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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 58 - No. 86 (1. März - 31. März)
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74.



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Montag



j | lannheimer Abendzeitung

17. März

Inseratediegeſspaltene
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rate, worüber die Redak-
tion Auskunft zu ertheilen
® hat, die Zeile oder deren
Raum A kr. – Briefe
und Y erbittet man
ranco.

1845.



Deutſchlard.

*** Mchern, 8. März. Am Sonntage feierten die Bürger
von hier und aus der Umgegend ein schönes Feſt. Noch selten ~
so lauten alle Stimmen — waren wir so einig, so herzlich vergnügt;
es erhelle aus der ungetheilten Freude, daß Jeder vom Grunde
der Seele der Sache zugethan war, welcher es galt, und es iſt ein
Beweis dafür, daß die Bürger feſt und ſelbſtſtändig stehen, daß sie
nur Abgeordnete lieben, welche ihren Eid treu halten und nicht um
eines Vortheils Willen ihre Stimme geben, oder bald rechts bald
links gehen, um's Volk zu täuschen, ~ denn dieß Freuvenfeſt galt
unserm Abgeordneten Richter, einem der Männer, welche auf den
lezten Landtagen bewiesen haben, daß sie wirkliche Volks-Abgeordnete
sind; es galt einem der grundsätzlich liberalen Männer.
HWMit Dant und lauter Anerkennung der entschiedenen Rich-
tung, welcher unser Abgeordneter jeweils folgte, eröffnete Hr. P e-
ter von hier, vormals selbſt wackerer Deputirter, das Jeſt; er
führte dabei warm und offenbar mit ticfer Ueberzeugung aus, daß
des Volkes Wohl nur durch entschieden freigeſinnte Männer feſt be-
gründet werde, daß nur durch ſolche wahrhafte Volks-Abgeordnete
die Verfaſſung in rechter Weise zu höherer Entwicklung und Ver-
vollkommnung gelangen könne. Unser Abzeordneter antwortete mit
einem Toaſte auf die Selbſstſtändigk eit der Bürger. In der
Hand der Bürger liegt es,, daß die Verfaſſung eine Wahrheit
werde, daß der Bürger auf dem Wege des Gesetzes die Wonne ge-
ſetlicher Freiheit erhalte, dieß iſt der Gedanke, den der Redner in
kräftigen Worte entwickelte.

Aum Schlusse sprach er seine Freude aus, über die Anerkennung
seiner Wirksamkeit und Richtung in der Kammer, die sich in der
ſehr zahlreictzen Berſammlung und in dem heitern Geiſte, der in
Aller Auge zu erblicken, aufs Glänzendſte kund gebe. Hierauf
ſprach Bierbrauer Richter einige Worte über die Verhältnisse des
Staats, über das Entstehen des Staatsdienerthums, und über die
„menschliche Leidenschaft“, die auch dem Staatsdiener eigen sei, wie
man besonders an Denen wahrnehme, denen die Zügel der öffent-
lichen Gewalt anvertraut werden. Er führte aus, wie sehr nöthig
es iſt, daß vieſe Diener des Staates vom Staate vermittelſt einer
Kammer überwacht werden, die aus Männern besteht, welche wissen,
wo das Volk der Schuh drückt; er wies darauf hin, wie schmerz-
lich es iſt, wenn man vonder Gallerie des Repräsentantenhauſes herab,
so viele Staatsdiener auf den für Volksvertreter bestimmten Bänken
ſilzen sieht, und wie besonders der letzte Landtag, auf welchem so
vieles Gute ſcheiterte und Schlechtes zu Stande kam, leicht das
Verderbliche erkennen läßt, daß Beamte und ,, Zwischen- Männer“
dort das Volksintereſſe wahren sollen. Hat aber auch, ſo fuhr
Herr Richter fort, dieſer Landtag wenig Gutes gebracht, so soll
und wird = uns nicht muthlos machen, er um so feſter halten
wir Standt Wir schicken einen Mann des Volkes und unser Bei-
spiel wird jene Bezirke, die bis jeut Staatsdiener und befonders sol-
che Staatsdiener wählten, die oft auf die Miniſterbank gehen und
alsbald wieder den Abgeordneten- Sitz einnehmen, um gegen die An-
träge der Volks-Abgeordneten zu stimmen, kräftig dazu anregen, keine
ſolche Staatsdiener mehr zu wählen; und jene Bezirke, die Zwiſchen-
Männer als Abgeordnete haben sollen, wir hoffen es, gleich uns
handeln und diesen vor aller Welt die Schlafmütze über die Ohren
ziehen. Ich wende mich, schloß der Redner, von den traurigen zu
den entschiedenen Abgeordneten, in der Hoffnung, daß deren Zahl
wieder die Mehrheit werde, denn nur dadurch können wir dem sc<ö-
nen Ziele in Deutschland ~ der Einheit und Freiheit ~ näher kom-
_ men und in diesem Sinne brachte er ein Hoch den „Matadoren" der
Kammer: v. Ih ſtein und Welker. . ! CSchluß folgt.)

