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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 329 - No. 358 (1. Dezember - 31. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#1435

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12. Dezember

1845.



Freitag

| Landtagsverhandlungen.

*1% Karlsruhe, 9. Dez. Siebente Sitzung der Zweiten Kammer.
tu en L:;ſt eee Präsidenten B e kk. Regierungsbank: Staatsrath R e-

Junghanns ift zwar auch nicht davon überzeugt, daß Jesuitismus,
Polizeiwillkür und Unterdrückung ver Freiheit das Syftem unserer Regierung
bilven, will sich jedoch zur Frage über die Zulässigkeit der Adreſſe wenden
unv glaubt, nur im Wege einer Motion könnten solche Beschwerden vorge-
bracht werden. Außerdem bürge die Oeffentlichkeit dieser Verhandlungen, denen

ver Präſident ves Miniſteriums beiwohne, für den nothwendigen Einfluß der

öffentlichen Meinung. Die Verfassung gebe der Kammer ein Recht auf eine
einseitige Adreſe nur in dem einzigen Fall der Dankadreſſe auf die Eröff-
nungsreve und dieser Fall liege nicht vor.

Welcke r: Wo fleht das ? |

Jungh anns: Das sei naturgemäß ; auch werde eine Adresse nach den
Aeußerungen ves Hrn. Regierungscommissärs voraussichtlich nicht angenom-
men. ;

Der Redner stellt den Autrag, zur Tagesordnung üherzugehen. ß

Sch aa ff: Man fönne über Zulässigkeit einer einseitigen Adresse fireiten,
er wolle dieses zweifelhafte Recht der Kammer nicht aufgeben; allein die
Nammer sei nicht im Fall Gebrauch davon zu machen, weil es zwecklos sei.

Welcker: Der Miniſter des Innern sei nicht der Großherzog.

Schaaff fährt fort: es seien keine Materialien vorhanden. ;

„ Der Zweck des Antragstellers seine Beschwerden überhaupt vorzubringen,

ser erreicht.. yu litts;

; D wenigſtens noch 1 yCt. der Freiheit vorhanden, beweise die Mög-
lichkeit, solche Beſchwerten vorzutragen , das sei Freiheit genug. ;

Iwisch enruf von der Linken: uns nicht, wirr wollen nicht blos Zinsen,
wix. wollen das Kapital. ; . j ; !

Srchaaff: Der Antragsteller habe seiner persönlich erwähnt „in seiner
Cigenſchaft als Reg.-Direktor; derselbe sollte aber doch wiſſen, daß hier der

_ Ylgeoroncte und nicht der Reg.-Direktor sitze.

“Wehsker.: abex..in-Mavunheim war's. der Reg -Direttor. . tz;

“ GSchaakff: Der Reg.-Direktor kann und darf fich hier nicht rechtfertigen,
souft wüſſe er die halben Kosten des Landtags veranlasen. Welcker habe
viel Unklares und Unrichtiges vorgebracht.

Bassermann verlangt eine Rüge gegen die vielen Unterbrechungen
von der Rechten. ;

Er kann nicht begreifen, daß es unzulässig sein soll, den Ausdruck der
öffentlichen Meinung vor den Thron zu bringen. Nach der vielbeliebten pa-
triarchaliſchen Huffäſſung des Staats höre man immer, es sei dem Vater er-
laubt, seine Kinder zu ftrafen, es müſſe doch wohl den Kindern auch erlaubt
sein, dem Vater ihre Wünſihe vorzubringen. Am Wenigsten könne er -insehen,
wie die Rathgeber des Vaters sagen könnten: Wir wollen es nicht leiden,
daß ihr zu euerm Vater sprecht.

Die sächsitche Kammer habe gegen ihre frühere Uebung dieses Recht auf
diesem Landtag geübt; die badische Kammer habe dies immer gethan, und
könne davon nicht abgehen.

St.-R. Neb enius will eine Adresse nicht hindern; nur müſse dieselbe
durch die erſte Kammer gehen und dürfe nicht alle möglichen Fragen urafassen.

Welcker: Das Syſtem der Regierung sei eine einfache Frage.

Rettig (von der Regierungsbank): Die Person des Regenten trete nach

unſrer Verfaſſung nur einmal bei Eröffnung der Kammer hervor, man müßte

daher eine Anrede an den Regenten mit der Anrede an die Regierung ver-
wechseln, wenn man eine Dankadresse voliren wolle, wo keine Eröffnung in
Person ftatt gehabt. Nur eine Dankadresse sei bisher üblich gewesen. In dem
Begehren des Antragſtellers liege das Beſtreben, auf ungeseglichem Wege sich
an den Großherzog zu wenden. Eine dankende Rede ohne vorhergegangene
Anrede sei eine Zudringlichkeit. Der Großherzog sei für Jedermann jeden
Tag zugänglich. Ein Gewicht durch eine größere Zahl sei nicht nothwendig ;
das Sytftem der Regierung werde dadurch nicht geändert. Der Verftand und
die Einſicht der Bürger sei eine Schutzwehr gegen Uebergriffe.

