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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 87 - No. 116 (1. April - 30. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0429

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Abonnement mit vier-
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Abonnement um den Poſt-
aufſchlag.

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15. April

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deren Raum 3 kr. Inse-
rate, worüber die Redak-

Raum 4 kr. + Briefe
und Get titet man

1845



Dezrrtſchlarnd.

'. Aus dem badiſchen Mittelrheinkceis. Da unserm
Gerichtsweſen eine neue Veränderung bevorsteht, so dürfte es nicht
ungeeignet sein, hier einstweilen nur auf einige Mißflände aufmerk-
sam zu machen. ~ Die Bürger dieses Landes, welche vor den Aem-
tern erscheinen, haben gewiß das Recht, in dem Amthaus einen
solchen Aufenthaltsort zu finden, der anständig und möglichst bequem
iſte – Ich halte die Lokale für Gerechtigkeitepflege jedenfalls für
wichtiger, als die Wartsäle der Ciſenbahnen und fordere vaher, ge-
wiß mit Recht, daß die Wartzimmer der Amtshäuser wenigstens
ebenfalls so anſtändig eingerichtet werden. In den Gerichtszimmern
selbſt wird gewiß auf möglichſt bequeme Einrichtung gesehen; warum
sollen aber die Zimmer, worin die Bürger, welche einen weiten Weg
zurückgelegt haben, oft mehrere Stunden verweilen, ärmlicher und
unbequemer beschaffen sein ? Ueberhaupt spielen die Herren Amtediener
in dieſen Räumen eine Rolle, daß der unbefangene Boobachter leicht
auf ten Gedanken gerathen könnte: Alle, welche hierher kommen,
stehen in dem Gnadenſold des Amtsdieners! Sollte denn diesen Leu-
ten nicht beigebracht werden können, daß ſie von dem Schweiße und
den abgedarbten Batzen ter Bürger, in ihren ſchönverzierten Röcken,
leben? – Werden denn unsere Bürger nicht bald selbſt ſo viel Muth
fühlen, den richtigen Standpunkt gegenüber solche,’ welcher vom
Staate b-soldet werden, zu fordern? ;

Kommt man gar zu den Herren Schreibern, unter denen fich,
vote unter jedem Stande, recht achtbare Personen finden, so iſt es
eine Thatsache, daß man gar manchen findet, der in andern Ver-
hältniſſen eine Rolle, z. B. als Kaufmann te. ausgespielt hat; oft

Menſchen, denen für 1 Kronenthaler ~ ſelbſt Dienſtgeheimniſſe ab-
gekauft werten können. Auch geben ſie häufig die Vorkommniſſe un-

entgelilich an jedem Biertiſche zum Besten, so daß oft Beſchlüſse be-
kannt sind, ehe sie dem Betreffenden nux eröffnet wurden. ~ Ubber-

baupt wäre von dem Benehmen dieser Leute gegen Solche, welche

vor ihnen erſcheinen, viel zu sagen, oft iſt es empörend und macht
wenigstens einen traurigen Eindruck. wenn man auch in den
Gerichtszimmern von unnützen Schnurbärten angefahren wird, da

man ohnehin auf allen Schritten und Tritten von Schnurbärten

umgebin iſt; vor ganz kurzer Zeit fand sich sogar ein solcher Herr
gar arg beleidigt, weil ein gebildeter Mann ſich erlaubte, ebe er
ſein Protokoll unterschrieb, dasselbe zu leſen. Jedoch zeigte er ſeinen
Aerger erſt nach der Entfernung des Beamten. :

Nun käme ich an die Herren Beamten selbſt. – Kein Menſch
wird es bestreiten wollen, daß wir recht fleißige, gerechte, menschen-
freundliche und verfaſſungstreue Beamten im Lande finden; aber es
wird auch nicht abgeläugnet werden können, daß es viele gibt, welche
die, oft mehrere Stunden weit bergekommenen Bürger,.noch Stunten lang
im Hausgang oder im Wartzimmer auf sich warten laſſen und dann

in Ungeduld, im Galopp fertig zu werden, sich abmühen, wodurch

mancher in dem Fall der Undeutlichkeit oder Unbeſtimmtbeit seiner
Aussagen auch den Prozeß verliert. ~ So lange ich nicht öffentliches
Gerichtsverfahren *) weiß, so lange glaube ich nicht immer – an
Gerechtigkeit. Man findet so menschenfreundliche Beamte, wie sie
als. Beamten sein sollen, bei denen der Kläger wie der Beklagte im
Stande ist, im Vertrauen auf den Richter seine Klage oder seine
Vertheidigung sachgemäß zu seinem Beſten vorzutragen. Wenn
ſich aber der Richter den Namen „Pascha,, beim Volke erwirbt, ſo
läßt sich auf sein Benehmen schließen. –~ Unter verfaſſungstreuen Be-
. amten verstehe ich jene zuerſt, welche den Grundsatz der Verfassung
treu im Herzen tragen: „Die ſtaatsbürgerlichen Rechte der Badener
find gleich in jeder Hinsicht ec.» ~ Aber in diesem Punkte kann man
ſich gar oſt vom Gegentheil überzeugen. Sind die Rechte gleich, ſo
ſind v or d em Richter auch die Personen gleich. Jedoch, welche
verschiedene Erfahrungen macht man anf Amtsſtuben! ~ Der Arme
hat eine sehr verschiedene Behandlungsweise von der gegen den Reichen,
Vornehmen, Höher-Geſtellten, zu ertragen. – Der Denuncirte, der
Offene und Furchtloſe, der Liberale, der Recurrent u. dgl. hat gar
oft Gelegenheit auszurufen; „Ich war gerichtet, ehe ich kam !“



