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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 31 – No. 57 (1. Februar - 28. Februar)
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E l t
M 6 B s



Sonntag

2. Februar |

1845









Deutschland.

+ Karlsruhe, 29. Jan. In dem Kommiſssionsbericht über die Motion
ses Abgeordneten Welker, Verwirklichung der Unabhängigkeit der Gerichte,
in der 135. öffentlichen Sihung von dem Abgeordneten Rindeschwender erſtat-

tet, heißt es: Die; Verfaſſung eines Landes kann ungenügend sein, die Gesetze
mögen den Bedürfniſſen der Zeit nicht mehr entsprechen, und Lücken und
Mängel in den wesentlichſten Grundlagen hervortreten + dennoch können
verhältnikmäßig weniger Klagen laut werden, es kann selbſt eine größere
Zufriedenheit in der großen Maſſe dieses Landes vorherrſchen, als man sonst
aach allen Umständen zu unterſtellen berechtigt wäre. Woher diese Erschei-
nung; woher die Möglichkeit mindeſtens einer Art von Klaglosigkeit, wäh-
rend der mangelhafte Zuſtand der Verfaſſung und Gesetzgebung Klagen und
Beschwerden aus allen Klaſſen des Volkes hervorrufen sollten? Sie finden
die Ursache einzig in der Art und Weise des Vollzugs + in den Eigenschaf-
ten des Standes der Staatsdiener. Wo Milde in der Vollziehung, ein
freundliches, gegenseitiges Vertrauen erzeugendes Wesen in dem Umgange
mit den Bürgern, und rückſichtsloſe Gerechtigkeit des Richters gegen alle
Stände im Staate geubt wiro; wo der Vollzieher der Gesetze fühlt, daß er
selbſt nur unter dem Gesetze mit dem Bürger stehe, daß nur das Geset,
nach welchem er richtet, ihn wieder richte und ver Blitz öder die Sonne ei-
ner höhern Willkür ihn nicht treffen könne + da erhält ſich, selbft inmitten
eines gesetzlich ungenügenden Zuſtandes, sehr lange eine materielle Zufrie-
venheitz + während dort, wenn selbft guie Staatseinrichtungen blühen, die
Wirkung der wohlthätigſten Geseße in der Anwendung verktümmert, ſselbſt
vereitelt wird, wo der gekuechtete Staatsdienerſtand demoralisirt, verdorben
und bestechlich iſe Das Gute wird in einer böſen Haud zum Uebel; + das
Sirenge gleicht ſich aus durch milden Vollzug. Wir haben nicht nöthig, die
Anwendung dieser Ansichten im Auslande zu suchen, obwohl es ke.nen Staat
sst wird, in welchem nicht die Wahrheit dieser Behauptungen wiederholt
(n beiderlei Beziehungen durch Thatsachen sich bewährt hätte. In unserem
Baden gab es eine Zeit, wo die freundliche Seite dieser Zuſtände recht
ſichtbar hervortrat; es war die schöne Zeit unter unserem unvergeßlichen
Carl Friedrich. Die Zeit war höchft betrübend, die öffentlichen Staats-
einrichtungen vielfach ungenügend — und dennoch erbielt sich im ganzen
Lande ein hoher (Grad der Genügsamkeit und Zufriedenheit, die troß des
vielen Läſtigen und Drückenden, das uns im Nebermaaße vom Auslande zu-
Prömte, nicht geſtört wurde — weil der väterliche, gerechte und milde. Sinn
des Fürſten allen seinen Staaisdienern dem Volke gegenüber ein gleiches
Benehmen zur strengen Pflicht gemacht hat. Wenn nun aber in den Hän-
ven der Staatsdiener diese hohe moralische Kraft liegt, wenn es ihnen mög-
lich iſt, selbſt den beften Gesetzen eine üble uno dem Erfolge klägliche An-
wendung zu geben ~ so ergibt sich daraus mit Nothwendigkeit, daß dem
vem Staate nicht nur die Verbindlichkeit obliege, gute Geseße zu geben —
fondern ach die weitere und unendlich bed eutung s vollere, für den
guten Vollzug dadurch Sorge zu tragen, daß er den Staatsdienern eine
ſichere, ge se y lich gar antirte Stellung verleihe. Ohne diese Rechtssicher-
Yeit iſt an eine objecte, d. h. eine solche Anwendung, der Gesetze nicht zu
venken, bei welcher der Staatsdiener auf lediglich nichts Anderes sein Au-
grenmert richtet, als auf das Geset und die gesetliche Genauigkeit des Voll-
zugs gegen Alle und Jede Lon der Ranglofigkeit bis zum höchſten Standes-
glanze. Jn allen Verhältnissen des Lebens bleibt der Mensch + ein Mensch;
es iſt nichts so wahr, als was das alte Sprichwort im Volkesmunde aus-
drückt: „wessen Brod ich eß', vesſen kied ich ſing' “ und ein wahrhaft eitles
und sündhaftes Aufblähen erscheint die oft vernommene Betheuerung, daß
gin wackerer Mann forthin mit ufenem ruhigen Blicke unbestechbar und un-
beſtochen Gunft und Ungunst beschaue, daß er sich nicht behaglicher und wär-
mer in den freundlichen Sonnenstrahlen fühle, als im eisigen Winterſturme,
— daß er mit unbeugsamem, ſspartanischem Gleichmuthe seine eigene und
feiner geliebten Familie Bequemlichkeit und Glück werthlos zur Seite ſtelle,
und sich allein durch die ſtrenge Pflichterfüllung warm und hochgetragen fühle
W iwas vergleichen Abenteuerlichkeiten und Selbſtblendungen mehr ſind.
Das Achtungswertheſte und Höchſte an Allem, was dem Menſchen xeigenthüm-
lich sein soll, sei eine großartige Wahrheitsliebe, vie stolz und trotzig jeden
Sthleier bet Seite] virſe ges gelegentlich wohl auch Fehler verhüllen könnte.
Es sollte Jeder klar die tiefen Winkel der Seele erleuchten, und wer vas
thut, wer nicht, wie derlei Scheinheilige oder Schwärmer , fich aus der
angen Hülle der Menſchlichkeit hinaus lügt, der wird bekennen, daß der
Menſch, der wackerſie, der heldenähnlichſte, sch w a ch sei und der Versuchung
Utz! wie es die Tradition sogar von Engeln lehrt, die wir noch lange
. Aus Baiern, 21. Januar. (Weſser-Ztg.) ehrt ast er
in unserm Gebirgswinkel völlig eingeſchneit werden, lassen Sie mich
gefälligſt noch auf ein paar auswärtige Neuigkeiten kommen, obschon
ich vielleicht einen zu großen Werth auf dieselben um der Mühe wil-
ken lege, die unsere Bauern hatten, um den im Schnee ſtecken ge-
bliebenen Poſtwagen auszuſchaufeln. Seit einigen Tagen unterhält
man ſich bei uns in Folge des viclfachen Verkehrs mit dem Nach-
barlande über eine Art von Amnestie, die neuerdings von dem Kai-
G ſer von Osterreich erlaſſen worden iſt. Vielleicht hat man in Nord-
G auf die sogenannte Lemberger Versſchwörungsgeschichte nie
[fu betonzeres Gewicht gelegt, oder sie doch längst wieder vergeſ-
j fen. Was vergißt man heut zu Tage nicht in einem Zeitraum von
f & fünf Jahren! Wer überhaupt alle die kleinen Conspiratiönchen

