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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 268 - No. 298 (1.October - 31. October)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#1255

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Fs o un ement mitvter-
jeltähr. Vorausbezahlung
in Mannheim 1 fl. 15 kr.,
durch vie Poft bezogen im
ganzen Großherzogthum
Baden 2 fl. 8 kr., im
Auslatid erhöht fich das
Abonnement um den Poft-
aufschlag.

Donnerstag



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30. October



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franes.

1845.









E ~

Deutſchland.

* Mannheim, 29. Okt. Das neueſte badiſche Staats- und
Regierungsblatt vom gestrigen enthält die großh. Entschließung vom
93. Okt. zur Einberufung der La nd ſtänd e. Wir haben, heißt
;3 darin, beſchlosſen, unsere getreuen Stände auf den 2 1. künftigen
Monais (Novembers) um uns zu verſammeln. Wir laden daher
sämmtliche Mitglieder der beiden Kammern ein , ſich an gedachtem
Tage dayier cinzufinden, die gewählten Abgeordneten der erften Kam-
mer und die Abgeordneten der zweiten Kammer, welche im Staats-
dienfte ſtepen, nachdem ſie vorerſt erforderlichen Urlaub bei der ihnen
vorgesetzten Stelle nachgesucht und von uns erhalten haben werden.

Außerdem wird darin Folgendes bekannt gemacht : Der französ.
Oberft Boyer den Karl-Friedrich-Militärverdienſt , der franz. General-
lieutenant Pelet den Zähringer Löwen Orden und der geh. Regie-
rungsraty Wallau die Erlaubniß zum Tragen des k. baier. Verdienft[
ordens vom heil. Michael erhalten; der Viceoberſtkammerherr , (Braf
Brouſſ.el, iſt zum Oberſikammerherr Ercellenz; der vorſitzende Rath
vom Min. des gr. Hauſes und der auswärt. Angelegenheiten und
Mintßserreſident bei der ſchweizeriſchen Eidgenoſsenschaft Frhr.
Auguſt von Marschall zum Direktor der Oberrheinkreis-
Regierung und Curator der Universität Freiburg; der Hofge-
richtsdirekflor von Kettenackee zum Hofrichter in Mannheim;
per Oberhofgerichtsrath Brunner zum Hofgerichtsdirektor daselbſt ; der
Hofgerichtsrath Bay .r zum Oberhofgerichtsrath und der Legativnsse-
keetär Freihr. v. Meysenbug zu Wien zum Miniſßterial-Aſeſſor beim
Min. des gr. Hauſes und der auswärtigen Angelegenheiten ernannt;
der Legationssekretär Fhr. v. Türkheim aber nach Wien und der Amts-
reviſor Ott von Pfullendorf nach Urberlingen versett.

Karlsruhe, . 22. Oct. (Schw. M.) Unser Censoramt ift
wireder in andere Hände übergegangen : ſeit Kurzem iſt damit Hr.
Overkirchenrath Beck betrautz eine Waßl, die zweifelsohne in Berück-
ſichtizung der confeſsionellrn Zritfragen getroffen worden.

§ Seidelberg, 26. Okt. Vorgeftern eröffnete R öth seine
Vorlewng über die „Geschichte der Weltweisheit währ end
des: Mittelalters ~– eine Fortsetzung seiner im Sommerpalbjahr
behandelt.n Geschichte der al te a Weltweisheit.n Seine Einleitungs-
werte, wahre Bauſteine und Grundwurzeln zu einer ächten Betrach-
tung drr Menſchenivelt, verdienen eine größere Verbrritung.

Röth legte dar, wie oer heute berrſcherde < riſtliche Gla u-
b er sfkre is teinswegs mit einem Schlage entftanden, sondern auf
d n Zweigen früher:r Weltanschauungen erwachsen sei ~ eine Utber-
zéugung. welche auf die ganze Richtung der künftigen Geschlechter
voi roeſentlichften Einfluß set. Gewiß, die Annahme oder Richtan-
nayme der einfachen und doch so oft v.rketzerten Wahrheit, daß Nictts
vom Himmel fällt, und daß Allis, was auf den Menschen Bezug
yat und ar ihm iſt, menschlich irdiſch iſt . !
das ganze Streben eines Mannes.

