Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mannheimer Abendzeitung — 1845

DOI Kapitel:
No. 238 - No. 267 (1. September - 30. September)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44007#1123

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
A 266.

Abonnement mitvier-
telſähr. Vorausbezahlung
sn Mannheim 1 fl. 15 kr.,

Ausland erhöht fich das



„w Mannheimer Abendzeitung. csg

Inserate diegeſpaliene
Zeile iz Petitschrift odsr
deren Raum 3 kr. Juſe-
rate, worüber die Redak-

Raum 4 kr. + Yriefe



ttesutnetturr und "rh !! man
Montag 29. September 1845.





[81 Ce n \ n r ~ Gericht? —~ Niemals!

Leipzig. Wer kenst nicht die ergötzliche Geschichte von dem
Reisenden, der in dem Gafthofe, wo er eingekehrt, nach den theuer-
flen und ungewöhnlichſten Leckerbiſſen, nach Trüffelspaftete und Nach-
tigallenzungen, nach Xereswein und Lacrymä Chriſti verlangt, und
als man ihn beſchieden, man könne ihm nicht damit dienen, den
Nellner höflichſt erſucht, er möge ihm dann eine Zwiebel für einen
Pfennig und für einen Dreier Schnapps anschaffen. Wird ihnen
verweigert, oder fürchten sie, daß ihnen verweigert werde, was
ſie der Stellung, der Würde, dem Geſsſchmacke und zweifelsohne der
Verdauungsfähigkeit ihres Volkes als allein zuſagend betrachten müs-
ſen, ſo sollen sie mit ihrem Begehren dur < eine himmelweite
Kluft, so weit herab, daß ſie sich cinſtweilen mit der Koft befrie-
digen zu wollen erklären, womit man Bettler abspeiſt. So
iſt denn unter dieser Gattung von Freisinnigen in der neueſten Zeit
die längſt verschollen geglaubte Idee aufgetaucht, man müsse bei dem
Landtag , da Preßfreihen: nicht zu erlangen stände , ſich für die Ein-
setzung von Cinrichtungen verwenden, die nach Art der preußiſchen
Cenſurgerichte richterliche Formen für ein Institut, wie die C ensur
es iſt, und dadurch in ganz natürlicher Folge eine Befeſtig ung
und dauerhafte Begründung der letztern selbft schaffen!
Bekanntlich wurde Preußen, wo die verfaſſungsmäßige Zuflimmung
der Vertreter des Volkes zu dergleichen Gesetzen nicht erforderlich *)
ift, mit dieser Einrichtung vor einigen Jahren beſchenktt. Man muß
nach der Meinung, die ſich auf mehreren preußischen Provinzialland-
tagen, namentlich auf dem oſtpreußiſchen und dem rheinischen über
die Preßverhältnisse kundgtthan , billig zweifeln, ob, hätte dies Ge-
set die Prüfung geseßberathender Verſammlunzen durchgehen müssen,
diese Einrichtung ins Peben getreten sein würde. Doß in keiner
Weise den Klagen und Beschwerden dadurch abgeholfen iſt, welche
die öffentliche Meinung über die Vorenthaltung des freien Gedanken-
austauſches ohne Unterlaß erhebt, geht eben aus den Debatten her-
vor, die bei den letzten Provinziallandtagen in Preußen über Preßan
gelegenheiten ftattgefunden, geht noch mehr aus der Erscheinung her-
vor, daß ſich di e Presſſe in Preußen, vergleicht man, wie
ſie ſich vor der Einsetzung jenes Gerichtes entwickelt,
keineswegs große Fortschritte gemacht oder sich merklich
freier geftaltet, obwohl vielleicht nicht in Abrede geſtellt werden kann,
daß einige Schriftſteller, welche die Bedeutung der Wohlmeinung und
ds Anuſtandes den Erkernntniſſen jenes Grrichts abgelauſcht, sich
manche unnöthige Mühe gespart schen. Aber was gelten dieſe Vor-
theile für ein paar vorsichtige und schüchterne Zeitungsleiter und
Schriſtſteiler, gegenüber den Bedürfniſſen und der Würde eines Vol-
kes! Die Erfayrungen über riese Einrichtung in einem nicht conſti-
tutionellcen Lande liegen vor; man brauchi dem Berliner Obercensur-
eollegium den Ruhm nicht zu versagen, daß es Alles getban, was
seine Stellung und seine innerſte Wesenheit zuließ, um der Preſſe Er-
leichterung zu verschaffen und die Fortentwickclung derselben nicht zu
hindern, ~ man kann dies in Wahrheit zugestehen, ohne zuzugeben,
daß in Wirklichkeit ein beſſerer allgemeiner Zuſtand der Preßverhält-
niſſe dadurch eingetreten iſt und nun will man in einem conſstitutio-
nellen Lande, um eben diese cxceptionelle Einrichtung , die ihrem We-
sen nach Nichts gründlich und dauernd beſſert, wohl aber zur Fort-
dauer und zur Verewigung der Censur beitragen wird, anhalten, **)
_ man will, indem man sich selbſt ein Zeugniß der Unreife des Klein-
muthes und der Unmännlichkeit damit ausftellt, die Kammern veran-
Iaſſen, auf die Verwirklichung Desjenigen hinzuwirken, was man in
dem Lande , wo man den Versuch aus Regierungsermessen damit ge-
" macht, immer mehr als ein völlig unzureichendes Heilmittel anzusehen
sich gezwungen sieht. Man will die Verwendung unserer Kammern
für Gründung eines Syſtems erceptioneller Gerichtshöfe erlangen,
. welche jedenfalls bedeutende Ausgaben für das Censurwesen zu Laſten

des Staates ſtellen müſſen! j



.. ?) Sie wäre sehr erforderlich; man sehe auch die neue Gemeinde-Ord-
.. nung für Ryheinpreußen. ;

*) Wohl mittelst Biedermannschen Petitionen ? Die Red.