Regenauéter hält eine Adresse für unnöthig und verfaſungswidrig. Alles
sei in Motionen, die bereits angezeigt, enthalten. f

Welter: Aber keine Motion über das Syſtem der Regierung.

Hecker: Nur dann, wenn in drr For m eines Antrags eine Beschwerde
gefunden werden könne, dürfe eine solche nicset einseitig beſchloſen werden ;
allein eine Adrresse sci keine Anklage, keine Beſchwerde: eine Adresse sei ent-
wever eine Dankadresse, eine solche könne nicht verboten sein und dürfe eben
so wohl pure Devotion als einen modificirten Dank, mit Ausspruch der Gesin-
nung, enthalten. Welche Form die Adresse erhalten würde, wisse man nicht,
alſo könne man sich auch jetzt noch nicht aus Gründen der Form dagegen aus-
sprechen. Ein Gesetß, das Adressen verbiete, beftehe nicht. Es seien ganz ab-
ſolutiſtiſche Grundsätze ausgesprochen worden. Einzelne Personen kämen in
einem Repräsſentatioftaat, wie der unsere, wo zwei ideale Personen, Regent
und Volk, gegenüberſtänden, nicht zur Sprache und als Ausspruch des Volks
sei zu beachten, was vas Haus der Abgeordneten ausgesprochen habe.

Ylbver nicht nur gesetllich auch zweckmäßig sei die Ueberreichung einer Ad-
reſſe, venn es sei die Uebung in allen Repräsentativftaaten, daß jener
Ausspruch der öffentlichen Meinung sogleich beim Beginnen der Ständever-
sammlung auf die Stufen des Thrones niedergelegt werde. ~ Hierauf folgt die
bereits mitgetheilte Abſtimmung.

b

Welckers Rede in der Sitzung vom 9. Dezember.
Welker: Meine Herren! Wir beginnen unser wichtiges und ſchweres
Amt als die erwählten Wortführer unseres Volks in einer auferordentlichen

„und vorzüglich innerlich höchft bewegten, bedeutungs- vielleicht verhängnißvol-

len Zeit. Mit dieser Wahrheit begrüßte uns unser gegenwärtiger hochgeach-
teter Präfident. Wir alle fühlen fie, bald mit freudiger Ahnung, bald mit
Beklommenheit, sobald wir die merkwürdigen Erscheinungen in allen Theilen
unseres badischen und deutschen Vaterlandes in ihrer inneren Verbindung und
äußeren Bedeutung betrachten, wenn wir fie erfaſſen im Zuvſammenhange mit
der geschichtlichen und politischen Entwickelung unserer ſtammverwandten Ra-
tionen, mit den trotz aller Wahrheitsunterdrückung täglich bewußter werden-
den politischen Wünschen und Bedürfnissen und den großen immer mehr und
mehr aus ihrem Schlummer erwachsenden Kräften des Volkes. Die besonde-
ren dringenden Pflichten, welche für uns diese außerordentliche Zeit begrün-
det, beſtimmen den Antrag, für welchen ich Ihre Zuſtimmung erbitte. Das
in unserer Verfassung §. 75 und in der Geschäftsordnung §. 67 und g. 68
ausdrücklich allgemein begrürdete Recht, unsere pflichtmäßigen Gesſinnungen

und Neberzeugungen in Adressen an S. K. H. den Großherzog auszuſprechen ;

und dieselben nach eingeholter Erlaubniß durch besondere Deputationen un-
mittelbar vor den Thron zu bringen, haben wir bisher gewöhnlich ausgeübt,
wenn die Landftände durch den Großherzog persönlich eröffnet wurden. Auf
dieſen Fall iſt es indeß weder nach der Natur der Sache, noch nach jenen
allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen, irgend beschränkt, und wir haben es
insbesondere fiets ausdrücklich auch für solche Fälle gewahrt, wenn durch ei- -
nen gr'oßherzoglichen Specialcommmiſsär im Namen des Großherzogs vie
Landflände eröffnet und ihnen die landesherrlichen Mittheilungen gemacht wur-
den. Und es können möglicherweise wichtige Gründe für die Aueübung die-
ses Rechles sprechen. J<{ will nicht davon reden, daß es in manchen Zeiten
den verfaſſangemäßigen Stellvertretern des Volks um so wichtiger sein könnte,
unmittelbar vor dem Throne ihre treue Stimme erheben zu dürfen,, je mehr
die Rathſchläge solcher, welche sich zwiſch n den Jürſten und das Volk stellen
möchten, dieſes zu verhi:-.dern suchten. Es kann. aber auch der Kammer der .
erwählten Volksvertreter wichtig werden, ihre Ueberzeugungen und Wünſche
rückſichtlich der Staatsverwaltung, ohne die nach der Auslegung des §. 67
der Verfaſſung bei Beschwerden und Anklagen nothwendige Zuftimmung und
gewissermaßen Bevormundung der erſten Kammer, in ihren unmittelbaren
uuv reinen Ausderücken und zugleich in milderer Form, aks in einer Atklage
oder Beschwerde, unmittelbar vor dem Throne auszuſprechen. i; t!

