto zerſchmetternder zu treffen. Der Hr. Universitäts-
kanzler sagt: „Der Herr Redner vor mir (Hr. v. Gagern) hat da-
rauf hingewieſen, daß die Frage der bürgerlichen Gleichſtellung der
Juden mit der chriſtlichen Bevölkerung, mit andern Erſcheinungen,
die im Gebiete der Religion in neuerer Zeit sich gezeigt haben, im
Zusammenhange zu ſtehen scheinen. Auch. ich glaube, (hört!) daß
ein solcher Zusammenhang vorhanden iſt und es ſcheint mir derselbe
hauptsächlich darauf zu beruhen, daß sich, zum wahren Nadchtheile
des ächten (offenbar gleichbedeutend mit orthodoren) Judenthums, und
allein darum (allein darum!) zum Bedauern des edleren Theiles der
Bekenner desselben, ein entarteter, vorwitziger und anmaßender Theil
der Juden, in bestimmter Absicht gegen Chriſtenthum (!) und chriſt--
liche Staatsverfaſſung (!), zur Aussöhnung und Ausgleichung der
pvolitiſchen Lage des Judenthums, der Tagespreſse (jedenfalls stünde
dieſe Fähigkeit auch noch Andern zu Orbote!) bemächtigt hat.-
Das Vorstehende iſt zwar ſchon deutlich genugz aber das gleich Fol-
gende macht die Sache noch deuilicher, die Abſicht ernst er, und da-
hei spielt Das, was Ironie sein könnte und Jronie sein ſoll, wie durch
trübe Fenſterſcheiben fallendes Licht wirr durcheinander. Der darauf
folgende Absatz heißt nämlich: „Was diesen Punkt. betrifft, ſo können
meiner Ansicht nach, die deutſchen Regierungen nicht vorsichtig genug
sein, und es dürfte, bevor von einer Emancipation der Juden die
Rede sein ſollte, erſt dahin zu streben sein, daß die öFentliche Tages-
preſſe und die dadurch bearbeitete öffentliche Meinung, vor Allem erſt
von jenen Literatoren der Juden emancipirt werde. (Wie dieß ge-
schehen könne, ob durch Patente, die man ſich zum Mitarbeiter an
Blättern von den Behörden lösen müßte und die an keinen Juten
verabreicht würden, oder dergl., hat der Hr. Universitätskanzler nicht
angegeben, aber es genügt zur Beurtheilung des Umſtandes, wenn
der Hr. Universitätskanzler eine Emancipation der Juden bewirkt zu
ſehen wünscht, daß zuvor erſt jener Stein des Anſtoßes beseitigt sein
ſoll. Aber nun kommen die ironiſchen Stellen:) „Daß ſich die Juden,
als solche, als das auserwählte Volk betrachten, iſt ihnen nicht, mit
hem Herrn Redner vor mir, zu verargen, denn dazu berechtigt ſie
ihr Gesezgeber Moses, wenn ich nicht irre, im Buche 3, Kapitel 20,
(welche Belesenheit und Citirkraft!) der ihnen im göttlichen Auftrage,
im Verse 24, ein Land verheißt, darinnen Milch und Honig fließt;
und wäre Geldreichthum die ausschließliche Domäne, Milch, und-
die öffentliche Tagespreſſe, Honig, dann wären die Juden durch
Deutschland in den Besitz des verheißenen Landes nunmehr vollſtän-
vig gelangt.n ~ „Es iſt bekannt und kann nachgewiesen werden, daß
die meiſten und gerade die verbreitetſten öffentlichen Blätter unter jü-
viſchem Einfluſſe ſtehen. (Also die Augsburger Allgemeine, die Köl-
niſche, der Schwäbiſche Merkur, u. s. w. ?2 Doch diese kommen im
OHerzeichniſſe des Hrn. Kanzlers nicht vor.) Das war z. B. (!)
her ÿall mit der Leipziger Allgemeinen Zeitung , bezüglich deren sich,