in der kaiserlichen Armee im Auge behalten wollte, die alljährlich
zur Beſtrafung kommen, der müßte eben geneigt sein, größeren
Werth auf dieſelben zu legen, als die öſterreichiſche Tagespresse,
nach deren Organen sie bekanntlich alle sammt und sonders den
Charakter alltäglicher Soldatenprügeleien oder gemeiner Subordina-
tionssünden an sich tragen. Hat man vielleicht bezüglich der Lem-
berger Vorgänge eine Ausnahme gemacht? Nicht im Mindesten,
vielmehr wurde auch bezüglich ihrer das lesende Publikum dahin be-
lehrt, daß sie ohne allen eigentlichen (2) politischen Charakter seien.
Gleichwohl ſind nach fast fünfjährigem Prozeſſe nicht weniger, als
einige vierzig Individuen zum Tode verurtheilt worden und die Zahl
der minder bart Berurtheilten beläuft ſich in die Hunderte! Woher
die langjährige Untersuchung bei dem sonst so raschen Militärjuſtiz-
gang in Ocſterreich. Darauf iſt die Antwort leicht gefunden, da
ſich unter den Verbrechern bekanntlich nicht wenige Personen vom
Civilſtand befunden haben, weßhalb die Untersuchung von einer ge-
mischten Commission unterſucht und gerichtet werden mußte.

