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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 146 - No. 175 (1. Juni - 30. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0701

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1845





Deutſchland.
+ Barmen, 17. Juni. Die Ausweisung der Abgeordneten
v. Itzstein und Hecker, hat wie überall so auch hier eine allge-
meine schmerzliche Sensation erregt, und Jeder sieht mit der ge-
pannteſten Erwartung der Erklärung unserer Regierung entgegen,
die hoffentlich nicht lange mehr auf ſich warten läßt. Unsere Zei-
tung, die seit ihrem letzten Redaktions - Wechſel eine sehr betrübte
WBeſtalt angenommen, bemüht ſich in Artikeln „von der Wupper,
deren Verfasser ohne allen Zweifel der ihr von Berlin zurückge-
wieſene Redakteur, Hr. Weißbrod, iſt, unter den kleinen Kreis
ihrer Veser einiges Licht über dieſe Angelegenheit zu verbreiten.
Allein in welcher Weiſe, davon mögen zwei Proben aus diesen
„ Wupper - Artikeln “ Zeugniß geben. In Nr. 160 lesen wir über
die Erklärung, welche das Berliner Polizei-Präſidium in dieser An-
gelegenheit abgegeben :
„Augenſcheinlich aber beabsicht jene Erklärung nichts Anderes, als die
Geschichtserzählung der Herren v. Jtzſtein und Hecker mindeſtens in
einem Purnkte, als um uns eines parlamentariſchen Euphemismus zu
bedienen, ungenau, over wie man verſtändlicher im gemeinen Leben
ſich ausdrückt, unwahr darzuſtellen; und wenn die Reisenden wirklich
keine Päse gehabt, obgleich sie solches in der „Mannheimer Abendzei-
tung“ ausdrücklich behaupten, so würde allerdings die Vermuthung nicht
sehr fern liegen, daß sich auch vielleicht in ihren Angaben über die harm-
Uu ze. rss Reise einige kleine Ungenauigkeiten eingeschlichen

Und in Nr. 161 :

„Es iſt ferner nicht wahrscheinlich, daß die Herren v. Itz stein und

Hecker ohne Paß eine Reise sollten angetreten haben, der nach ihrer

Erklärung von Preußen und Stettin, über Hamburg durch Holland mit

Belgien fortgeseßt werden sollte; allein es dürfte aber in Frage ſtehen,

ob verſelben nicht, wie mehrere Andeutungen dafür vorliegen, einen ganz

andern Reiseplan zu verfolgen gedachten. Es iſt endlich unwahrscheinlich,
daß der Hotelbesſiber in Berlin, bei welchem die Reisenden ihre Woh-
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bejaht, wie Herr Hecker ſagt, und wenn endlich sich Herr Hec er zu

G. ltc. te hüt LUG M. M Urſ tts. ;

kann dies gegen die beſtimmte amtliche Erflärung des Gegentheils

durch eine Behörde nicht in Betracht kommen."

Daß das Baxmer gebildete Publikum ſich über solche verdäch-
kigenden & Wupper- Artikel- im höchſten Grade ärgert, ist begreiflich
und wenn es sich durch das Entziehen ihrer Abonnements, was
der Zeitung den wohlverdienten Todesſtoß geben würde, nicht rächt,
so iſt dieſcs nur dadurch zu erklären, daß der Verleger ein Fami-
lienvater iſt, dem durch das Eingehen der Zei ung einige hundert
Thaler verloren gingen, was ihn schmerzlich berühren würde.

Herr Weißbrod ſcheint seine Artikel wohl deßhalb | von der
Wupper-. zu bezeichnen, weil die von ihm redigirte Zeitung große
Aehnlichkeit mit der Wupper hat, in welcher täglich viele und aller-
lei Farbe c. !c. hineinläuft. — Wir glauben dem Hrn. W. einen
großen Dienst zu leiſten, wenn wir seine uns Barmer so einneh-
mende -„Wupper - Artikel- zu einer größern Publizität bringen,
als es ihm selbſt aus zwei Gründen nicht möglich iſt. Erſtens
kommt, wie gesagt, die Barmer Zeitung nicht aus dem ſtädtischen
Kreise, und zweitens kann Herr Weißbrod als Correſpondent seine
Anſſichten nicht weiter verbreiten, da er gefunden, daß es keinen
gZeitungs Correſpondenten gibt, ,der nicht mit Geringschätzung auf
unsere größten Staatsmäuner herabſähe.‘“” (B. Z. Nx. 154). Wir
haben uns deßhalb entschloſſen, alle folgende Artikel, die etwas
Bemerkenswerthes enthalten, der „Mannheimer Abendzeitung! zu
überliefern, und hoffen dagegen, daß Herr Weißbrod ſich dankbar
zeigen und uns ferner erlauben wird, auf Bierbänken und in Re-
ſtaurationen nicht so schweigſam, so ruhig, so vorſichkukend, wie er,
ſißen zu müssen, sondern unsere Meinungen frei und offen austau-
ſchen zu dürfen, ohne daß wir Gefahr laufen, den andern Tag in
ber B. Z. in einem »Wupper-Artikel- leſen zu müſſen: (B. Z. 154.3

"Auf jeder Bierbank erſtehen Staatsweise, welche mit überle-

gener Einsicht über die Maßnahmen der Regierung aburthei-

len, in jedem Kaffeehauſe ſigen laute Politicker, die es sich

Vor Allem angelegen sein laſſen, Alles zu verdächtigen, was

ttf verſtehen. Man nennt das euphemiſtiſch! Liberal

em. „ tu ;.

re

Berlin, 16. Juni. (Magd. Z.) Großes Aufsehen macht die
auf freier Straße erfolgte Verhaftung eines hiesigen praktischen Arz-

tes, der zugleich als Privatdocent dem Universitätsverbande angehöre.