*) Wir haben solches in Civilſachen, allein iv erſter Inftanz gewiß nur
auf dem Papier! ;: [ |

Sollte es denn gar nicht möglich sein, alle Beamten zu einem
freuntlichen, ruhigen und gegen Einen wie den Andern gleichen Be-
Benehmen anzuhalten? ...
Seit einiger Zeit werden wieder häufiger aus verschiedenen Ge-
genden und Ländern Denunciationen und Uebergriffe von Gensdarmen
und Polizei laut und es wäre zu wünschen, daß alle derartige Dinge
durch die Preſſe veröffentlicht würden. Obhngeachtet selbſt auf der
miniſteriellea Seite, in der Kammer, anerkannt wurde, daß Leute,
welche als liberal bekannt sind, auffallend beobachtet, und noch auf-
fallender behandelt werden, so hat dieses Syſtem noch unbemerkbare
Acnderungen erlitten. Gewiß recht ſehr zu wünschen wäre es, daß das
Geneédarmerie. Commando ſselbſt ein sehr wachſames Auge auf seine
Untergebenen hätte, damit das Corps in den Augen des Volkes
ſich volle Achtung erwerbe, sich niemals zu geheimen Anzeigen
hergäbe, sondern nur solche Anzeigen erstatten dürfte, welche nach-
weislich gesetzlich ſtrafbare Gegenstände betreffen. + Ich behalte mir
vor, Ihnen von Ukbergriffen und geheimen Anzeigen einen thatſäch-
lichen Bericht zu erſtatten. j |
In unserer Gegend verbreitet sich das Gerücht, an den edlen
v. Wessenb erg sei der Antrag gestellt worden, sich an die Spitze
der deutsſch-katholischen Kirche zu ſtellen. Obſchon diese wichtige An-
gelegenheit virle Theilnahme findet, so hält es doch mit öffentlichen
Erklärun411 schwer. Auch bei uns erregte die Ernennung des Staats-
raths Nebenius zum Präſidenten des Miniſteriums des Innern,
Freude und zugleich tie Hoffnung, daß bei den zukünftigen Wahlen
keine verfaſſungswidrige Einwirkungen stattfinden werden.
Stuttgart, 10. April. Das Außerordentliche iſt geſchehen: in

„dex heutigen Sitzung der zweiten Kammer wurde mit 44 Stimmen
“die Exigenz der geheimen Fonds von 10,000 fl. verworfen!

Es iſt dies ein Ereigniß, das um so größere Sensation macht, äls
nicht einmal in unserer aufgeregtesten Zeit, 1833, dieſe Verwerfung
durchgesetzt wurde. Der Poſten der geheimen Fonds beſteht erſt seit
der 1830er Jahren und umfaßt sehr verschiedene Ausgaben. So
wurde z. B. die Besoldung des Geheimen Hofraths Ernſt von Münch
unter den Courrierkoſten aufgeführt. Die Cenſurkoſten, welche sonſt
eine eigene Rubrik hatten, wurden diesmal nicht besonders liquidirt.
Für Annahme der Erigenz stimmte, mit Ausnahme des Grafen von
Degenfeld-Schomberg, die gesammte Ritterschaft, eben so der ganze
evangelische und katholische Prälatenſtand. Man fängt an zu glau-
ben, daß bei dieser unerwarteten Stärke der Oppoſition, deren man
ſich nach den Resultaten der legten Wahlen nirgend versah und die
ſich heute so entscheidend herausſtellte, eine frühere oder spätere Auf-
löſung der Kammer nicht zu den Unmöglichkeiten gehört, wenn nicht,
was nicht eben unwahrscheinlich iſt, manche Abgeordnete, erſchreckt
durch diese schroffe Wendung der Sache, besser zurückhalten. Einzelne
von matterer Farbe haben sich ſchon heute der Abſtimmnng entzogen.

Vom Meain , 6. April. (Weser-Ztg.) Ein anscheinend
unbedeutender Zwischenfall, welcher bei den Verhandlungen der Ge-
ſandten des Wiener Congreſses über die staatsrechtliche Stellung der
Confeſſionen vor den dringenderen Anmuthungen der damaligen Tage
zurückgetreten und vielleicht von den meiſten bei jenen Berathungen
selbſtthätigen Diplomaten bereits vergeſſen sein mag, verdient wohl,
da er für die Zukunft der sich neu bildenden deutſch-katholiſchen Ge-
meinden von nicht geringem Interesse sein möchte, in die Erinnerung
zurückgerufen und einem größeren Kreiſe bekannt zu werden. In dem
Entwurfe zu dem betreffenden Artikel der Bundesacte hieß es, wayr-
ſcheinlich zufolge einer Reminiecenz des weſtphäliſchen Friedensinstru-
ments, die Verschiedenheit der drei chriſtl. Confeſsſionen solle keinen
Unterschied in den politischen und bürgerlichen Rechten ihrer Beken-
ner begründen. Gegen dieſe Faſſung remonstrirte der Vertreter eines
norddeutſchen Staates auf dem Congreſſe, indem er darauf aufmerk-
ſam machte, daß es den Diplomaten, w.!1.32 der Sache des Juden-
thums eine so überaus humane Theilnahme widmeten, wohl anstehen
möge, die Ansprüche chriſtlicher Secten als Mennoniten, Herrenhu-
ter, Socinianer u. s. w. auf eine mindeſtens gleiche Berücksichtigung
nicht zu vergeſſen, und auf den Einwand W. von Humboldts, daß
solche Secten sich doch mehr oder minder einer der drei Hauptconfeſ-
ſionen anzuschließen pflegten, entgegnete er mit dem Beispiele der
Mennoniten, bei denen jene Regel nicht eintreffe. Dieſe Remonſtra-


 
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