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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 176 - No. 206 (1. Juli - 31. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0817

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anzen Großfßherzogthun ZE57 E,.
Haven 2 fl. s fi. im " > ' "
Ausland erhöht fich das
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Freitag



18. Juli

Inseratediegeſpalteons
Zeile in Petitſzzrifi oder
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Vs V l F ; r rate, worüber die Redak-
L L.... tion Auskunft zu ertheiles

“ * . hat, die Zeile oder dersy
Raum 4 kr. –~ Yrixefse
und Geld erbittet man

franco.

1845



* Die Jeſvitenfrage in Frankreich.

(Schluß.)

Nach der Behauptung der Mitglieder der Geſellſchaft Jesu
ſelbſt (siehe das bekannte Werk Ravignan’'s von der Eriſtenz der
Jesuiten) beſteht die gesammte Anzahl der Mitglieder in 206 Prie-
ftern in ganz Frankreich. Die nicht ohne Cinfluß bleibenden, ja
sehr oft überaus wiriſamen Nichtprieſter und Laienbrüder werden
nicht veranſchlagt. Der Deputirten-Kammer konnte Thiers die Ver-
ſicherung geben, daß mehr als 17 Häuſer beſtänden. Die Wahr-
heit iſt, daß ſich Frankreich in zwei Provinzen 1heilt, Francia mit
dem Hauptsſite Paris und Lugdunenſis mit dem Hauptorte Lyon,
erſtere Nord-, letztere Süd- Frankreich umfassend. In diesen beiden
Provinzen befinden sich nachfolgende Häuſer:

In Francia (Paris.)

Angers, Residenz, Straßburg desgl., Bourges desgl., Quimper
desgl., Notre-Dame -de-Lieſſe bei Laon, Metz, Ulle, Nantes
desgl., Poitiers desgl., Rouen desgl., Vannes desgl., Paris,
Residenz und Seminar, Laval, Seminar, Residenz und Noviziat,
Iſsenheim, Residenz und Noviziat, St. Acheul desgl. und Brüge-
lette lip Geigien) als Scholaſtik und Kollegium für Frankreich.
In on :
„uLyon, Reſdenz, Lyon, Exercitienhaus, Aix, Residenz, Bordeaux
_ desgl., Caſsters desgl., Dole desgl., Grenoble desgl., Notre-
_ Dame - de- Lalouvesc desgl., Marseille desgl., Avignon, Haus
_ 9. Prüfung, Avignon, Noviziat und Residenz, Toulouſe desgl.,
Vals, Residenz und Seminar.
Dazu kommen für Lyon 4 Misſionen:
Afrika, Madagascar, Invbien und Syrien,
für Francia :
3 Misſionen: Kanada, Kenliuky, China,

wofür (da außer Frankreich faſt keine weiteren Misſionen der glor-

reichen Geſsellſchaft bestehen), die Congregation de la Foi gegen

89,624 Thlr. 18 /, Sgr. laut ihres letzten Jahresberichtes zahlt.
Der Personenbeſtand ſtellt ſich für Frankreich heraus, zufolge

der Jahresberichte vom 1. Januar 1845: :

für Francia : Prieſter. Seminarift. u. Noviz. Laienbrüd. Insgesammt.

204 106 106



ſür Lyon nachträgl. 188 1A47 111 AAG
aufgeführt I 4 . A
392 257 247 866

wozu eine für Spanien bestimmte Niederlaſſung in Aire mit etwa
einem Dutzend Mitgliedern noch nicht gerechnet ist.

Dazu das verwandte

Belgien mit 147 11:48 101 A24

ſo hat may schon eine kleine Uebersicht der Gesellschaft, hinsichtlich
ihrer verläugneten Kräfte.

Letzleres Land besitzt an Häuſern (mit den Zweigen in Holland)

Aloſt, Antwerpen, Brüſsel, Gent, Leiden, Löwen Namur, Tour-
nai, Katwyk und Kuilemburg, (letztere beiten in Holland) als
Kollegien und Pensionate, ferner ( in Belgien und Holland)
Kourtrai, Lierre, Gent, Brügge, Mons als Residenzen, Tronchien-
. nes als Noviziat und Residenz, Amſterdam, Kuilemburg,, Haag,

Nimwegen und Ravenſtein, als Misſionen zum Versuche der Ein-

führung des Ordens und eine Mission in Amerika von 8 Priestern.

î_ Dazu kommt das vorhin genannte Haus Brügelette für Frank-
reich und Nivelle mit einigen 30 Mitgliedern, welches an Spanien
abgegeben iſt. Letztgenannte Provinz kann von der Ausdauer der
Geſellſchaft ein Beispiel geben, da troß der wiederholten Austrei-
bung und der heftigsten Feindschaft der Nation dennoch im Innern

des Landes an 140 Jesuiten eriſtiren. Deutschland hat sich, nach-

dem der Beichtvater des vorigen Königs in Dresden neuerdings
îHefſtorben, bis auf Köthen freigehalten, obgleich zahlreiche Versuche
ſty)ct wurden, eine Stätte in unserm Vaterlande zu erringen.
Vagegen zählt Oeſterreih gegen 140 in seinen deutschen Staaten,
welche in Linz, Grätz und Inſpruck ſich in vier Häuſern und Kol-

rovinz Gallizien gehören. Ueber nähere Nachrichten verweisen

*.;

. f : ? j +

.; einem Noviziate befinden und zu der ziemlich starken

wir auf ein in nächſten Tagen im Druck erscheinendes Werk, „.das
Innere der Gesellschaft Jeſu-- , welches auf Dokumente ſich stützend,
diesen von allen Parteien so vielfach verkannten Gegenstand in tas
reine Licht der Wahrheit zu ſtellen ſucht; können jedoch nicht umhin,
in Bezug auf obige Mittheilungen zu wünſchen, daß sie von un-
sſerm Nachbarlande nicht ganz überſehen werden, damit man nicht
gar d as Sprichwort .„„parturiunt montes“ hier anwenden muüſſe,
wozu freilich ein großer Anſchein iſt.



