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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 87 - No. 116 (1. April - 30. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0445

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tion Auskunft zu ertheilen
H het die Zeile oder deren

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und Gel téittet man



Samstag

19. April

1845







„Die bewaffnete Volksversammlung."

_ * Nach dem ,„Solothurner Blatt‘ hat die Regierung von Solo-
thurn gegen die Luzerner Staatszeitung eine Klage wegen Verleum-
dung erhoben, nachdem ihr und den Bürgern des Kantons in Bezug

auf die Luzerner Ereigniſſe die ſc<werſten Beschuldigungen
in's Angesicht geschleudert waren. Außer diesem gericht-
lichen Schritte, zu dem ſich die Regierung -~ wir wissen

nicht, ob mit zureichenden Grunde + yeranlaßt sieht, sehen wir in
der Preſſe des Kantons ein derbes und entschiedenes Auftreten, das
freilich auch nicht einzelner Schmäh-Ausfälle gegen die Regierung von
Luzern entbehrt.
thurner Blatte, den wir auch in andern Schweizer Blättern, na-
mentlich in Baslern, wiederfinden; er lautet. (mit einigen Auslaſ-
ſungen) wie folgt: ;

Einem Fremden, der die Schweiz nicht aus langer und eige-
ner Erfahrung kennt, iſt es rein unmöglich, sich einen Begriff von

der Entstehung von Freiſchaaren und namentlich vom letzten Zuuge

nach Luzern zu machen. Jene conſervativen Blätter, welche einen
Eindruck auf das Ausland zu machen versuchen, und Troſt, Rath
und Unterſlitzung von Außen erbetteln, hüten sich daher auch, die
wahre Sachlage darzustellen, sondern begnügen sich fort und fori,
mit „Mörberbanden und Banditenhorden-- um ſich zu werfen.
inan nun weiß, daß unter dieſen ,, Mördern und Banditen j Män-
ner aller Stände und Klaſſen, vom bOſährigen Greiſe bis zum 19-
jährigen Knaben , ſich befinden; wenn man vernimmt, wie die wohl-

habendſten Familien des Landes ihre eigenen Kinder in's Feld stellen U
und der Beſitzer..einer halben Million mit seinen Knechten in glei-

<en Reihen und Gliedern steht; wenn man Gelehrte und Künstler
die ungewohnte Waffe ergreifen, die solideſten Hausväter ihre Werk-
stätte verlaſſen und der Fahne folgen sieht; wenn man das Bülletin
der „Staats-Zeitung" vom 2. April liest, wo sie von einer Menge
[ reichgekleideter Herren- spricht, die unter den Gefangenen sind, wo
sie über die große Beute an feingearbeiteten Siutzern und Flinten ju-
bilirt, von „goldenen Ketten- berichtet, die man an r Leichra ' gefun-
den, von prächtigen Pferden-- , die man dem Feinde abgenommen,
und von r. reichen Bagagewagen“ ,, die man im Triumphe in die
Stadt geführt – so begreift man auch, daß es sich hier nicht um
ein „O e sindel-, handelt, das auf's „Rauben und Morden" aus-
geht, sondern daß ein höherer Zweck und eine tiefe Ueber-
zeugung einem Unternehmen zu Grunde liegen muß , dessen Theil-
nehmer für ihre eigene Perſon Nichts zu gewinnen, aber Alles ein-
zusetzen haben..

„Wegen eines Syſtems, das, statt das Wohl des ganzen Volkes
irn Auge zu haben, nur ſeinen Leidenschaften fröhnte und um jeden
Preis die vernunft- und verfaſsſungswidrige Jesuiten-Berufung durch-
setzen wollte, iſt seit Jahr und Tag das ganze Land unierwühlt, sind
viele hundert Familien in das tiefſte Clend versetzt worden und muß-
_ ten tauſend und aber tausend freigeborne Luzernerbürger ihre Heimath
verlassen, die ein Fremdling durch Ukberläuferkünſte den Gegnern der

Dreißiger-Regierung in die Hände geliefert hatte.-

„Durch die ganze Schweiz ging der Schrei des gerechten Unwil-
lens; selbſt ariſtokratische Regierungen, wie Baſelſtadt, riethen zur
Verſöhnung. Der Große Rath von Zürich, unter Einfluß eines
Bluntſchli, schickte eigene Abgeordnete, die zum Frieden rathen muß-
ten; weitaus die Mehrheit der Kantonsregierungen, selbſt diejenigen,
die dex Kantonalsouveränetät als ein unüberſteigliches Hinderniß ge-
gen weiteres Cinſchreiten anſahen, tadelten das hartnäckige Benehmen
der Regierung; mit hunderttauſend Unterſchriften pctitionirte vas
Volk an hie Tagsatzungz die Tagsatzung sah den traurigen Fall ein,
konnte aber nicht helfen,. weil der Bund es nicht erlaune – –~
so ſianden die Sachen, als in Folge von mehr als zwanzig Volks-
verſammlungen, -die in der weſtlichen und öſtlichen Schweiz gehalten
wurden, endlich der Gedanke unter die Maſſen kam, daß das Schwei-
zervolk nicht nur kantdnale, sondern auch eidgenössiſche Intereſſen zu
verfechten habe und daß, wenn der Bund der Regierungen unfähig
ſei, diese Intereſſen des eidgenöſſiſchen Volkes zu wahren, so miüſſe




