Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mannheimer Abendzeitung — 1845

DOI Kapitel:
No. 176 - No. 206 (1. Juli - 31. Juli)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0743

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
YUbonnement mit ven.

[jähr. Vorausbezahlung M
' . Mannheim 1 fl. 15 fr.. F B E
vurch die Poft bezogen im ]
gt. Ee o V§
Yusland erhöht fich das
Abonnement um den Poft-

aufschlag.



2. Juli

Inseratedie geſyalter
... Jes L:"!
t ; 1] rate, worüber die Redak-
. M:

Raum 4 kr. ~+ Brise

und Gely eriſts! man

1845.










Mittwoch

Deutſchland.

* Mannheim, 1. Juli. Fortwährend treffen hier neue Be-
lege darüber ein, welch’ nachhaltig starken Eindruck v. JIuystein's
und Hecker’s Verweisung aus den preußischen Staaten überall im

deutschen Vaterlande bewirkt hat. So kam geſtern eine sehr zahle

reiche Deputation aus der Stadt Weinheim, Hrn. Bürgermeiſter
Weisbrod und Altbürgermeister Kraft nebſt mehreren Gemeinderä-
then an der Spitze, zu jenen beiden schwer verletzten Ehrenmännern,
um vor ihnen persönlich der tiefen lebendigen Theilnahme Ausdruck
zu verleihen, die ſich unter den Bürgern Weinheim's und der Nach-
barſchaft kund gibt, und um sich über das Ereigniß besonders kräftig
in Bezug darauf zu äußern, daß der eine der ausgewiesenen
badischen Bürger, Iüſtein's College, He > er, Deputirter des Wahl-
hugs ze taueimter hs tt ch wir eine von Tharand
in Sachsen und eine andere aus Mecklenburg die mit Unterschriften
aus Schr rrin, Buchholz, Bruel, Wismar, Roſtock rc. bedeckt iſtz
auch in ihnen herrſcht 1n eindringlicher Sprache der vaterländiſche
Geiſt, der ein wahrhaft einiges freies Brudervolk will und Maß-
regeln, wie die preußiſche, entschieden mißbilligt.

& Darmiſtadt, im Juni. (Zur modernen Wissenschaft.)
Nachdem der ehrwücdige Paulus die neueſte Schelling sch e . .ô-
Philoſophie der Mythologie und Offenbarung durch den Abdruck der
Schelling'ſchen Vorleſungen dem öffentlichen Urtheil anheim gestellt
hat, wird sich eine Schrift, welche denſelben Gegenstand zum Inhalte
hat, schon von vorn herein eine begierige Aufnahme von Seiten aller
Offenbarungsluſtigen und- Nichtluſtigen versprechen dürfen. Cine
ſolche liegt uns in ihrem ersten Bande vor, unter dem Haupttitel :
„Mythologie und Off enbarung. Die Religion in ihrem
Wesen, ihrer geschichtlichen Entwickelung und ihrer
absoluten Vollendung dargestellt von D. Ludwig Noack.
(Darmſtadt 1845, bei Leske.) Schon vorher hatte der Verfasser,
welcher den Lesern dieses Blattes durch seine Betheiligung an der
Giesener Studienplansangelegenheit und seinen bekannten *) Streit
mit Profeſſor Fritzsche in Gießen bereits bekannt iſt, in einer eben-
falls bei Leske in Darmstadt erschienenen Dissertation der Rel i-
gionsbegriff Hegels. Ein Beitrag zur Kritik der Hegel-
ſchen R elig ions philoſo phie«- ~ die Punkte vom Unfang der
Religion, von der Offenbarung, vom Glauben und ähnliche Materien
betrachtet und gegen die Hegel'ſche Auffaſſang und Behandlung der-
selben Proteſt eingelegt, dabei überhaupt den ganzen Hegel'ſchen
Standpunkt in der Religion einer scharfen und entschiedenen Kritik
uaterworfen. An diese kleinere, einleitende Arbeit schließt sich nun
rie obige größere Schrift an, deren bis jetzt erschienener erſter Band
sich unter dem besonderen Titel einführt: „Die Religion in ihrem
allgemeinen Wesen und ihrer mythologischen Entwickelung.#- Was
nun den St andp unkt des Verfaſſers im Allgemeinen angeht, so
tritt er zunächſt formell Denjenigen entgegen, welche der Meinung Kſind,
daß in Hegels religionsphilosophiſchen Vorlesungen diese Wiſſenschaſt
bereits zu solcher Vollendung gediehen sei, wodurch überhaupt oder
wenigstens vorläufig eine weitere Bearbeitung als überflüſig und
werthlos erſcheinen müßte, in materialer Hinsicht aber schließt er ſich

