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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 207 - No. 237 (1. August - 31. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0945

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und Ötz erbittet man
ranco.

1845.



bendzeitung.





Die k. ſächiſchen Miniſter in Evangelicis und die
Preteſtationen.

Ein Beiſpiel, zun. Verſtändniß der neueſten Begebenheiten
in Sachsen. Ö

P Crimmuiitſſchau, im Königreich Sachſen, 4. August. Das
Verbot von Bereinen und Verſammlungen, deren Zweck iſt, das Augs-
burgiſche Glaubensbekenntniß in Frage zu flellen oder anzugreifen, hat
im ganzen Lande die größte Aufregung hervorgerufen. Da man hier
eine Verlegung des §. 32 der Verfaſſungsurkunde, welche völlige Ge-
wiſſensfreiheit gewährt, erblickt, so iſt heute nachſtevyender Proteſt
mit unzefähr 400 Unterschriften an die betreffenden Miniſter abge-
gangen:

Y Durch die in Nr. 173 der Leipziger Zeitung, später im 8. Stück
des Gesch- und Verordnungs-Blattes crlaſſene Bekanntmachung der
in Cvangelicis beauftragten Siaatsminister, ſowie durch die Bcrord-
nung der Ministerien des Cuitus und des Innern von 19. Juli

welche darauf gerichtet ſind, das Glaubensbekenntniß ber Augsburgi-
schen Confeſſions - Verwandten in Frage zu stellen oder anzugreifen,
ſinden wir, die Unterzeichneten, uns als Proteſtanten, wie als Staats-
bürger, tief verlegt.

Als Proteſtanten finden wir uns verlett, weil in dieser Bekannt-
machung das innerſte Wesen des Proteſtantisruus angegriffen ist.
Dies beſteht, nach Luthrrs Wort, in dem freien Forſchen in der Schrift.
Dies will man uns untersagen und statt deſſen zwingen, ein Glau-
bensbekenntuiß, welitßes vor mehr als 390 Jahren nach den damali-
hen Zeibegriffen und unter Birätkſichtizung der damaligen politiſchen
Verhältniſſe aufgeſstelt worden ijt, und bei deſſen Veröffentlichung
nirgends gesagt wurde, es solle auf ewoige Zeiten für die proteſtanti-
ſche Chriſtenbreit bindend sein, sondern nur. es solle den Ausdruck
deſſen enthalten. was man damals glaubte, wieder unseren Willen
anzunrumen. Hierdurch wurde ver obige Grundſag auch in dem
Augsburgiichen Glaubensbekenntniß aufrecht erhalten, und den einzel-
nen Proteſtanten, wie deren Geſammtheit, das Recht ertheilt, weiter
zu forichen, Ulies zu verwerfen, Neues anzunehmen. Und dem konnte
nicht anders sein. Die Gründer des Proieſtantismus , die Verfasser
ſenes Bekenntniſſcs, konnten nischt beabjichtigen, die Chriſtenheit vom
Papſt zu befreien, um sich setbſ zu päpſten, nicht nur für Zeit ihres
Lebens, sondern für alic Ewigkeit dadurch zu machen, daß ste ihr
Glaubensbckenntniß als ein Glaubensjoch ren Protestanten aller kom-
menden Jahrhunverte aufzuzwingen Frebten,

Sonadh . ſteht jene Bekanntmachung 1m Widerspruch mit dem
Protestantismus.

Wir erklären, daß wir in dem Augsburgiſchen Glauvenskenntniß
Bieles fiuden, rvas wix nicht glauben können, wir erklären, daß wir
uns nicht zwingen laſſen werden, Dies zu glauben, noch ten Glau-
ven daran gegen unsere Ueberzeugung zu erheucheln.

Sollten die königl. sächſschen Minißerien ihren Verſuch, das ver-
altete Glaubensbekenntniß um jeden Preis feſtzuhalten, mit Gewalt
durchſegen, und so eine königl. sächsiſche Glaubenslehre und königl.
ſächſiſche Kirche gründen, ſo werden wir uns genöthigt sehen, uns
von aller Gemrinichaft von dieſer Religionspartei, die wir nicht anvers,
als mit dem Worte Sekte bezeichnen zu können, fern zu halien.

Jene Bekanntmachung und Verordnung verletzt aber auch unsere
verfaſſlu1gsmäßigen Rechte. Die Verfaſſung sagt uns Gewissensfrei-
heit zu Dies erkennen zwar dic Miniſter an, segen aber hinzu, daß
die jetzigen Beſtrebungen in der proteſtantiſchen Kirche über die Gren-
zen der Gewisscnsfreiheit hinausgehen. Abgzeseyen nun von der Frage,
vb begr nzte Gewissensfreiheit noch Gewissensfreiheit, oder nicht viel-
mehr gelinder Giaubenszwang ſei, können wir auf keinen Fall andere

renzen anerkennen, als die des Geseges.