als sie in Preußen verboten wurde, herausgestellt haben soll, (Csoll1)
daß unter 14 Berliner Correſpondenten 11 sich befanden, die dem
mosaiſchen Glauben angehörten. Aerger noch (!!) verhält es sich mit
dem Frankfurter deutſchen Journale, welches in unserer Gegend die
religiöſen Wirren vorzugsweise in einseitig gehäſſiger Weise verbrei-
tet, (welche bewundernswürdige Kunſt, gewissermaßen unbemerkt von
Artikeln d er Juden und für Juden zu Beſtrebungen der Deutſchkatho-
liken gegen den römischen Katholieismus überzugehen!) mit der ehe-
maligen rheinischen, einer Mannheimer (Gratulire!), Königsberger
und sehr vielen (aber doch nicht ser vilen) andern Zeitungen,
die den politischen Ton in Deutſchland angaben, die öfſentliche Mei-
nung überall, ohne Scheu vor irgend einem Mittel (also auch gar
noch des „Jesuitismus.. beschuldigt!) und ohne Rücksicht auf Perso-
nen und Verhältnisse (Personen und Verhältnisse; gut!) planmäßig
und im Bunde mit gleichgeſinnten, sogenannten Chriſten (da haben
auch wir unser Theil!) immer mehr verwirren und irre leiten.
„Fragt man daher, ob wirklich die öffentliche Vreinung, eine ſofor-
tige, völlige Gleichſtelung der Juden mit den chriſtlichen Bewohnern
Deutschlands verlange, so wird sie keineswegs durch die Ergebniſſe
der dem Gegenstande gewidmeten, umfassenden, gründlichen Literatur,
noch durch tie landſtändiſchen Verhandlungen deutscher und außerdeut-
scher Kammern (?), wobl aber durch jene deutsche Tagespreſſe be-
jaht. Diese öffentliche Meinung jener Zeitungen kann man aber un-
ter den vorhin geschilderten Verhältniſſen (1) in keiner Weise für
das wichtiſs Organ des gHPeitgeiſes erkennen. (Es war
noch immer ſehr bequem, entweder die active oder die paſ-
ſive Competenz zu beſtreiten.) Wo man sich im Leben nach einer
Beſtätigung jener öffentlichen Meinung umſsieht, da findet man nur
immer mehr und mehr beſtätigt, wie sehr auf diese Tagespreſse die
Betrgchtung Goethe's Anwendung leidet: „Was ihr den Geiſt der
Zeiten nennt, das iſt der Herren eigner + hier ein ſchlechter Juden-
Geiſt, worin die Zeiten sich nur spiegeln. ~ Späterhin kam dann
Hr. v. Linde nochmals auf die Sache, behauptete, wir hätten ein
„christliches Staatsrecht“ in Deutſchland u. s. w. und ſchloß entlich,
wie Cato Censor einst mit ſeiner Vraeterea censeo gegen Karthago,
mit einem Ausfall gegen die deutſch-kath oliſche- Bewegung.
„Mit solcher Innigkeit“', sagt er, und scheint damit das zusaure Eſſen
und Trinken, das Miteinander- Tafeln zu verſtehen (!), „werden die
Bürgermeiſter gewählt, alle gelehrten und forschenden Geſellſchaften
zusammen gehalten, und damit begann der Anfang des Endes
(bekanntlich ein Witz,, den zuerſt Talleyrand machte und der ihm un-
terdeß noch oft nacherfunden ward) ſelbſt der neueſten Leipzig Offen-
bacher Emancipation.n Doch ~ Sapienti sat!

Frankfurt, 11. Mai. (Fr. J.) Bereits findet der hier neu
begründete Verein für körperliche Ausbildung der Jugend thatkräftige
Unterſtüsung. Einhundert Gulden find von unbekannter Hand mit
dem Motto: „des Staates Wohl beruht in der körperlichen und ſitt-
lichen Kraft seiner Bürger; darum Heil und Segen dem Vereine,
deſſen Zweck es iſt, jene Tugenden zum Nutzen unserer Vaterſtadt
und zur Vermehrung deutscher Volkskraft zu entwickeln und zu för-
dern, der provoriſiſchen Verwaltung zur Verfügung für ihren Zweck
zugestellt worden.

Leipzig. (Sächs. Vaterl..- Bl.) Die Stadtverordneten hatten.
vor einiger Zeit das Gesuch der deutsch-katholiſchen Gemeinde um
Ueberlaſſung einer Kirche zu gottesdienſtlichen Zwecken beim Rath be-
vorwortet. Mittlerweile iſt vom Miniſterium ein Erlaß an den
Rath eingetroffen in Folge des Berichts, den der Rath über jenes
Gesuch der Deutſch-Katholiken zu erstatten für nöthig erachtet hatte.
Der Crlaß des Ministeriums iſt abſchlägiger Natur. Jn der letzten
Sitzung der Stadtverordneten am Mittwoch iſt ihnen dies zugleich
als Antwort auf ihre Bevorrwortung mitgetheilt worden. Es . könne
den Deutſch-Katholiken keine öffentliche Andachtsübung gestattet wer-
den, da sie nicht anerkannt seien und nach §. 32 und 56 der Ver-
faſſungsurkunde nur durch Gesetz Anerkennung erlangen könnten. Nur
Hausandachten seien ihnen erlaubt. Im Uebrigen laufen in unserer Stadt
Gerüchte um, die viel zu reden geben. Einige ſächſiſche Provinzial-
oder Localblätter, heißt es, sollen wegen Ausschreitungen nicht mehr
von Localcenſoreu censirt, sondern der Leipziger Centralcensur unter-
worfen werden. In VNeuſtadt h. St. soll mit tem Redacteur des


 
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