Wir hegen zu unserer Ständeversammlung das Vertrauen, daß ſie
diesem Antrage sein Recht widerfahren laſſen wird; daß, wenn ſie
nach Preßerleichterungen sich umsieht, sie nicht auf Einrichtungen ihre
Bliecke lenken wird, die in dem Mutterlande deſſelben, was überhaupt
nicht reich iſt an Vorbildern für conftitutionelle Staaten, selbſt schon
ihr Urtheil erfahren, und welche auf der andern Seite in den Län-
dern mit wahrhaft conſstitutioneller Verfaſſung und Gesinnung als
eine Unbegreiflichkeit angesehen werden. (Sächsische Vaterlbl.)

Deutfſchland.

* Mannheim, 29. Sept. 10 Uhr Morgens. Johannes
Ronge, Dowiat und ihre Gefährten trafen so eben hier ein.
Mit höchſter Freude heißen wir sie nochmals mit den Tausenden wiül-
kommen, die sie an der Eiſenbahn unter Gesang und unbeſchreiblichem
Jubel empfingen und zur Stadt geleiteten; aber schon hier ſträubt
ſich unsere Feder vor tiefster Beſchämung, daß wir Bürger eines
deutſch.n Staates sind, der im Rufe freierer flaatsbürgerlichen Ein-
richtungen, eines freieren öffentlichen Lebens steht, und daß wir
uns dennoch in diesem freiern Staate nicht in unſchuldigſter Weise frei
bewegen dürfen, daß uns das Haus pcetizeilich verſchloſſen ift, in das
wir jene wackerſten Vorkämpfer für Licht und Wahrheit aufnehmen
wollten, damit sie frei ihre Ueberzeugung über Das uns mittheilen
möchten, was uns in kirchlichen Dingen Noth thut.

Die Kirchen seien den Deutſch- Katholiken versſchloſſen, kein aus-
wärtiger deutsſch-katholischer Geiſtlicher (als ob wir einheimische bereits
hätten!) dürfe Gottesdienst halten: ~ Das war die amtliche Loſung,
die man uns geſtern entgezenrief. Vor wenigen Augenblicken wollten
wir denn in dem von uns besſtellten großen Theatersaal eintreten, und
abermals rief die Polizei: Wir verbieten es Euch.7 Und wir ? –~
wir geborchten! ;

Es hatte sich der Abgeordnete Baſſermann, der zugleich Mit-
glied des Theater - Comités iſt, erhoben. Er erklärte, daß die
ſtadtamtliche Behörde das Offnen des Saales untersagt, daß sie
ſich des Schlüssels bemächtigt hatte, und lud dann die
Verſammelten ein, ruhig die gefeierten Männer, denen
sir ihre Hochachtung und Theilnahme bezeugen, von Denen sie einen
Gegengruß entgegen nehmen wollten, in seine Wohnung, die ſie als
Gäſte aufnehmen werde, zu begleiten.

* Manuheim, 28. Sept. Profeſſor Kaufmann empfiehlt zur
Beseitigung der Kartoffelfäulniß und möglichſt gesunder Aufbewahrung
der Kartoffeln in Kellern und anf Speichern, daß man die Kartoffel-
taten mit Sand durchſchich t e; der Sand ſei beſſer als Kohle,

äcksel c.

*§ß Vom Neckar, 26. Sept. Die geſirige Wahl der Wahlmänner
des zweiten Districts in Heidelberg fiel ganz im s. g. conservativen Sinne
aus. Alle Candidaten derseiben gingen durch, die Bediensteten der
Eiseabahn, des Hauptſteueramts, der Universität #c. fanden sich in
großer Maſſe ein — Die wahre Bürgerſchaft wehrte fich
tapfer , allein der Maſſe der genannten Intividuen mußten sie unter-
liegen. Am nächſten Montag wättt der dritte Diſtrict; dort iſt der
Handwerkftand vorherrschend, und daher iſt sicher zu rechnen, daß
keine Niederlage stattfindet. Die Servilen entwerfen schon in ihrem
Jubel die Liſte des künftigen Gemindenraths, denn sie meinen, der jetzige
müſse nun abtreten.

] Heidelberg, 26. September. Gestern ging die Wahlmän
nerwahl des zweiten Diſtrictes vor sich und fiel leider ganz schlecht
aus. ~ Acht Wahlmänner wurden gewählt, von welchen voraus-
zusehen iſt, daß ſie einen Regierungsvertreter in die Kammer wählen
werden. Dieses Resultat wurde hauptsächlich dadurch herbeigeführt,
daß kein Mittel der Bestechung, Einschüchterung, Drohung gespart
wurde, um die Urwähler jenes Diſtricts zu gewinnen. – Während
der achtbare Theil der Bürger jenes Diſtrictes sich mit einer ein-
fachen würdigen Besprechung begnügte und nur auf das Pflichtge-
fühl und die Chrenhaftigkeit der Urwähler einwirkte, wurden von der
andern Seite die L.idenſschaften des Cigennutzes in Bewegung gesetzt.

So haben wir alle Aussicht, daß die Heidelberger ein zweites
Ueberlinger Trauerspiel aufführen würden, wenn nicht zu erwarten
wäre, daß die übrigen Diſtricte selbſtſtändige, achtbare und ehren-
hafte Wähler aufs Rathhaus senden werden-






 
Annotationen