, Die Verfassung sagt nichts von diesen Grenzen, sie gewährt uns
elmehr „völlige Gewissensfreiheit- und so fordern. wir
Verfassung in der Hand, volle und unumſchränkte Gewissensfrei:
t von den Miniſtern, welche durchaus unbefugt ſind, der Verfas-
sss; , die völlige Gewiſſensfreiheit in eine beschränkte zu

r wandeln. § " t

18. Auguſt

Haben wir als Protestanten und als Staatsbürger das Recht,
zu glauben und nicht zu glauben, was uns unsere Ueberzeugung
ſagt und diesen Glauben frei und öffentlich zu bekennen, so kann
uns auch nicht verboten werden, uns mit Glaubensgenossen über
unsere Ueberzeugung zu besprechen, unsre Ansichten auszutauſchen,
dieselben gemeinsam zu prüfen, uns gegenseitig zu verſtändigen und
zu belehren. Ein Verbot der Versammlungen zu diesem Zweck iſt
aber um so unzulässiger, als es überhaupt der Sache nach, wie
nach dcn Erfahrungen der Geschichte, unthunlich iſt, einer geiſtigen
Richtung durch Gtwaltmaßregeln entgegen zu treten. Iſ unſer
Streben unlauter und untergräbt es den chriſtlichen Glauben, so
widerlege man uns mit geiſtiger Gewalt, kann man dies nicht, so
laſſe man uns gewähren.

Tief ergriffen von der Wichtigkeit und dem Ernste dieser Ange-
legenheit, eingedenk unsers altehrwürdigen Namens, und voll Eifer
für Aufrechthaltung unserer verfaſſungsmäßigen Rechte

prote ſcir en
wir feierlichſt gegen die cbgtratht Bekanntmachung und Verordnung
und erklären, daß wir mit allen gesetzmäßigen Waffen uns gegen
sie vertheidigen werden... :

Diesem erſten Ausdruck des allgemeinen Unwillens werden bald
mehrere folgen. Man nennt versſchiedene Städte in denen derselbe
Proteſt zur Unterzeichnung aufliegt, andere die ähnliche Schritte
vorbereiten. In Leipzig wid den 7. d. M. eine Verſammlung pro-
teſtantischer Freunde gehalten und dabei berathen werden, was von
Seiten derer geschehen soll. Selbst die höhere Geiſtlichkeit sol Ge-
g envorſtellungen beabsichtigen. ;
§ Deuttchland.

* Mannheim, 16. Auguſt. Die hiesigen ſ. g. Deutſch-Katholi-
ken haben ſich an vie kath. zweite Pfarrei gewendet, um in der Pfarr-
kirche einen feierlichen Gottesdienst abhalten zu können. Man ift all-
gemein auf den Erfoig dieſcs Gesuchs geſpanntz der Mannheimer
kath. Reformverein betrachtet sich bekanntlich ebenso rie die ſ. g. deutsch-
katholische Gemeinde in Heidelberg als nicht ausgeschieden aus der
katholiſchen Kirche, sondern erkennt nur die Leipziger Concilbeſchlüſse
als Glaubensnorm anz in Heidelberg hat der kathol. Dekan dem
Begräbniß eines s. g. Deutsch-katholiſchen asſsiſtirt und wie wir hö-
ren, auch die Taufe eines Kindes zugesagt, deſſen Eltern ſich zu den
Deuiſch-Katholiken bekennen und dem Dekanate Anzeige davon ge-
macht haben.

Meannßÿeim, {17. Zuguſ. Neuefte Berichte aus der
k. ſächjii hen Universitäts- und Handels-Hauptſtadt:

Leipzig, 14. Auguſt. In der höchſt aufgeregten Stimmung
des geſtrigen Tages wendete sich der an allen Straßenecken ange-
ſchlagenen Einladung zu ciner Verſammlung der Studirenden um
2 Uhr im Schügenhause besondere Aufmerksamkeit zu. Um die an-
geſetzte Zeit hatten sich außer anwesenden etrva 600 ~ 700 Studi-
renden vielleicht drei Mal so viel Bürger eingefunden. Die Ver-
handlungen drehten sich um die Mittel, welche der Gesammtheit jegzt.
zu Gebote ständen, um eine Sühne für das vergoſſene Bürgerblut,
cine Bürgschaft für die Unmöglichkeit der Wiederkehr ähnlicher Ge-
waltscenen zu erlangen. Es wurde viel und meiſt gut und begeiſtert
gesprochen und dic gemachten, zum Theil sehr extremen Vorſchläge
vereinigten sich endlich in Sendung einer Deputation an den Stadt-
rath. Die lettere wurde ernannt und man verhandelte die Frage,
ob man diese allein senden oder ob die ganze Versammlung folgen.
solle, woran sich immer neue Anträge über die zu stellenden Forde-
rungen knüpften, so daß die Verhandlungen endlos zu werden ſchie-
nen, als Hr. R. Blum, von seinen Freunden auf die Tribüne ge-
drängt und von der Versammlung mit dem lauteſten Beifall be-
grüßt, derselben in längerer Rede auseinanderseste, daß nur in dem
Boden des Gesetzes und der Ordnung ihre Stärke und die Noth-
wendigkeit ihres Siegesruhe; eine Sühne für das vergoſsene Blut,
für den Tod der Ermordeten müsse der Stadt werden, aber nur
durch die eben so eniſchiedene als gesetzliche Haltung des Volks
könne diese erreicht werden. Er ſchlug einen Zug — feierlich, ernſt
und still wie cin Leichenzug, denn es gelte ja eben die Sühne ge-
liebter Todten — nach dem Markte vor und dort solle die ganze



rate, worüber die Redakle


 
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