Dies r Fall nun iſt, wie ich glaube, jetzt für uns eingetreten. Cr iſt ein-
getreien, weil unsere Zeiten und Verhältnisse außerordenilich wichtig und
schwierig find und der tisherige Gang unserer Staatsverwaltung in ihnen
der Sicherheit des Thrones und des Volkes entsprechend iſt, (W 1.

Der Redner geht nun auf zwei Einwendungen über , rie von vornherein
gegen seinen Anirag erhoben werden könnten und die er beseitigen wolle, be-
vor er weiter gehe. Die Einwendung besteht dartn, daß, wenn autch in
Deutschland überhaupt die bürgerliche Freiheit noch nicht in hohem Grade
ausgebildet sei, es doch in Baden noch nicht zum Stlimmſten stehe; vaß hier
wenigftens noch ein Reſt von Rechtszuſtand sich erhalten habe. Dagegen be-
merkt er, daß in Baden ein Mittel;uftand bestehe, wie der, wovon Dante
ſpreche, wobei man weder in den Himmel, noch in die Hölle komnte. Cin
solcher Zuſtand entspreche den Zeitverhältniſſen nicht, welche Eniſchiedenheit
verlangen, und könne auch nicht lange beſtehen. Der zweite Einwand gehe
gegen die Form einer Adresse, welche zur Ehrerbietung auffordere, während
man doch gegen das Syftem der Verwaltung fich zu beſchweren Grund habe.
Man achte aber den Fürften dadurch am Meiften, daß man ihm vie Wahr-
heit ſage und bei ihm den Willen vorausſetze, das Wohl des Staates nach
beſtem Wissen zu fördern. Er wähle ferner die Form einer Adresse darum,
weil er milder sein wolle, als es die Form einer Beschwerde oder Auklage
gestatten würde. Auch werde er teinen Entwurf einer Aoreſſe vorlegen, son-
dern dies der Commission überlassen, damit der iſchicklichen Form jede mög-
liche Ruckſicht getragen werde. Hierauf fährt der Redner fort:

Was aber iſt nun die eigemhümliche Wichtigkeit und Schwierigkeit unse-
rer Zeit, unserer Verhältnisse? Sie beftehen in Folgendem: Seit einem hal-
ben Jahrhundert ift für die civiliſirien europäischen Völker eine neue Periode
der Entwicklung und mit ihr ein durchgreifender Principienkampf eingetreten.
Sie sollten und wollten aus dem Jugendalter in's Mannesalter, aus pa-
triarchaliſchen, feudalen, theokratischen, despotischen, in allgemeine freie ſtaats-
bürgerliche repräsentative Verfaſungen übergehen. Beinahe alle übrigen
Völker haben bereits, und zwar die meiſten durch blutige Kämpfe und Revo-
lutionen, die neue ftaatsbürgerliche Freiheit siegreich errungen. Für unsere
deutsche Nation aber ift nach laugen Schwankungen endlich ebenfalls, vas
fühlen, das sehen wir Alle, die Eniſcheidungszeit genaht. Es frägt ſich end-
lich zwar kein Verftändiger mehr, soll die große deutsche Nation, nach ihrer
früheren Geſchichte, nach iprer Lage und Bildung das Centrum ver gebilde-
ten Völkerwelt, allein ausgeschlossen bleiben von der zeit- und naturgemäßen
Entwigklung, von der ftärkften Kraft der übrigen Völker. Es fragt sich nicht
mehr: ob auch fie diese Güter erringen, oder ob sie zurüchfallen soll in ge-
haßte, ja verachtete despotiſche Zuftände, oder in einer naturwidrigen Ver-
krüppelung der Bildung, gleich den unglücklichen Verdammten in Dante's
Höle, zwischen Himmel und Hölle schwanken und dann jedenfalls vie Veute
der übrigen Völker werden soll ? Nein diese Frage hat in Nord und Süd,
in Oft und Weft, täglich klarer werdende Bolksbewußtsein der großen Ration
das ihr täglich dringender gefuhl:es Bedürfniß, ihre täglich erwachende Kraft
bereits entschieden. Nicht mehr gehaßt, sondern verachtet, find alle jene romats
tisch phantaſtisſchen oder deſpotiſchen Theorien vom götilich veſpouſchen Her-
renrecht, jene ewigen Stillſtands - oder Rückgangs -, Feudaliläts- und Reass


 
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