Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mannheimer Abendzeitung — 1845

DOI Kapitel:
No. 1 – No. 30 (1. Januar – 31. Januar)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0085

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
n 1 0



RUbonnement mit- vier..
seljähr. VBorausbezahlzng
in Mannheim 1 fl. 15 kr.,

pvurch die Poft bezogen im



aufſehlag. .

_ Juſserate die geſpaltene
Z eile in Petilſchrift oder
deren Raum 8 kr. JInſe-
rate, worüber die Redak-

Raum 4 kr. + Bri
und Geld erbittet man
franco. :

1845.

4 ; q a nnheimer Abendzeitung. m;



Mittwoch





Landtagsverhandlungen. .

t Karlsruhe, 414. Januar. 135. öffentl. Sihßung. Herftellung der
Yreßfreiheit. (Forts.)

Sander. Würde wahr sein, was der Herr Regierungskommiſſär Rettig
und der Abgcord. Plaß anführten, das ur.scre Hoffnung auf ein güuftiges Re-
fultat der Motion über die Preßfreiheit dadurch habe ſchwinden muſſen, daß so-
wohl in der Motion, als in dem Commisſſionsbericht und in der heutigen
Situng maßlose Deklamationen vorkamen, und die Nebertreibungen, deren man
fich schuldig gemacht , der Erwirkung eines gunſtigen Reſultats hinderlich seien,
so würde ich es gewiß für ein Unglück ansehen, daß von unserer Seite aus
vie Hoffnung auf cinen bessern Zufſtand unserer Preſſe vernichtet wurde. Aber
dieſe beiden Herren wiſſen recht wodl, daß die Art und Weise, oder die Form
des Auêdrucks von gar keinem Einfluß auf das Schicksal der Motion iſt. Wir
haben ja ſchon seit langen Jahren auf alle mögliche Weise versucht, die Preß-
freipeit zu erreichen, und wenn wir auch mit der ſubmiſſ.ſten Pctition und in
einem Winkel von 45 Grad kämen, so zweifle ich, ob wir dadurch, und dadurch
allein Eindru> maczen würden. Was iſt denn in der Motion und 1n dem
Berichte enthallca ? Die Sache ift wahr, nur vielleicht etwas kräjſtig ausgespro-
ehen. Wer aber eine kräſtige Sprache nicht ertragen kann, is kein Viann fur
die Preßfreibeit, und wer ſich durch die Motion und den Commiſsiousberqzt
abschrecken läßt, den Deutschen und den Bavenern Preßfreiheit zu geben, gibt
Es führt eben dicß wieder auf das aite Lied von dem VMiß-
wie man denn auch von Seite des Herru Minifters
die Zurückaahme unferes
Man hielt ihm

überhaupt keine.
brauche der Presse zurück,
des Auswärtigen neuerdings wieder behauptet hat,
Prehgcsetßes ſei eine Folge des Mißbrauchs deſſelben gewesen. i
darauf entgegen, daß dich schon ver Zeit nach unmoglich sei und ich will ipm
noch die Worte eines Mannes mittheilen, die von jener Regierungsbank aus ge-
fprochen wurden, eines Mannes der vielleicht arm Beften über den Gang der
Dinge hinſichilich des b .diſchen Preßgeseges unterrichtet it. Der Herr Mini-
fier von Blittersdorf drückte sich nämlicg dahin aus: „Nicht das war der Gruuk,
warrm das bad. Preßgesepß- gefallen ift, nicht darin liegen die Gründe, warum
überhaupt von Seiten des deutschcn Bundes ein freies Preßgeseß nmuyt zu er-
warten iſt, weil man etwa einen Misbrauch fürchtet, denn diesen könnte man
unterdrücken, sonrern die Form der öffentlichen Zuſtände in Deutschland iſt die
r warum ein Preßgeſetßz nicht gegedex wird, und Preßfreipcit nicht beſte-
en kann. «i j ü

