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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 31 – No. 57 (1. Februar - 28. Februar)
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23. Februar

_ Inreratediegeſpaktene
: Zeile in Petitsſchrift oder
. U. $ deren Raum 3 kr. Znse-
? eu rate, worüber die Redak-
eh . tion Auskunft zu ertheilen

D hat, die Zeile oder deren
Raum 4 kr. ~ Briefe
und Gel erbiettet man

ranco.

1845.





_ Deutfeßhlann.

f Berlin, 17. Febr. Unser Philosophen-Kirchhof iſt um ein
Grab reicher geworden. Am 13. iſt Henrik Steffens geſtorben
und. morgen früh sellen seine ſterblichen Ueberreſte auf denselben
Kirchhof, wo Schleiermacher ruht, beſtattet werden. Die Uni-

. versität verliert an ihm niqht viel mehr, als den berühmten Namen.

Nur im Anfange, als er von Breslau hierher berufen war in den

Jahren 1832 und 1833 leckte der Enthuſiasmus, von dem ſseine

naturphilosophiſchen und anthropologiſschen Vorträge durchglüht waren,
eine größere Anzahl von Zuhörern in sein Auditorium, nachher, als
man erſt hinter den Inhalt derselben gekommen war, als man sah,

wie weit derselbe gegen die Hegel'ſche Philosophie zurückſtand, ver-
ringerte ſich ihre Zahl bedeutend und von riner eigentlichen Wirk-

samkeit, von einem Einfluß Stefſens auf die Studirenden konnte
nicht die Reve sein. Man betrachtete ihn nur als Curioßtät, als

einen Reſt der naturphilosophischen Richtung, die der deutschen Wis-

senschaft nichts als Phantaſterei geboren hatte.

Zu dieser gehörte

_ auch Stefſfens religiöſe Richtung, sein Altlutherthum und seine
Mauier, alljährlich nach Dresden zu reisen, um dort auf ächt lu-

theriſche Weise das Abendmahl zu nehmen. In politischer Bezie-
hung war er ein vollkommener Reaktionär, in seinem letten Roman
„„die Revolution“ hatte er sich über tie Bewegung der dreißiger
Jahre gerade so geäußert, wie das politische Wochenblatt und dies
mußte einen um ſo widrigeren Tindtruck machen, als er in seinen
srüheren Schriften weit freiere Anschauungen kund gegeben hatte.
Zum Dichter entlich fehlte ihm das eigentliche Talent des Indivi-
dualiſirens, seine Charakterſchilterungen sind unendlich breit und er-
müdend, und der. Ruf, den ihm seine norwegischen Romane g bracht,
beruht mehr auf der Schilderung der uns neuen Natur dieses Lan-
des, als auf ihrem eigentlich poetiſchen Gehalt. Auch sein lettes
Werk, seine Memoiren leiden an unendlicher Breite, und sind nur
ſtellenweiſe von Werth. Am Ineeressanteſten war Steſfens als Per-
ſönlichkeit, als phantastisches Individuum, das in einem ewigen
Ringen nach dem Ausdruck seines naturphilosophischen Idealismus
befangen. Die „Liebe‘ war sein drittes Wort, und diese iſt auch,
wie die Preußiſche Allgemeine Zeitung sagt, scine ſchönſte Gabe ge-
wesen, die er in die Sphäre, der er jetzt angebört, mit hinüber-
genommen hat. Das ist hübsch von ter Preußiſchen Allgemeinen.

