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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 58 - No. 86 (1. März - 31. März)
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M 65.



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telſähr. VBorausbezahlung D F
in;Mannheim 1 fl. 15 kr., 1 '

durch die Poft bezogen im
ganzen Großherzogthum
Baden 2 fl. 8 kr., im
Ausland erhöht fich vas
Abonnement um den Poft-

aufsſchlag.

Samſtag



Mannheimer Abendzeitun

V. März

JIuferatediegespaltene
Zeile in Priitrhrift oder
deren Raum 3 kr. Inse-
rate, worüber die Redak-

_ tion Auskunft zu ertheilen

D hat, die Zeile oder deren

Raum A kr. + Briefe

und h erbittet man

ranco. '





1845.



Deutſchland.

st Mannheim, 7. März. (Freilaſſung Jordan's).
Ich eile, der Redaktion der Mannheimer Abendzeitung eine
den Profeſſor Iordan in Marburg betreffende Nach-
richt mitzutheilen, welche gewiß in ganz Deutschland und
besonders in Ba d en, dessen Einwohner nach den durch Hr.
v. It st ein in Ihrem Blatte gegebene häufigen Bekanntma-
chungen stets warmen Antheil an dem Schicksale der Jor-
dan’ sc< en Familie genommen haben, den freudigſten Cin-
druck und die lebendigſte Theilnahme erregen wird. Professor
Jordan iſt endlich auf seine letzte Bitte vom Dezemb. 1844
nach Beſchluß des kurhesſsiſchen Oberappellations-Gecrichts am
3. März. geg en 200 0 Thlr. Kaution und unter der
Bedingung sich aus dem Gebiet Mar burgs ohne Er-
laubniß des Gerichtes nicht zu entfernen, aus d e m
Gefängniß entlassen worden und kehrte am 4. dss
in den Kreis seiner Familie zurück.

Der Tod hat dem hartgeprüften Mann während seiner
Gefangenschaft einige Kinder entrisſsen.

Man mag ſich alſo die Gefühle denken, mit welchen
er sein Haus betrat. Doch! die lang entbehrte Freiheit und
das ungeſtörte Wiedersehen der Seinigen iſt ihm wieder
gegeben, und es dürfte, nach allen Nachrichten, auch ein
freiſprechendes Urtheil bald erfolgen.

Ich behalte mir vor, Ihnen hierüber nähere und baldige
Mittheilungen zu machen.

+ Mannheim, 6. März. Hier + thunlichſt ausführlich die
in Nr. 61. erwähnte Rede des Abg. Bassermann:

Meine Herren! Ic freue mich über den heutigen Tag,
theils weil er beweist, daß unter Mannheims Bürgern noch ein
Intereſſe beſteht, an den öffentlichen Angelegenheiten, und an Denen,
die sich denselben widmen; theils weil wir heute als gleichſam am
Schlusse des Landtages, sagen dürfen: wir haben Etwas überſtan-
den, wir haben Etwas vollbracht. Meine Herren! Die Früchte
dieses Landtages liegen in den öffentlichen Verhandlungen vor Ihnen,
und ich setze voraus, daß jeder patriotiſche Bürger dieselben mit
Aufmerksamkeit verfolgt haben wird. - Gegenſtände, die an Wich-
tigkeit nicht übertroffen werden können, lagen uns vor, und was
für eine vielleicht lange Zukunft entscheidend für die bürgerliche und
politische Freiheit Badens, ja möglicherweise Deutschlands, sein wird,
darüber zu urtheilen war uns anheimgegeben. Es war in unſere
Hand gegeben, die großen/Güter öffentlichen und mündlichen Gerichts -
Güter, deren Werth man erſt dann vollſtändig ermessen wird, wenn
wir sie einige Zeit in Uebung sehen werden ~ zurückzuweisen,
weil dieſe Güter nicht in reiner Unverfälschtheit geboten wurden,
vüder anzunehmen, im Vertrauen darauf, die Öeffentlichkeit und
Mündlichkeit werden gleich wie eine kräftige Menſchennatur mit der
Zeit von selbſt das Fremdartige und Störende aus der Gesetzgebung
entfernen. Die Frage war ernſt, und schwerer als über seine eigenen
Angelegenheiten entscheidet man über die eines Landes, über eine
Sache, die weil sie auf dem rechten Rheinufer ſich hier zum erſten
Male verwirklicht, das Signal für eine wohlthätige Reform durch
ganz Deutschland werden, also von den ungeheuerſten Folgen für
unser großes gemeinsames Vaterland werden kann. Wo so viel in unsre
Hand gegeben war, da forderte das Gewiſſen gebieteriſch zur ernsſteſten
Prüfung auf, und so ausschließend und warm ward die Beſchäf-
tigung mit dieser großen Frage, daß ſie öfter außerhalb der Kam-

mer größere Kämpfe unter Gleichgeſinnten hervorrief, als in der.