Trefflich hob der Lehrer hervor, daß in allen unseren wi ss en-
ſchaftlichen, staatlichen un? gesellschaftti ch en Zuſtänren
neben dem Neuzeitigen, ein gut Theil Ercrdtes, Chriſtlitzes, Ve: fen-
bartes verewigen . . . daß aber jedes Geschlecht in seinem wohlzuach-
tenden Rechte sei, ſich seine Verhältniſſe selbs zu bilden, sich nach
eigenem Geschmacke ein Haus wohnlich einzurichten ~ wofern es
nur könn e! –ô Dieses Ringen nach Erschaffung eines Zeitbewußt-
seins. fuhr Röth fort, dieser Kampf um den sſelbfieigenen Aufbau ei-
ner Gegenwart ~ Völkergegenwarten dauern freilich lange ~ fteht nim-
wer in der Menschheit stille. - Mag auch eine zritweiſe Zurückorän-
guüg der sproſſenden Triebe, eine Verlangſamung im Erreichen des
unverrückbaren Zieles möglich sein, so kann es doch nun und nimmer
geſchehen , raß der menſchheiiliche Fortschritt im Großen und Ganzen
gehindert werde. Auf der Weltbühne spielt tas Stück immer (dis
Zetzt meiſtens im Fach dis Travzerſpiels): – es gibt nur Rotien-

–~ wirkt entſtheidend af

wechſcl. ~ Gleichwie im Herbſte di: Blätter ſinken, aver die Pflanzg

forwächft, ſo mögen auch rie Völkerblüthen vom Baume der Menſch-
„heit herabfalen. ~ Der „wirkliche Beſiß der Menſshheit-

waärhſt ftets.

_ In ähren Kräften selbſt aber, in ihrem Grundvermözen bleibt -
wie der Baum dutch Größerwerden weſentlich kein Anderes wird

denheit steht er unter den Erſten. Er

die Mensſchenwelt fich immer gleich. Ihr Geifteserwerb, ihre staat-
lichen Einrichtungen vervollkommnen , verfeinern sich nur.

Einen unbedingt guten, für alle Zeiten fertig abgeschloſsenen Zu-
sand in Wiſsenſchaft und Staat kann die Menschheit nie erreichen.
Und wenn auch von jeher alle Glaubenskreiſe, alle' Lehrgebäude der
Weltweisen ausschließlich im Besitz des ächten Ringens zu sein glaub-
ten . . . die Wahrheit wird nie ganz erkannt werden: Wir werden
nur Theile haben. ~ Trotzdem müſſen wir unsr- heutige Mei-
nung für die bisher r ich tig fie halten. Jedem Menſchen, jeder Zeit
iſt ihre Wahrheit die wayre Wahrheit; — sonst wäre sie nicht die
ihrige. Darum: rver nicht mit voller ftarker Oluth, mit ganzem
Kopf und Herzen an seinen Ueberzeugungen bangt, der soll es nicht
wagen, neuern zu wollen. Zum ſegenbringenden Umgeftalten gehört
andauernde Begeiſterung;z zur Begeifterung aber ein inniges Urber-
zeugtſein, das Verſtand und Grfüpl für sich erobert hat.

Unsere jetzige Welt Arschauung ift nicht eine Anschauung, welche
~ @ tire Pallas Athene + aus dein Haupyte ei ues Mannes zer-
vorſprang: + dritihalbtauſend Jahre haben an den Ervperbniſser. der
heutigen allgemeinen Denkart zrſchaffen, und Re gy p ter und Per-
ier wollen als die Väter anerkannt sein. Das Cyhriftenthum ift eine
Lehre, welche aus dagewesenen Bedank-nkreiſen erzeugt, im Kampf
mit fremden Slaubensanfichten sich ausgrbiltet hat, tveilweiſe auch
mit der Zeit fortgeſchritien iſt, was sich in Luthers Kirchenverbeſſer-
ung und in den Forſchunzen neuerer Denker zeigt ~ bis endlich das
Wesen der éhriſtlichen Betrachtungsrvriſe erkannt und zerlegt wurbe.