Wir geben nachstehenden Artikel aus dem Solo-

Wenn

das Volk ich selber helfen, um seine mißhandelten Mitbürger zu

schützen.“ :

„So entstand, ſiatt der reden den Volksverſammlungen, eine
bewaffnete Volksverſammlung. Mit dem gleichen frohen und heitern
Sinn, wie man mit Musik und Gesang an eine redende Volksver-
sammlung hingeht, zogen die lebhaften muntern Schaaren zu dieser
bewaffneten Luzernervolksverſammlung aus, so zuversichtlich, als ob
es sich nur um ein Abſtimmen handelte, und doch so sorglos hinge-
bend, so harmlos Alles in die Schanze ſchlagend, wie's nur Brüder
für Brüder thun können...

„Die Luzernerflüchtlinge hatten ihnen ihre Armee entgegengeſtreckt,
ihnen hingedeutet auf ihre verlaſſenen Weiber und Kinder, auf ihr
gebrochenes Familienglück, auf die Ehre ihres Landes, das nur
nach den Befreiern seufzke –~ das war genugz Hand inHand wurde
geſchlagenz wir kommen, hieß es, geht nur selbſt voran, wir helfen
euchz wir wollen unser eigenes Glück nicht in Betracht ziehen, um
das eurige zu begrüuden. '

„Das iſt die Entſtehung der „Mörder- und Banditenbanden.“

„Mun iſt freilich das Entseugliche geschehen, daß Tausende ihr
eigenes Glück hingeopfert haben, ohne das verlorne Glück der An-
dern wieder herzuſtellen. Jetzt schauen in vielen Häusern verwaiſte
Kinder zum Fenster hinaus und fragen: Kommt der Vater nicht
heim? Manche Murtier hat ihren Sohn verloren, den sie –~ ach ~
vielleicht selber fortgeschict, um den leichten Lorbeer zu erwerben.
Von dem männlich-ſchönen Zuge, der wie zur Kirchweih geschmückt
in den Kanton Luzern einmarſchirte, sind hundert mehr deren gefal-
lenz mehr noch sind gefangen; man spricht von zwei Tausenden, die
zerſtreut von den fanatischen Luzernern an Stricken geführt wurden.“

„Dieser unglückliche Ausgang ächtet aber den Geiſt der Unter-

“nehmung nicht, die, wenn sie gelungen wäre, eine glänzende Spur

in der Schweizergeſchichte hinterlaſſen hätte.“

„Laut Fünfzehnerbund war die Unternehmung nicht erlaubt; laut
Fünfzehnerbund darf sich kein Kantönler in's Waſſer werfen, um
einen andern Kantönler vom Ertrinken zu retten. Die Regierungen
können daher Nichts thun für ihre gefangenen Mitbürger, als pe-
titioniren, wie es ihre Mübürger auch bei der Tagsatzung gethan
haben; aber ob eben dieses unnatürliche Verhäliniß zwischen Bund
und Leben des Schweizervolkes, wo, wie jetzt im Kanton Luzern
Todte und Lebende aneinander gebunden wurden, so fortbeſtehen könne,
ob es kein Mittel mehr gebe. daß die liberalen Ideen der Neuzeit
nicht fort und fort mit den Satzungen des Herkommens und den
Ueberreſten der Ariſtokratie paarweis gekuppelt einherſchlendern müs-
sſen ~ das iſt eine Frage, auf welche die bewaffnete Volks-
verſammlung einen mahnenden Fingerzeig gethan. Sie
iſt unterlegen, weil sie eben nur eine Volksverſammlung. und kein
Heer, keine Armee war, aber ihre Niederlage iſt allen vaterländiſch
geſinnten Männern ein Denkſtein, daß man ein freies Volk nur durch
Liebe entwaffnen und die Anarchie nur durch Befriedigung vernünf-
tiger Volfkswünſsche und Bolksintereſſen unterdrücken kann. Neben
einer ſchweizeriſcien Tagsatzung, die die Kraft beseſſen bätte, die Je-
ſuitenberufung nach Luzern zu verbieten und die Amnestirung politi-
ſcher Schlachtopfer zu befehlen, hätte diese bewaffnete Volksversamm-
lung nie und nimmer entftehen können.“ j

Deutſchlartk.

* Manntzeim. Die Oberrh. u. die Freib. 3. enthalten folgen-
des. Schreiben dcs Rechtspraktikanten Jo sep h Bühler aus Offen-
burg an den Herrn Erzbiſchof in Freiburg: j
„Ew. Excellenz! zeige ich in diesen wenigen Zeilen an, daß ich

von [ dem Bert der römiſchen Hierarchie losſage,
und von run an zu der Kirche (auch Seete genannt) mich bekenne,
welche sich zur Zeit noch tie deutſch - katholische nennt. Diese ein-
fache Anzeige erwartet keine Antwort. Ich übergebe zugleich meine
Erklärung einem öffcntlichen Blatte, weil ich glaube, daß ich auch
der öffentlichen Geſellſchaſt schuldig bin, ihr zu. sagen, wen sie an
mir vor ſich habe. ~ In voliſter Hochachtung verharre ich

Hüfingen, 7. April 1845. .

Joseph Bühler, Rechtsprakiikgnt."




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