an Solger und an Reiff (in Tübingen] an. — Die Schrift wird
vhne Zweifel heftige Gegner finden, die den Verfasser derselben viel-
leicht verketzern werden, wie seiner Zeit die Orthodoxen den Johannes
Erigena, aus welchem der Verfaſſer das Motto seines Buches genom-
men hat, ohne Zweifel wird es aber auch nicht verfehlen, bei Phi-
loſophen und Theologen unbefangenen und freien Sinnes Arklang
Und Anerkennung zu finden, da es sich bei aller Zuversicht der
_ Wayrpeit und Utberzeugung mit empfehlender Bescheidenheit den Sach-

verständigen vorführt. Durch eine ſchöne äußere Ausſtellung hat die
Verlagshandlung sich den Dank der Leser verdient. ~
“J.. 15) Der Gießener Studienplan und Herr Prof. Dr. Fritsche. Von Lud-
Wig Noack. Heidelberg (in Commission bei K. Grooß) 1844.



[."§®.] Köln, 27. Juni. Der neue nach dem Pennsylvani-

sen Syftem szglsUr Flügel des hiesigen Arreſihquſes nähert
fk yu: mehr ftner Voltnbizg, und ba zie Uufgate des Baue
ukteurs Willik, welcher den Bau geleitet hat, hiermit gelöſt iſt,