Die ewigen Gesetze der Welt aber machen keine Ausnahme.
Was keimt, dlürt, reit – muß auch fülerben oder fich verjüngen.

Schlicßlich wies Röth auf die Wichtigkeit des Anbaues der arl-
ten Sprachd:nkmäler hin, als auf eine Schutz wehr gegen die Stre-
bungen, alle Wissenschaft, al: Kunſt, alle Staatslehren außermenſch-
lich v geoffenbart- zu machen. – : ;

Der Hörsaal des Denkers war bei diesem Vortrag sehr besucht
~ verhältnißmäßig, denn die Schaar der Vernunft- und Menſchheits-
gläubigen ift noch gering. Es ſind eben auf unsern Hochſchuler
gar Viele, die um die vierte Bitte int Baterunsſer lohnweben, und
nie darum zu arbeiten gedenken, daß das Himmelreich einer durch
und durch geläutert:n, wahrhaft menschyeitlichen, im alleinigen Dies-
ſeits gegtündeten Bildung auf Erden komme, und die irdiſche Welt
die ewige Seligkeit einer freien Vergesellſch a ftu ng erwerbe.
~ Wer mag an ren zwelosen Spitgeleien ~ denn Spigfindigkei-
ten können wir es nicht rennen = einer alten, veralteten, über-
kommenen, lückenhaſten, widerspruchvoll:n, der jungen Gegenwart
und ihren B dürfniſſen hopnſprechenden Rechtssazung, welche wir
ein unverdaulicher Klumpen im Blut der Zeit tiegt, mehr Genuß
finden, als an den edelſt:n Blütven d’'s Denkens, als an der Wißfß-
senschaft, welche jahr:auſcnda!te Vorurtheile brechen, welche dem Bau

uter Staatsordnungen die feſte Grundlage einer richt zu trübenden
großen Geiſteraufvellung geben soll? ~ ~ Fach! Brot!“ jammerts
qus allen Ecken, und it den beſtehenden Gejellſchaftsverhältnissen iſt
dieser Ruf ecklärlitz. –~ Für die Schüler der Gottesgelaprypeit aber
gleicht Ulles, was r» ſelbſt- ift, eimmem Butch mit sieben Siegeln, das
fie höchſtens verschlingen, jedoch nicht in Fleisch und Blut wandeln
können; und ein Mann mit freien Gedanken iſt ihnen gewöhnlich
ein Untbier aus der Offenbarung Johannes. Möchten sie, durch
die Forschungen der neuzeitigen Wissenschaft auf andere Bahnen ge-
leitet, endlich vom Weg nach Damast abkommen!

Verglichen mit der Darſtellungsart anderer Lehrer an hiesiger
Hochschule übertrifft Rötz in ſeinem Vortrag an Eindringlichkeit
und gründlicher Behandlung Alle. Seine Sätze gründen ſich
auf jahrelang und mübsam gemachte Untersuchungen, wie sie vor
ipm wohl keiner in dieſem Umfang angestellt hat. An En tsch ie-
liebt es nicht, unklar zu
laſſen über seine Ansichten und Beſtrevungen, wie dieß manche An-
dere thun, welche nicht einzuſchen ſchrinen, daß die Ansichten mit
dem Menschen verwachsen, der MN enſch selber: ſind + und daß
nuc ein Merſch, der sich ganz gibt, verſtändlich wird.

Wir werden Gelegenheit finden, mit Nächſt:m ein Gegentheil
ven 1hm zu besprechen. ~

Aus Baden , 24. Oft. (Kötu. Ztg.) Die zwiſchen der Re-

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