Man hat freilich damals entgegengehalten, vaß hierin eine furchtbare än-
Mage gegen den Zuſtand der öffentlichen Dinge in Deutſchland liege, und damit
brhauptet werde, es beſtehe da ein Zuftand, der eine Diskussion vor der freien
Preſſe und der Vernunsſt nicht criragen konne. Wenn wir ader auch aus irgend
Wrünven bis jcht eine Preßfreiheit in Deuiſchland und Baden nicht erpaliten
haben, und ich vickleicht auch kaum die Hoffnung ypegen kann, daß wir auf
die jetzige Motion bin so batd ein möglichſt güuſtiges Reſultat erziel.n , so
glaube ich mich denn roch auch auf den praktiſen Standpunkt ftelen zu müſ-
sen, um zu beurtheilen, ob denn wirklich die Berhältniſſe in Deutschland von
t Zi ſind, daß unsere Hoffnungen auf eine freie Preſſe sinken oder fteigen
müſſen.

In dieser Beziehung glaube ich, daß für Jeden, der die Augen für die
deutschen Zuftänve offen hat, sie im Steigen find, und zwar nicht blos darum,
weil man etwa mehr gnädigſte Rückficht auf vie Sache erwarten darf, ſondern
weil die Nothwendigkeit immer dringender wird. Ich will mich nicht darüber
verbreiten, was die Gründe für die Preßfreiheit gegenuber der Censur find, die
letztere hat längſt Hasco gemacht; allein so viel will ich in Beziehung auf das
Staatsleben sagen, daß mir der Hauptgrund gegen eine Cenſur in cinem ſchon
etwas ausgebildetca und formirten öffentlichen Staatsleben darin zu beſteyen
ſchcint, daß, sowie der Staat und das Volk durch Organe verschiedener Art auf
den öffentlichen Zuſtand einwirkt, es in diesem Volk Parteren gibt, welche auf
jede Weise die Regierung vorwärts drängen, und zu Fortschritten im der einen
sder dcr andern Art zu bringen suchen, und da wo ein solch öffentliches Leben
befieht, die Regierung selbſt durch die Cenſur Partei wird, daß fie nicht
mehr über den Partieicn oder über dem Volk fteht und dieses zu Fortschritten
führt, sondern daß sie es ift, die Alles gegenüber dem Volk und den einzelnen
Parteien vornimmt, und daß ße selbſt daran schuldig iſt, wenn sie immer von
Verdächtigungen und Mißbrauch spricht. Die Verdächtigungen geschehen da, wo
eine freie Preſſe befteht, nicht gegen die Regierung, sonderngegenüber von rem Syfrem,
das in dem Staat gehandhabt wird, wogegen da, wo eine Cenſur befteht, alles
Dasjenige, was überhaupt öffentlich gedacht wird, unmittelbar gegen die Regie-
rung sſelbft ſich richtet, und diese der angegriffene, in Folge der Censur aber
auch zugleich der antreibende Theil selbſt ift. Sehen wir unter diesen Voraus-
Fetzungen auf die Verhältniſſe von Deutschland, so finden wir da unverkennbar
Ein zunehmendes öffentliches Leben. Selbft der Zollverein, die Hebung der ma-
terieilen Interessen, die Eifenbahnen, die Ereigniſſe der neueren Zeit in Bezie-
hung auf Confesſionsangelegenheiten haben uns gezeigt, daß Alles ein reges,
deutsches gemeinsames Jntereſſe in Anspruch nimmt; daß wir ein gleichförmiges
deutsches Preßgeseß erhalten. Sie werden vielleicht zu Ihrer großen Verwun-
derung geleſen haben, daß die Münchener politiſche Zeitung, die bis jetzt nicht

auf der Seite ftand, wo Licht, Aufklärung und Fortschritt üerlangt wird, ein-

gesehen hat, auch für ſie ſci Preßfreiheit uothwenrig.