ſo wird derselbe binnen Kurzem unsre Stadt verlaſſen, um ander-
weitige Aufträge der Regierung auszuführen. Die Einrichtung der
neuen Gefängniſſe bekundet überall Zweckmäßigkeit und Solidität;
das Ganze sowie das Detail zeigt Einfachheit und Uebersichtlichkeit
und wenn überhaupt der Anblick so vieler Leidenskammern einen
wohlthuenden Eindruck hervorzubringen im Stande wäre, so würde
ſich das Auge hier an der Gefälligkeit der Formen erheben können.
Für Heizung und andere häusliche Anstalten ſind die neueſten Erfin-
dungen in Anwendung gebracht, und auf die materiellen Bedürfniſſe
der zukünftigen Bewohner iſt alle mögliche Vorsicht und Sorgfalt ge-
richtet worden. Daß diese Sorgfalt nicht weiter als auf die zur
körperlichen Erhaltung des Menjchen erforderliche Nothdurft geht,
können wir nicht tadeln, da Zuchthäuſer Straf- und nicht Vergnü-
gungsanſtalten sind. Denſelben Spielraum , wie dem körperlichen
Bedürfniß, sollte man aber auch der Gefühlseite des Menschen gelaſ-
sen haben. Wenn der Mensch sowohl eine Seele als einen Körper
hat, wenn jene sowohl wie dieser bestimmte Bedürfnisse empfiuden,
so verlangen letztere auch in beiden bis zu einem gewiſſen Grade
ihre Befriedigung; und versagt man dies dem einen oder dem andern
Theil des menschlichen Wesens, unterdrückt man ihn zu sehr, so iſt
die eine Hälfte des Menschen vernichtet und die andere in ihrer Exiſtenz
bedroht. Es ſcheint, daß man hierauf nicht die gehörige Rücksicht
genommen hat und dagegen zu sehr auf die Anwendung derjenigen
Mittel bedacht gewesen iſt, welche der menschliche Geiſt erfunden hat,
um den Geiſt zu tödten. Um nur ein Beiſpiel anzuführen, welches
uns vorzüglich zeigt, wie dieſes Verfahren bis ins Kleinliche verfolgt
worden iſt, sſo hat man in dem ziemlich hoch angebrachten nicht allzu-
tr: §'t dt U! Uu z vgl. ve ſht Hich
dem Miſsſcthäter in ebenſo ungetrübtem Glanze zeige, wie es für die
übrigen Menschen erlaubt ift. Hat man hierbei nur die Absicht ge-
habt, die Güter der Erde möglichſt nach Verdienst zu vertheilen,
so läßt sich gegen diesen Grundsatz freilich nichts erinnern. Aber
Das geht unbeſtritten aus allen diesen Einrichtungen hervor, daß die
Strafe, welche ein Verbrecher in dem neuen Gefängniß abzubüßen
hat, eine andere wird wie in den bisherigen und ihm viel schwe-
rere Leiden und Entbehrungen auferlegt; und ebenso gewiß
möchte es sein, daß die Verfaſſer unseres Strafgeset;zbuchs die Krimi-
nalſtrafen, die schon jetzt als zu hart getadelt werden, nicht auf die-
selbe Zeitdauer feſtgeſetzt hätten, wenn sie damals auf dieselbe Weiſe,
wie jetzt beabsichtigt wird, vollſtrect worden wären. Es ist daher
sehr zu verwundern, daß einige Wenige, und darunter Juristen,
der Änsicht sind, die Uebersiedelung der Gefangenen in den neuen
Flügel habe nicht mehr auf sich als das Beziehen eines neuen Lokals,
und könne ohne ausdrückliche höhere g ese lich e Autoriſation ſtattfin-
den. Sogar der General-Prokurator am Rheinischen Apypellationshof
hat auf eine deshalb an ihn ergangene Anfrage sich dahin geäußert,
die Einführung des neuen Gefängniß sy ſ ems laſſe ſich durch
einen Artikel der Hausordnung (!) des bisherigen Arreſthauses recht-
fertigen und es bedürfe dazu höchſtens noch eines Minifterialre-
ſcripts !! Die königl. Regierung hat aber darauf erwiedert, rder
Sinn für die individuelle Freiheit scheine in den Rheinländern zu
tief eingewurzelt zu sein, als daß man über eine ſo wichtige Verän-
derung ganz in der Stikle hinweggehen dürfe, und obgleich man
höchſten Orts anfänglich nur zu einer Einführung des neuen
Syſtems durch königl. Kabinetsordre geneigt gewesen sei, ſo habe
man ſich jetzt entſschloſen, der nächſten Ständeverſammlung einen
förmlichen Gesetzentwurf darüber vorzulegen.# Daß Letzteres ſich ver-
wirklichen möge, wird Jeder wünſchen, nicht bloß im Interesse der
individuellen Freiheit, wie die königl. Regierung ſagt, sondern auch
in dem der Humanität, und sollte sich dadurch der Zeitpunkt der
Eröffnung des neuen Gefängnisses zu sehr in die Länge ziehen, so
liegt zwar das Baukapital unbenutzt; aber welche Rücksicht verdient
diese Geldfrage gegen jene gewichtigen Interessen?

+? Berlin, 26. Juni. Die Dron ke'ſche Angelegenheit hat
dazu gedient, sowohl über das Gerücht der Schriftſtellerausweisung,
wie über ihr Verhalten in der Itzftein-Hecker'ſchen Sache Auskunft
zu geben. Die Preußische allgemeine Zeitung-1 versichert uns , „daß
die Behörde diese Maßregel nicht beabsichtigt, ſondern nur Erkundi-


 
Annotationen