Nun ſind wir mit einem Male von allen Zweifeln über die Unſterb-
lichkeit curirt. Sie versegt die Verſtorbenen ganz wie tie chineſische

Staatszeitung, in „eine höhere Sphäre‘'. Hoffentlich wird ihr
Steffens von da die neuéſten Mittheilungen zukommen laſſen.
Berlin, 14. Febr. Unter die Zahl der auß.rpreußiſchen
Tagesblätter, welche periodisch mit unmittelbaren Mittheilungen von
Seiten hoher und höchster Behörden beehrt werden, iſt neuerdings
auch die „Weser-Zeitung-- aufgenommen worden. Sie erbält haupt-
sächlich in Sachen ter Handelspolitik manchen schätzenswerthen Bei-
trag, wobei nur zu bedauern iſt, daß für das große Publikum der
eigentliche Kern ſeiner Bedeutung meiſt verloren geht. Es sind ja
nur wenig Cingeweihte, die von dem Sachverhalte wissen. Wir

waollea übrigens dem Handelsamte gar nicht verdenken, wenn es
den Weg der Presse benutzt, um seine Ideen und Pläne zur all-

gemeinen Kenntniß zu bringen; wenn es insbesondere in den Hanſe-
ſtädten ein Organ benutt,, das die nationale Seite des Zollvereins
gebührend hervorhebt und den Anschluß der Nordseeſtaaten unter
Bedingungen vorbereitet, die eben so auf praktische Cinſicht der
wirklichen Dinge als auf eine gute patriotiſche Gesinnung baſirt

sind.

_. Berlin, 13. Febr. (D. Z.) Der Zustand unserer Preſſe hat
eine Anzahl von Schrifiſtellern zu dem Entschluſse gebracht, eine Pe-
tition an den Landtag zu richten, in der ſie auf das Mangelhafte

deſſelben auſmerkſam machen wollen. Die Verschiedenheit, mit der

die Censur- Inſtructionen von der einzelnen Lokalcensoren ausgelegt

werden, die durch dieselbe den Fortschritten der Prefse bereiteten Hin- .

dernisſſe, der NMaththeil, welcher dem Publikum hieraus erwächst, das

Alles wird in klo
diesen Gegenſiand gerichtet hat, hieraus Berranlaſſung nehmen wird,
die ſchon ctwas gelöſten Feſſeln der Preſſe noch leichter zu machen.

.

.




Hlorer Darlegung vorgebracht werden, und man hofft,
ſſen Aufmerkſamkeit sich bekanntlich schon oft auf

~ Die „Allgemeine Preußische Zeitung enthält von dem k.
preußischen Navigationsdirektor, Hrn. v. Dirckink Holmfeld in Dan-
zig, welcher bekanntlich die Uebungsfahrt der preußischen Corvette
„Amazone - befehligt, eine ausführliche Rechtfertigung gegen mehrere

Beschuldigungen, welche in den Stettiner Börſennachrichten der Oſt-

see und einigen anderen öffentlichen Blättern über sein Benehmen auf
dieſer Fahrt waren erhoben worden. Was die Behauptung angeht,
daß dieser Chef die Nothsignale einer spanischen Brigg unbeachtet ge-
laſſen, weil er dort Kranke am gelben Fieber vermuthet und deßhalb
die Quarantäne gefürchtet habe, so erklärt er, dieses Schiff sei durch-
aus nicht in Noth und dazu noch in naher Verbindung mit dem
Lande gewesen. Mit einer besonderen Mission von der preußiſchen
Regierung, von welcher damals die spaniſche Regierung niche aner-
kannt gewesen, beauftragt, habe er um so weniger mit der Brigg in
Verrbinrung kommen wollen, als dann nicht nur der Geſundheitspaß

seines Schiffes nach den im Mittelmeer geltenden Quarantänegeſegen

erloſchen, sondern er auch wahrscheinlich von den Spaniern in polis
tischen Angelegenheiten in Anspruch genommen worden wäre. Jn
augenscheinlicher Noth würde er pflichtzemäß der Brigg thätige Hülfe
gelciſtet haben. Diese sei nicht vorhanden und die Signale seien noch
keine Nothsignale gewesen.