_ Dirse bat die Preßfreiheit zu ihrem Panier erhoben. und wenn solche Par-
teien in Deutschland die Ueberzeugung haben, daß nur mit Prefßfreiheit ein ge-
ywneinsames deutsches Leben beftehen könne, so werden wir uns auch damit ſchmmei-
theln können, daß die Preßfreiheit kommt, besonders im Hinblick auf die ſteigen-
den gemeinsamen Beſtrebungen, so wie auf den Umftand, daß die deutschen Re-
Hierungen es selbt ſind, die uns die Bundesgenossen fur eine Freiheit der deut-
lehcu Prege zuführen. Mir ſceint es dephalb, daß es nicht ſo sehr darauf an-

22. Januar

kommt, ob die Farben weniger oder mehr kräftig aufgetragen werden, – die
[ ;zzterigteit muß uns die Preßfreiheit bringen, und sie wird ſie auch
Ich kann daher auch die Motion in jeder Beziehung unterſtüßen, nur muß

ê ich geftehen, daß mir in einem, übrigens unwesentlichen Theile, der Commiſsions-

antrag, wie er geſtelt wurde, nicht ganz gefällt, nämlich wo der Recurs gegen
die Handhabung der Censur an die Gerichte gewiesen wird. Wir dürfen uns
nicht verbergen, daß man von Seiten vieler deutscher Regierungen von der Un-
haltbarkeit der Censur schon hinreißend überzeugt iſt und deßhalb Schritte gethan
hat, uni die Cenſur auf irgend eine Weriſe und durch verſchiedene Mittel in
ein mehr geregeltes Gewand zu bringen, mehr der Willkür, welche ihr Grund-
wesen iſt und bleibt, zu entzieyen. Man hat deßhalb in Preußen ein Obercen-
ſurgericht niedergefetzt, und damit, von guter Idee ausgehend, erreichen wollen,
daß die Censſur an beſtimmte Vorſchriften gebunden und ben Schrififteklern eine
beſtimmte Garantie für das Rectt seiner Gedanken:cußerung gegeben werde. Man
hat aber auch in Preußen mit dieser Einrichtung eine andere Erfahrung gemacht,
und sich übirzeugt, daß. damit in Beziehung auf die Censur Nichts gethan iſt. Dieses
Obercenſurgericht ift nicht in der Lage und Möglichkeit, die Censur in solcher Weise zu
hanohaben, daß ſie als ein Recht erscheint. Mir kommt es nun ader vur, daß wir mit
unserm Artrage die Cenſsur, oder wenigstens die Rekurse gegen die Verweigerung der
Oruckerlaubniß in die Hände der Gerichte zu legen, beinahe auf gleichem Wege sind, daß
man damit der Cenſur das Gewand eues rechtlichen Mannes anlegen will , der
ſich nicht scheut, vor dem Richter Recht zu suthen. Ich glaube nicht, das man
dieſcs annehmen solte, und bin der Meinung, daß die Censſar etwas ganz Un-
verbeſſerliches, nämtich Willkür und nichts als Willkür iſt, und daß wir beson-
ders in der jéhigen Zeit, wo dieſe Ansicht immer mehr die Ueberzeugung jedes
vernünftigen Vannes und Denkers wird, nicht dazu beitragen follten, zum Behuf
ihrer Haitdarkeit und ihres fernercn Fortbetandes, ihr ein rechtliches Gewand
dadurch umzuwerfen, dag wir sie mit den Gerichten in Verbindung bringen. Ich
will uicht, daß die Gerichte in die Präventivmaßregeln der Preſſe bineinzeftochten
werven, indem dadurch die Pelizei und die Verwaltung in die Gerichte ſelvſt hine
eingetragen wird.