. HVom Neckar, 9. März. Andere Zeiten, andere Sitien!
Vor 10 Jahren hätte man es geradezu für unmöglich gehalten, daß
ein Abgeordneter es sich würde einfallen laſſen, als Bertreter des
Volkes auf seinen Atheismus zu pochen. Was eben noch unmög-
lich ſchien, iſt wirklich geschehen. Ein Abgeordneter, noch vor we-
nigen Monaten Prediger bei einer Stadtgemeinde und gegenwär-

Hyg mit einer Gy mnasialprofessur betraut, hat den Einfall, bei

î der Berathung über die Antwortsadreſſe, gegen den Paſſus, in wel-

cem die zweite Kammer ihren Dank an die Borsehung ausdrückt
für die Erhaltung des Königs in der schweren Krankheit des vori-
gen Jahres, mit der Einrede aufzutreten, man möchte denselben ſtrei-
chen, ,da di e Gebildeten ja doch nicht mehr an eine Vor-

(Rh. Beob.)
(Köln. Zig.) Unsere
Lage wird von Tag zu Tag bedenklicher. Oſterode iſt der erſte Fa-
brikort im Königreich Hannover. Unsere Fabrikarbeiter haben seit
acht Tagen Feierabend, d. h. sie sin! ne Arbeit. Unsere Mühlen,
die Mahl- und Sägemühlen stehen L 4. Die Fabriken werden hier
mit Waſſer, nicht mit Dampf bet D'ven. Eben so iſt es mit den
Mühlen; Alles iſt feſt gefroren. ODarum können die Fabrikanten
nicht arbeiten, und die Müller mäſſen die Frucht, die ihnen zum
Matlen gebracht wird, in Förſte und an der Ruhme auf den Müh-
len an den warmen Waſserquellen mahlen laſſen. Das ließe sich er-
tragen, aber 1600 Fabrikarbeiter sind in Unthätigkeit verſezt, und
die Fabrikanten, die zunächſt sich selbſt verſorgen müssen, können doch
für Nichts und wider Nichts keine Leute lohnen. Dieser Zuſtand iſt
es aber nicht allein, der uns drückt, ſondern vor allen andern der
Gesundheitszuſtand. Gestern Morgen 12 Grad Kälte nach Reau-
mur, um Mittag 4 Grad Wärme, heute Morgen wieder 14 Grad
Kälte. Dieses und die ungesunde Lebensweise wirkt auf den Körper.
Die Menſchen fallen wie die Fliegen. Gesunde starke junge Männer
und Frauen sterben nach der Reihe. Nervenfieber, Fleckfieber, Schar-
lach, Alles mit einander vereinigt sich, um die Menschen hinwegzu-
raffen. Welch ein harter Zuſtand! aber die Menſchen hier halten
zuſammen, und es iſt eine herrliche Harmonie zwischen der Bürger-
ſchaft und dem Magiſtrat als ihrer Obrigkeit. Diese kann nichts
geven, allein ihr Ansehen, ihr Beispiel, ihre reelle gute Absicht wir-
ken ungemein auf die Reichen und Wohlhabenden, und dies legt sich
hier so überzeugend zu Tage, daß man darüber eine wahre Freude
empfinde. Die Fabrikanten, die nicht, wie an manchen
andern Orten, in Ueppigkeit ihren Berdienſt vergeuden,
nehmen sich ihrer Arbeiter an, und wenn Krantheiten ſich zei-
gen, sind die achtbaren Frauen und Töchter die erſten, welche
die Kranken pflegen und hegen, es selbſt ihrem Munde entziehen, um
dieſe Armen zu ergögen, worin sie ihren Stolz finden. Daher muß
ſich auch die große, die beiſpielloſe Anhänglichkeit zwischen den Fabri-
kanten und Arbeitern erklären. Hier kennt man sich und hört deß-
halb keine Klagen. Damit stimmt so ſchön die Thätigkeit und Sorg-
falt unserer Polizei überein, die sich nur allein um Realitäten und
um keine andere sonſt beliebige Dinge bekümmert, die nur das Wohl
und Wehe der Gesellſchaft vor Augen hat, welche ihr am Herzen liegt.
Dies iſt eine von allen Bürgern anerkannte Wahrheit. Die Ursache
davon iſt wahrscheinlich, daß die Bürgerschaft ihre Obrigkeit
und die Polizeibeamten frei erwählt, und darin iſt ſie
bis heute von der Regierung noch nicht gestört. Die städ-
tiſchen Beamten sind selbſt ehrbare Bürger, die mit ihren Mitbürgern
verträglich leben und verkehren. |

+ Darmſtadt, 14. März. Hört! hört! Ein deutscher Uni-
verſitätslehrer, insbesondere ein Lehrer der Staatswiſſenschaft, dabei
Geh.-Regierungsrath und landſtändischer Abgeordneter, mit einem
Wort: Hr. Schmitthenner aus Gießen hat das Turnen für
eine „sehr vergängliche und unnütze Modesache““ erklärt.
Und nicht that er dieß als deutscher Univerſitätslehrer, insbesondere
als Lehrer der Staatswiſsſenschast, sondern als landſtändischer
Abgeordneter, der mit seinen Ausſchußcollegen einen Antrag auf
Besoldung eines Turnlehrers gestellt hatte. Wenn Hr. Schnitt-
henner so ungünstig von dem Turnwesen denkt, warum will er
einen Lehrer der Turnkunſt vom Staate besolden laſſen, warum
machte er seine, wenigstens sehr geſchwinde, Beredtsamkeit nicht im
Ausschuß gegen jene Besoldung geltend, warum opponirte er nicht
dem Regierungskommiſſär? Nein, er wartete ab die öffentliche
Sitzung; ihm war die bequemere Gelegenheit, daß der Abgeordnete
der Stadt Darmſtadt, Lerch, warme Worte zu Gunſten des Turn-
wesens und einer beſchleunigteren Einrichtung deſſelben besonders
in Darmstadt gesprochen hatte. – j

Der Abg. Lerch war ſichtlich alterirt über seinen Collegen
Scthmitthennere. Er bemerkte ihm, daß ſeine Worte weit

ſehung glauben"!
Hsterode (am Harze), 10. März.


 
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