us dem Waugpgsyerthal 17. Febr. (Rh. B.) Einer un-
serer Geistlichen, der Nichts, was Aufsehen erregt, vorübergehen
läßt, obne darüber von der Kanzel zu sprechen, hat in zwei Predig-
ten gezen die Karnevalsfeſtlichkeiten im Allgemeinen und gegen „Er
geht aufs Land.. ins Besondere geeiferl. Nach seiner Meinung ent-
hält dieses Stück nicht nur eine ſchändliche Verspottung -der Kinder
Gottes-., so: dern auch eine teuflis.he Verhöhnung alles Chriſtenthums.
Man kann darüber mit ihm nicht recht>n. Es iſt ihm nie auf ein
par Worte zu viel angekommen; er kümmert ſich auch nicht darum,
ob seine Predigten wirklich erba u en, wenn sie nur seinem Publi-
kum gefallen. Sagt es denn aber seinem Publikum zu, wenn er
unsere edelſten Dichter und Philosophen, deren Crwähnung doch nicht
in eine Predigt gehört, Lügn er nennt? Hört sein Publikum es

gern, wenn er Stattgeschichten zum Gegenstand seiner Kanzelvorträge

macht und dabei unbegreiflißher Weiſe verdammt, was er nur vom

Hörenſagen kennt ? Und wie erbaulich, wenn er in einem Gauſſe er-

zihlt, wie der Herr vor zehn Jahren einen Läſterer im Armen-, einen
andern im Narrenhauſe haben sterben lassen, und wie ihm am Karne-
valsrienſtag Einer zwei Cinlaßkarten zum Maekenballe zugeschickt!
Natürlich, es amüsirt. Und dann kommen tie Klagen über den Ver-
fall von Elberfeld! Als ob Elberfelo wirklich vor der Erbauung des
Theaters eine Gottesſtadt gewesen! Es gibt Umſtände genug, die
das Gegentheil darthun. Iſt das Theater Schuld, daß E. auf ſeine
33,000 evangelische Einwohner nur zwei eben nicht große Kirchen
zählt? Wie viele Tauſende leben in Elberfeld, welche die Kirche
uur dem Namen nach kennen! Den Heiden bringt Ihr das Evange-
lium, und wir l obe n Euch darum; aber zum Besten der Heiden
eine prächtige Anstalt zu gründen, Tausenden Eurer Mitbürger
dagegen nicht die Gelegenheit zu (Brod und) Erbauung zu geben,
wie verträgt sich das ? — Liebe gewinnt, liebloſe Verdammungssucht
ſtößt ab. Die Freunde des Schauspiels laſſen sich durch Eure para-
doxen Behauptungen in ihrem Vergnügen nicht stören, und wenn ſte
die Kirchen wenig besuchen, so iſt daran Euer alle Vernunft Wiſſen-
ſchaft und Kunst schmähender Zelotismus mehr als sonst Etwas Schuld.

Fraxkfurt, 15. Febr. Die mit einem jhpolitiſhen Ohr und
diplomatischer Zunge betrauten Russenfreunde in Mitteleuropa tra-
gen jett die etwas seltsam klingende Sage herum, daß die politiſch-
kirchliche Spannung zwischen dem Vatikan und dem Winterpalaſt
deßhalb nicht zu beiderseits gewünschter Geschmeidigkeit gelangen
könne, weil Cngland und Preußen (!) Alles aufbieten, um jede
nähere Verständigung zwischen den Kabinetten an der Newa und
am Tiber zu hintertreiben. ~ Man will durch diese rein oder un-
rein aus der Luft gegriffene Angabe in aller r Unſchuld . weiter
nichts sagen, als daß eine nähere Verständigung zwischen dem
römiſch- orthodoxen und dem griechiſch- orthodoxen Iutereſſe für das
evangelisch - reformirte in Deutſchland und Großbritannien gef ähr-
lich werden könnte, weil das lettte dadurch in die Klemme zwiſchen
zwei koloſſalen Glaubensgewalten gerathen würde, welche, es von


 
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