Die sofortige Verhaftung ſelbſt und die Art derselben laſſen auf schwere
Anschuldigungen schließen, wenn man nicht voraussetzen will, daß der
verhaftete Hofrath ſich der drohenden Untersuchung durch die Flucht
habe entziehen wollen. Wenn das Letztere, wie man ſich auch erzählt,
der Fall gewesen iſt, so fälll auch der Schluß auf die Größe der
Anschuldigungen hinweg.

Aus dem Halberſtädtiſchen, 15. Juni. (D. Allg. Ztg.)
Wir hören, daß 29 Geiſtliche der Stadt und Umgegend durch die
Maßregel der Behörde gegen Wislic enus veranlaßt, beim Ober-
präſidium eingekommen sind. Sie sagen unter Andermt y So wie
nach proteſtantiſchem Princip es jedem Lajen freiſtehe, sich kritisch
zur Schrift- zu verhalten, ſo müsse das auch der Geiſtliche dürfen,
besonders in Betreff des dogmatischen Inhalts. Wenn dies strafbar
sei, so dürſte unter hundert Geigilichen nicht einer ftraflos bleiben.
bleiben. Keine Behörde in unserm Vaterlande sei vorhanden, wel-
cher im Geiſt unserer Kirche das Recht znſtehe, die Grenzen zu be-
ſtimmen, über welche hinaus sich die Kritik außerhalb der proteſtanti-
ſchen Kirche ſtelen würde.n Sie beantragen Befreiung vom Zwange
des apoſtoliſchen Symbolums und bitten dringend um verſöhnliche
Maßregeln für Wislicenus. j

++ Aus dem Hannover’ſchen ſchreibt ein Freund des ent-
schiedenen r nationalen Systems der politischen Oeconomie" : Der (in
No. 162 enthaltenen) Artikel, über die militärische Schrift des Hrn.
v. Witlleben, wonach Preußen im Frieden eine Armee von 211,600
Mann unterhält, im Kriege aber 600,000 Mann ins Feld stellen
kann, schließt mit der Aeußerung, daß hierdurch Preußens Stellung
in Europa äußerlich gesichert ſei. +– Wollte der Himmel, daß
das wahr wäre, und Deutschland seine Sicherheit wirklich hierauf
bauen könnte! Mais point d’argent, point de snisse ! Der preuſ:
sſiſche Degen, seit 1812 und 1813 iſt gut, und kein biſſerer neben
ihm. Seine Stäike sollie daher auch die Wirkung aller Stärke, den
Muth, erzeugen, und ein freudiger staatlicher Lebensmuth alle Bewe-
gungen des preußischen Staats charakteriſiren. Dem aber iſt nicht
ſo, weil der äußeren Kraft eine innere Schwäche gegenüberſteht,
die jene mindeſtens neutralisirt, wenn nicht sie überwiegt, und der
Furcht das Terrain überläßt. Nach einer soldatischen Tradition hat
der preußiſche Degen eine Feder hinter sich, die noch Alles, was
mit seiner Spitz: geschrieben wurde, wieder auslöſchte. Warumk
Weil die Kraft der Nation nur in der Armee iſt, und deshalb un-
ter einem Syſtem fortlebt, dem es unmöglich wird, die äußere mi-
litäriſche Stärke innerlich aufrecht zu erhalten. Von 1814, wo die
Armee vor Feſtſtelung der Bedingungen und Prämien des Friedens

entlaſſen werden mußte, und das zu einer Zeit, als die andern

Mächte die Länder, welche sie behalten wollten, mit ihren Truppen
bedeckien, bis auf den beutigen Tag, wo der Ausspruch des nationa-
len s. g. induſtriellen Parlaments verworfen wird, iſt es immer das
nämliche geblieben. Preußen, so der Staat als das Volk, hat nicht
das Geld, welches mit der militärischen Aeußerlichkeit irgend ‘in Pro-
portion ſtände, und diese zu ſtüt en vermögte, kann auch unter dem
jetzigen Syſtem keins erwerben.

Noch 1840 verschwendete Frankreich an die bloßen Rüſtungen
zum Kriege sieben bis achthundert Millionen Franken, ohne ruinirt,
ja ohne nur merklich angegriffen zu werden, schlägt im Gegentheil
noch eine Milliarde auf die Befeſtigung von Paris. Sein Handels-,
sein maritimes Differenzialzoll sy ſtem ſcheint dieses Land,
deſsſen Ackerbau doch so viel niedriger steht als der deutsche, rein un-
v:rwüſtbar gemacht zu haben. Wie aber würde Preußen eine solche
Probe, nur zur Hälfie, nur zu einem Viertel beſtehen? Doch war
jenes nur der Anfang, nicht das Ende des Kriegs. Was würden
in Preußen unter kriegerischen Aengſten die Börsen . für solche
Anleihen fordern, ja wie sie nur erhalten, wie einem Zusammenſturz
des ganzen Finanzſyſtems entgehen? Der Schrecken von 1830 rührte
nicht von der Armee, sondern von den Finanzen. Wenn ohne eng-
liſche Subſidien kein Feldzug möglich, so iſt es überhaupt auch kein
preußischer, kein deut cher Krieg, und jeder Theil erkennt damit sei-
nen Rang. ~ Das größte Heil, ſo Preußen und mit ihm ganz


 
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