Kammer mit den Gegnern. Wohl uns, wenn ein solcher Eifer uns
auch ferner zu solch wichtigen Arbeiten begleitet! – Die wir hier
anwesend sind, wir waren Alle einig in dem Bestreben, die Gesetz-
entwürfe von ihren schädlichen Beftimmungen zu reinigen, und wenn
solche Anträge unterlagen, so hat nicht die Seite der Kammer es

verſchuldet, auf welcher die Beamten nicht ſizen. Als aber die

Verhandlungen geschloſſen waren, und man ſich die Frage ſtellen
mußte: sind Oeffentlichkeit und Mündlichkeit durch das Strafgeſet-
buch nicht zu theuer erkauft und bilden die Gesetze, als Ganzes be-
trachtet, dennoch einen Fortſchritt, da waren wir nicht einerlei An-
ſicht über das, was zu thun war, wir stimmten verſchieden. Ja,
wir stimmten verschieden, aber wir handelten doch Alle gleich : denn
es handelte Jeder nach seiner Ueberzeugung. Wir Alle wollen den
Fortschritt, wollen die Fortentwickelung und Vervollkommnung menſch-
licher Cinrichtungen, und in dieser Einigkeit ſtehen wir nach gethaner
Arbeit heute vor unseren gleichgesinnten Mitbürgern. Wer aber die
Früchte eines Landtages nur nach den zu Stande gekommenen Ge-
setzen beurtheilen wollte, der würde einen nur geringen Grad poli-
tischer Einsicht verrathen. Nur wenn man ſich fragt, was könnte,
was würde geschehen, wie würde mit der Verauegabung der Staats-
gelder gehaust, wie sähe es mit der Anwendung der Gesetze über-
haupt aus, wenn die badische Kammer nicht, wenn kein Landtag
wäre; nur wenn man so sich fragt, iſt man auf dem Wege, die
wahren Früchte eines Landtages, den wahren Werth einer volks-
vertretenden Kammer zu begreifen. Das Schlimme verhüten,

it in gewissen Zeiten ebenso wichtig als das Gute

ſch aff en, — und darum je freier eine Kammer die ihr zustehende
Kritik der Regierungs - und der Beamtengewalt übt, um so wirk-
ſamer iſt sie. Von dem vollendeten Landtage können wir sagen,
daß er diese wohlthätige Kritik in vollem Maaße geübt hat. Schon
die parlamentarische Sprache iſt freier geworden, und das was das
Grundübel iſt bei uns, wie in ganz Deutschland: „daß zu viel
verboten, zu viel regiert, zu viel ſich eingemischt wird in die An-
gelegenheiten der Bürger, die diese wohl am Beſten selbſt besorgen
könnten , das ward tauſendfältig ausgesprochen und nachgewieſen.
Ja, die schönere Hälfte der Wirksamkeit eines Landtages, einer
Kammer, iſt die moralische Wirkſamkeite. Vor ihren moraliſchen
Richterſtuhl hat denn auch die Kammer eine Reihe Regierungs-
Aber nicht blos ein Utthell über
ſie ſpricht auch

handlungen gezogen. –
das was geschehen iſt, spricht die Kammer,
aus, was geſchehen. soll. Sie kennen die von der Kammer
angenommenen Motionen; die Beseitigung der Censur.... Kann
auch eine Abſtim mung der Kammer hier nicht von un-
mittelbarem Erfolge sein, so trägt sie doch ſicher zur Be-
ſchleunigung des Zeitpunkts bei, in welchem auch Deutschland,
wie alle anderen gebildeten Nationen Europa's, von . der
Censur befreit sein wirn. ~ Ja, die Verhandlungen einer frei:
ſinnigen Kammer halten das Urtheil eines Volkes wach, über das
was ihm Noth thut. Wer weiß, in welche Tiefe der gleichgültig-
ſten Philiſterei die Mehrzahl der badischen Bürger versunken wäre,
wie wir dieß leider in manchen andern deutschen Ländern sehen,
wenn nicht Baden seine badische Kammer gehabt hätte. Ich ehre
den Bürger, der in seinem Geſchäfte fleißig ist und seinem Hauſe
sorgsam vorſteht; ja ich ehre nur den, der auch in seinem Geſchäfte
tüchtig und dessen häuslicher Lebenswandel tadellos iſtz aber den
ehre ich nicht, den die Sorge für Geschäft und Familie theilnahms-
los machen an der Allgemeinheit, der kein Gefühl und keine Thä-
tigkeit übrig behält für die Intereſſen seiner Mitmenſchen, die noch
dazu zugleich seine eigenen sind. Darum schulden wir ewigen Dank
jenen älteren Männern, die wie Rotteck, Iuſtein, Welcker,
Sander und . Andere, etinen aufgeklärten, | freicee Geiſt
in der badiſchen Kammer aufrecht erhielten, aufrecht erhtel-
ten gegenüber mancher vorübergehenden mattherzigen Stim-
nmumg des Berlkes sſelbſe Ja, Hank ihnen, daß ſ ê rie nie
ermüdeten, daß sie ein Vorbild der Beharrlichkeit, nicht
blos in Baden, sondern auch in Deutsſchland eine beſſere öffentliche
Meinung, wie ſie sich jetzt überall offenbart, befördert haben.
Denn während in den Jahren 1835 ~ 1840 alle deutsche Kam-
mern verſtummten, hielt die badische Kammer allein noch das Auker-
tau einer freien öffentlichen Meinung, einer bessern Zukunft feſt.
Wäre auch sie verſtummt, hätte die faule Bettdecke des Schweigens
g anz Deutſchland zugedeckt, hätte aller Kampf aufgehört; wer
kann sagen, wie es dann jett bei uns, wie es im übrigen
Deutschland ſtäünde!? ~ Groß iſt darum das Verdienſt
jener Männer, größer, als die Gegenwart es anerkennt. So wie


 
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