Anders verhält es ſich mit den Repreſſiomaßregeln. Hierüber kann nur nach
den beftiuumten Geseten von den Gerichten geurtheilt werben. Für dasjenige aber,
was zu ſtreichen iſt, beſtunmte Vorschriften zu geben, iſt mcht möglich, deun
sotche Fragen werden nach den politischen Aaſichten und den Interessen rerjenigen
entschieden, die die Macht in Händen haben, und wenn wir den Gerichten die
Entſcheidung hierüber übertrügen, so würden wir, wie geſagt, die Verwaltung
und die Polizei, das Regierungssyficm unv die Cabinetésjuſtiz mitten in die Ge-
richte bringen, während Ne vou auer und jeder Berührung mit der Berwaltung
und der Potizei frei bleiben sollen. Ohnehin ftehen wir ja im Begriff, die Po-
lizei und die Verwaltung von dcn Gerichten zu trennen, und wir wollen daher
jegt uicht in Hirſicht auf das wichtige Recht der Gedaukenmittheilung beides wie-
der vereinigen. Schließlich erlaube ich mir nur noch, dem Hrn. Miniſter des
Auswättigen auf seine Rede, da wo er sich auf eia Gedicht bezogen hat, Weniges
zu erwidern. Mir ſcheint, daß allerdings noch in Deuiſchland eine Partei be-
ſteht, welche der Preßfreiveit entgegentritt, eine Partei, die zwar nicht mächtig
ift nach iyrer Zahl, mächtig aber durch Gewalt, eine Gewalt, die den Deuiſchetn
zuruft: ]

Ihr sollet sie nicht baben,
Die Preſſe frank und frei,
Seid keine Männer, seid uur Knaben,
Vrrödeten sie Euch sei! ;

Die Deutschen wachfen aber endlich aus ihren politischen Knabenſchuhen.
Sie werden mchr und mehr verſtändiz und werden mehr und meyr einfehen,
daß das Recht der Prezfreiheit ein solches iſt, das ihnen nach den Zusicherungen,
die sir von ihren Regicruagen erhalten baben, zusteht, + zuſteht aver auch nach
dem Standpuntte, den ſie ruckſichtlich ihrer politiſchen Bildung einnehmen. Die
Partei, welche der Preßfreiheit in Deutschland entgegen iſt, wird täglich ſchwä-
cher, die andere dagegen täzlich mächtiger und ftärker, und so werden wir wohl
auch bald sagen konnen: Wir werden sie bald haben! (Allgemeines Bravo.)

Jungh ann s;: Kein Wort über die Bortheile und Nadchtheile der Prefßs-
freihcit ~ auch keine Antlagen gegen Diejeaigen, welche die Bisſchränkung der-
sclden im Jahre 1832 herbeigeführt haben. Die Bundesbeschluüse von 1832 be-
flehen und wir haben sie zu beachten, deßhalb kann auch die bad ische Regie-
rung keine einseitige Aenderung des Bundespreßgeseßes vom Zahr 1819 vor-
nehmen. Somit kann ich mich auch mit den Anträgen unter Nr. 2 und 3 nicht
befreunden, da ſie ihre Üthaltbarkeit und Unausfüyrbarkeil schon an der Stirne
tragen. Die Censur, als präventive und polizeiliche Maßregel fällt nicht unter
die Gerichte, denen die Handhabung derselben in ihrer innerſten Natur wider-
rest. Gegen den Antrag 1 habe ich nichts zu erinnern, - dieſen halte ich für
den einzig zwccmäßigen uud praktischen.

Gottschalk. Ich würde in dieser Sache, worüber schon so viel Grund-
wahres, sſelbft von der andern Seite nicht Widersprochenes, gesagt wurde, das
Wort nicht nchmen, wenn mich nicht eine Aeußerung des Herrn Miniſters dazu
veranlaßt hätte. Derselbe ist uämlich der Meinung , daß ſich vicle Leule im
Volk dafür bedanken würden, die Preÿfreiheit zu haben, wenn man lächerliche
oder unwahre Dinze über ſie ſchreibenköante. Hierinift aber der Hr. Miniſter ganz übel
belehrt. Die große Volkstlaſſe, zu dcr ichmich zähle, und in der ich mich bewege, iſt so
vernünftig, das ſie gern den Kampf der Meinungen sieht, das Für und Gegen
hört, uno dann entscheidct, wo die Wahrheit liegt. Ich hoffe, das badiſche
und veutſche Volk wird diese Wahrheit immer fordern, und sich nicht damit zu-
frieden geben, daß es eine Mißgedurt erlangt, welche die Wahrheit und Un-
wahrheit gar nicht mehr erkennen läst. Wo iſt auch je ein solcher Fall vorge-
kommen, daß ſich ein Volk hiergegen verwahrte? Man wird doch nicht der


 
Annotationen