Deut9ſchland.

+ Bielefeld, 14. Juli. Cine starke Arbeiter- Bewegung hat
in unserer Nähe Statt gefunden; die Eiſenbahn- Arbeiter bei Schil-
deſche, eine Stunde von hier, und an der ganzen Bahnstrecke stellten
die Arbeit ein und suchten für ihre Beschwerden an den Eisenbahn-
beamten Genugthuung zu nehmen. Sie fordern für ihre harte Ar-
beit höhern und nicht geſchmälerten Lohn. Seit die Arbeiten am
Viaducte begonnen, haben wie die „Köln. Ztg., den Vorfall erzählt,
die Schachtmeiſter den Leuten Anfangs 10 Sgr. täglich, später einen
Lohn von 12 Sgr. täglich auebezahlt, davon aber "., Sgr. für
Branntwein innebehalten, welcher von ihnen verabreicht worden iſt.
Dieser Abzug wurde jedem Aibeiter gemacht, gleichviel, ob er Brannt-
wein trinken wollte oder nicht; die Arbeiter behaupten sogar, daß
der, welcher am Meisten bei den Schachimeiſtern conſumire, auch am
Beflen bei ihnen angeschrieben stehe, daß die Schachtmeiſter es in
ihrer Hand hätten, die Arbeiter anzunehmen und zu entlassen, daß
jede Beſchwerde gegen den Schachtmeiſter unbedingt Entlaſſung aus
dem Dienste nach sich zieve und so allen möglichen Begünſtigungen
und Umtrieben Thür und Tor geöffaet. sei. Von den übrig bleiben-
ven 11', Sgr. haben die Arbeiter täglich 7'/; Sgr. für Koſt und
Logis zu zaylen; es bleiben ihnen also täglich 4 Sgr., dafür müſſen
ſie Kleidung und Schuhwerk beschaffen, Frau und Kinder zu Hauſe
ernähren und ihre sonstigen Bedürfnisse beſtreiten. Die Koſt, wrilche
ſie für ihr ſchweres Geld erhalten, iſt in vielen Fällen nicht einmal
hinreichend zur Sättigung bei der überaus anstrengenden Arbeit. –
Von den Bahnbeamten soll ihnen nun erklärt sein, der bisher bezahlte
Lohn sei nur als Vorschuß zu betrachten. Sie möchten nur recht tüch-
tig arbeiten, dann würden sie nicht unbedeutende Nachzahlungen er-
halten. Darauf sich ſtüßend haben die Arbeiter unverdrossen ihr sau-
res Tagewerk verrichtet ( sie ſollen von Morgens 5 Uhr bis Abends
9 Uhr gearbeitet haben); Manche sind dabei gestürzt, Manche baben
ſich Blutſpeien zugezogen und ihren Körper ruinirtz Woche auf Woche
ging bin, die Nachzablungen blieben noch immer aus , bis dieser un-
gewiſſe Umstand die Leute endlich ermüdete und ihre Unzufriedenheit
an dem vorgeftcigen großen Löhnungstage, wo in einzelnen Schach-
ten, deren Arbeit nicht so hart gewesen sein soll und die deßhalb beſ-
ser vorwärts gekommen sind, 15 Sgr., am BViaducte aber nur der
alte Lohn gezahlt wurde, in hellen Flammen ausbrach. Eine Depu-
tation der Arbeiter an den Abtheilungs-Ingenieur Heſekiel, die um
einen genügenden gewissen Lohn ersucht und zugleich angefragt haben
ſoll, wer denn die Nachzahlungen für die Arbeiter, welche krank ge-
worden oder im Laufe der Zeit entlaſſen seien, in die Taſche ſtecke,
ſoll kurz beschieden sein : „Jeder Arbeiter, der mit den bestehenden
Einrichtungen nicht zufrieden iſt, mag sich trollen; es wird nicht an-
ders.. Der größte Theil der Arbeiter stellte nun die Arbeit ein und
zwang auch die, welche 15 Sgr. erhielten und gerne weiter arbeiten
wollten, zu feiern. Die Eisenbahn Beamten , welche die Unruhe mit
Strenge unterdrücken zu können glaubten (einzelne sollen sogar thät-
lich gegen die Arbeiter geworden sein), wurden von der erbitterten
Menge schwer mißhandelt und konnten sich nur mit Mühedurch die Flucht
retten. Die aufgeregte Masse demolirte die Wohnungen einzelner ver-
haßter Beamten; die größte Wuth aber herrschte gegen den Amtmann
von Schildeſche, der geäußert haben sollte, er wollte 500 Arbeiter
zu 7/, Sgr. täglich stellen. : ;

Eine starke Truppe zog nach seinem Hauſe, zertrümmerte die
Fenfter , durchsuchte alle Räume, Keller und Boden nach ihm, glück-
licher Weise fand man ihn nicht, sont hötte er leicht als Opfer der
Volkswuth fallen können. Während dieser Zeit war die bielefelder
Garnison ausmarſchirt, bei deren Ankunft die Arbeiter schon wieder


 
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