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Mannheimer Abendzeitung — 1845

DOI Kapitel:
No. 207 - No. 237 (1. August - 31. August)
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tte:u! zj i Poſt- | und Ger Zj;eiet man
Freitag 22. Auguſt 1845.









3 Der politiſche Egoismus.

Der 22. Auguſt, der Tag an welchem Baden seine Verfassung
erhielt, iſt wieder erſchienen. Es sei uns vergönnt, dieſem denkwür-
bizen Taze, mit welchem eine neue Sonne über unserem Lande auf-
ging, einige ernſte Betrachtungen zu widmen. Wir haben uns vie-
ler und herrlicher Früchte unseres conſtitutionellen Lebens zu rühmen,
um welche uns mancher Theil des gemeinsamen Vaterlandes benciden
möchte, allein dennoch, geſtehen wir uns redlich unsere Fehler, den-
noch müssen wir manchmal die bittre Erfahrung machen, daß noch
nicht bei allen Badnern, bei allen una b h än g i g en Badnern, sagen
wir, die Verfaſſung eine Wahrheit geworden und ihr Geiſt und ihr
Wesen Mark und Bein durchdrungen and belcbt hat. Eine geistige
Pflanze iſt's, welche nicht selten in dem gut angebauten Boden auf-
wuchert und die ſchönſten Saaten durch ihren Pefthauch verwelken
macht. Egoismus heißt das Unkraut und für sein Geveihen fehlt es
nicht an Pflege und Nahrung. Beispiele besitzen wir, wo die Nach-
gliebigkeit gegen diese thieriſche Neigung den Ruhm badischer Bürger
bifleckt hat — Thieriſche Neigung, sagen wir, denn thieriſch iſt der
Egoismus. Nur das Thicr iſt ſich selbsſt Zweck und nur durch seine
thieriſche Natur kann der Mensch Egoitr sein. Wo aber das Gebiet
des Geiſtes anfängt, da müſſen die thieriſchen Neigungen zurücktreten.

Und das Gebiet des Geiſtes iſt ja vorzüglich der Staat, und Alles

was auf dessen Fortschritt over Rück chritt irgend wie einen Einfluß
äußert, das gehört in dieſes Gebiet des Geiftes. – Der Staat iſt
der Boden, in welchem durch das Zusammenwirken Aller zu einem
Z recke die Ideen des Schönen, Wahren und Guten gepflanzt und
verwüklicht werten, und nur ein beharrliches gemeinsames Streben,
welches rücksichtslos und offen dem Guten, da wo es ſich findet,
ſeine Anerkennung aueſpricht, vermag eine freie geiſtige und ſitliche
Entwicklurg zu fördern. Noch nie iſt durch das vereinzelte Streben
W niger eine große griſtige Bewegung in der Menſchheit hervorge-
bracht worden; die Maſſe der Kräfte, die jene Ideen der Einzelnen
an fich herangezogen, war es erſt, welche turch das vereinte Gewicht
Großes vollbrachte. Wie köznen also Diejenigen den Fortschritt wol-
len, welche durch ihre Handlungen den Grundbedingurgen jedes Fort-
ſcbriits auf vie grörlichite Weiſe Hohn sprechen? Machen sie ſich nicht
ſilbſt dadurch jeder Berb:ſserung ihrir Lage unwürdig? Wer kann ſich
bellagen, von dem Gegner mit Verachtung behandelt zu werden, wenn
ex sich ſckbſt den Vorwurf uuredlicher Gesinnung + denn das iſt
voch jeder momentane Gesinnungswechſel äußerer Zwecke wegen
nicht veryehlen kann? Wer darf auf die Vortheile eines freien Staa-
tes Anspruch machen, w. nn er das Wesen des Staates noch so wenig
erkannt bat, raß er ihn bloß als Mittel, seinem Vortheile zu dienen,
betracht:18 -- Uaſere Verfassung sichert allen Badnern gleiche Rechte.
Wo ift aber noch Rt:chtsgleichheit, wenn es einzelnen Bürgern mög-
lich gemacht wird, durch Verfolgung ihrer besonderen Interessen eine
Bevorzugung vor andern Bürgern zu erlangen, welehe der freien
Ueberzeugung folgend, bei Ausübung ihrer fiaatébürgerlichen Rechte
und Pflichten, nur allein das Ganze des Staates im Auge behalten?
Ward richt darch jene Hantlungsweise von Seiten der Bürger selbſt
unſer theures Gut, tie Verfassung, in seinem oberſten Grundjiatze ar-
gttafete Ja , rufen wir Euch zu, Ihr begeht einen Frevel gegen die
Zerfaſſungz nicht sowohl einen einzelnen Satz der Verfaſſung verletzt
Ihr, Ihr yebt die ganze Veifaſſung auf! Seht Jor das nicht ein?

lickt zurück in dunklere Zeiten unſeres conftitutionellen Lebens, Ihr
findet das Beispiel, daß eigenſinnige Abgeschlossenbeit gegen die ge-
meinsamen Interessen des Staates das beſte Mittel iſt, der Verfas-
ſung ein Ende zu machen. Als Menſchen sowohl, wie als Staats-
bürger verleßt Ihr schwer Eure Pflichten. Soll das Andcnken an
den 22. Auguſt von 1843 erlöſchen? Mögt Ihr bei jeder Wieder-
k'hr dieſes Tages Euch in Erinnerung zurückrufen, was damals Eure
Volksmänner Cutch an das Herz legten; mögt Ihr jedesmal das Gelübde,
êteu und unerschütterlih auf der Verfaſſang und Eurem Rechte zu be-
likhen, an diesem Tage in Euch wiedcrhohlen

bw

M

Deutſchland.

* Mannheim, 21. Aug. Nach öffentlichen Berichten über die Leip-
ziger Ereigniſſe hat es sich mit Beſtimmthcit ergeben , daß Prinz Jo-
bann nicht pzrsönlich im Thorwege des Hotels erſchienen iſt, um die
Menge zu beruhigen. Dann war es zweifelhaſt geblieben, ob die
Abtheilung Schützen, welche sich seitwärts oder im Rücken des Publi-
kums aufgestellt hatte, wirklich zugleich mit den vor dem Hotel Auf-
gestellten geschoſſen hatte und es konnte insofern leicht eine Täuſchung
ſtattfinden, als drei Salven nach einander gegeben ſind. Nachdem
nun aber die Wunden der Getödt:ten, von denen Sieben bestimmt
ausgemiitelt ſind (tarunter 2 Poſtsecretäre, ein Privatgelehrter, ein
Polizeidiener bei Aus übung seines Amtes näher unterſucht
und bei dem meiſten Leichen im Rücken befunden sind, so iſt es wahr-
ſcheinlich, daß die Unglücklichen im Augenblicke des Fliehens vom Ho-
tel weg von den mörderiſchen Kugeln ereilt wurden und daß somit
jene 3 Salven von den vor dem Hotel aufgestellten Schützen gegeben
wurden. Uebrigens wurden ſämm.liche Torten n 1 < t auf dem Roß-
platze gefunden, sondern auf der 110 Fuß vom Hotel entfernten und
durch Barrieren abgetrennten Promenade, was denn deutlich genug
zeigt, daß nicht um den Andrang der Massen abzuwehren, sondern ohne
Noth in das an Exceſſen völlig unbetheiligte Publikum geschossen ward.
An Schwerverwundeten werden 3 Personcn angegeben, die Zahl der
übrigen leichter Verwundeten iſt aber unbeſtimmt geblieben. Sowohl
am Universitätsgebäude, als an der Vürgerſchule haben ſich die Spu-
ren von den hineingeſchlagenen Kugeln vorgefunden und den Professor
Branne hat eine Kugel in seinem Airbeiszimmer geſtreift, weshalb auch
das Gericht von seiner Verwundung verbreitet war. Ein anderer
der Gifallenen, ein Vater von 5 unerzogenen Kindern, wurde von
der töttlichen Kugel getroffen, in dem Augentlicke, ais er aus seiner
hinter der Promenade liegenden Wohnung vor die Thüre trat.

Dir König hat die Niederſezung einer Commiſſion verordnet,
welche eine umfassende und grüntliche Erörterung der BVeranlaſſung,
des Zuſammenhangs und Hergangs des Fenftereinwerfens und der bluté-
gen Kataſtrophe ſich zur Aufgabe machen soll. Wer die Commiſſton
ernennt, aus welchen Perſonen sie ernannt wird, iſt nicht gesagt.
Der „Ratÿ der Statt Leipzig " verwarnt ernfilich und nachdrück-
lich vor der Theilnahme an Versammlungen und Berathungen, wie
die im Schüßenhause vom 13. gewesen, da öffentliche Verſammlungen
geschlich verboten seien. Die Hrn. Räthe haben bekannilich in der
Zeit der Gefahr sich auch nicht am rechten Orte verſammelt ; darum
ift die Verwarnung sehr vernünftig! Die Stimmung in Leipzig soll

öchſt erbittert ſein.

. * Mannheim, 21. Auguſt. Nach der „Wes. Ztg. ſind die
dem geh. Rath Pochhammer, dem preußiſchen Abgeordneten zur karls-
ruher Zollconferenz, nunnehr eirtbeilter definitiven Inſtruktionen der
Hauptsache nac in einem, den Wünſchen der Indußtrielten entspre-
chenden Sizne ausgeſallen, namentlich iſt der preußiſche Bevollmäch-
tigte Hinſichts des Twiſtzolles bis auf 5 Rthlr. pr. Ztr., und Hin-
ſichts der Leinwand bis auf 3'/, Rthlr. zu gehen bevotimächtigt wor-
den, und es dürfte daher, da doch bisher faft nur Preußen ſich die-
sem Begehren widersetzte, die wirkliche Bewilligung dieses Zolles wohl
keinem Zweifel unterliegen. Auch tie preußische Denkſchrift zu Gun-
ſten der Einführung von Differentialzöllen wird in Karlsruhe zur Be-
rathung kommen. j : :

* Köln, 16. Auguſt. Die Bürgerſchoft Kölns hat dem Könige
eine Petition um Cinführung der Communalordnung eingereicht, wel-
che hoffentlich Gewährung finden wird, da man schon seit langer Zeit
die Einführung der Communalordnung erwartet. Die Petition lau-
tet: Die Unterzeichneten hoffen, dem erhabenen Sinne Ew. Maj.
zu entsprechen, wenn ſie bei deren Anwesenheit in der Ryeinprovinz
einem dringenden, tiefgefühlten Bedürfniſſe derselben Worte geben,
Den Grundſtein einer allgemeinen Repräsentation des Volkes, deren
Anordnung ein getreurs Volk in voller Uebereinſtmmung mit seinen
Vertretern von der hoyen Weisheit Ew. Mai. erwartet, bildet eine
die Bürger zu größrrer Theilnahme an der Verwaltung ihrcr Ange-
legenheiten, zur freirm Wahl ihrer Gemeinderäthe und Bürgermeiſter
befähigende Communalordnung. Von den Unterthanen ſeit faft drei-
Hig Jahren ciſehnt, von der Regicrung vorbereitet, von den Ständen
reiflich berathen, sieht die Rheinprovinz dem Erlaſſe dcs deßfallſigen


 
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