Woher aber die Amneſtie? Das ſtrenge Kriegsgeseß hieß auch
über solche Individuen die äußerſten Strafen verhängen, die, wenn
ſte dem Civil angehört hätten. für ihr Vergehen schon durch den
Unterſuchungsarreſt hart beſtraft worden sein würden. Endlich er-
ſtreckt ſich die Amnestie nicht auf alle Verbrecher, sondern es hat die
kaiserliche Gnade für die am meisten compromitirten Individuen, de-
nen man im Publikum ein Einverſtändniß mit auswärtigen Umtrieb-
lern beimißt, die Todesſtrafe nur in lebenslänglichen Kerker umge-
wandelt. So bliebe denn nur noch eine Frage übrig. Was haben
denn nun die Amneſtirten und Nichtamnestirten eigentlich gethan?
Die Tagesgeschichte schweigt; denn die Unterſuchungs-Commiſsſion und
die Nichter sind stumm wie das Grab, und da die Preſſe schweigen
muß, so iſt geradezu unmöglich, das Wahre aus unzähligen Sagen
und Gerüchten auszuscheiden. Man wird sich jedoch erinnern, daß
die Lemberger Emeute, . wie wir ſie nennen wollen, den turbulenten
Vorgängen, die sich in der Lombardei faſt unmittelbar nach der Ge-
neralamnestie zutrugen, so rasch gefolgt und dann ihrerseits selbſt wie-
der im öffentlichen Tagesgespräch von den späteren und neuesten Meu-
tereien in der Arn.ce und in der Marine abgelöſt worden iſt,
daß es Niemanden zu verdenken iſt, wenn er an eine bewußte
oder unbewußte Uebereinſtimmung ter Meinungen, an einen ge-
eiteten oder zufälligen Zusammenhang aller dieser Erscheinungen denkt
und ſich versucht fühlt, dieſe für nichts Größeres, aber auch für nichts
Geringeres zu halten, als wie für beachtenswerthe Seitensſtücke zu
den bedauerlichen Empörungs- und Verſchwörungsverſsuchen in Mit-
tel- und Unteritalien. Die jüngsten Entdeckungen in der Marine
ſcheinen in dieser Beziesung sogar nicht blos von Interesse, sondert
von hoher Wichtigkeit gewesen zu sein, und es iſt höchſt wahrschein-
lich, daß wir nach Verlauf einiger Jahre auch in dieser Beziehung,
wenn sonst von Nichts, so doch wieder von einem kaiſerlichen Gna-
denakte gegen schwere Verbrecher leſen! i

Aachen, 22. Jan. (Aach. Z.) Von dem königlich preußiſchen
Stadtgerichtsrathe Simon iſt eine den Ständen gewidmete Beleuch-
tung der Gesetze vom 29. März 1844 erschienen, wodurch bekannt-
lich das gerichtliche und Disciplinarverfahren gegen Beamte und das
Verfahren bei Penſionirungen bestimmt wurde. Hr. Simon sucht
nachzuweisen, daß die Gesetze vom 29. März nicht, wie es den An-
schein hat, Gesetze über das kloße Verfahren scyen, ihr wesentlicher
Inhalt sey vielmehr \die vollständige, materielle Umgestaltung des
preußischen Staatsrechts in Ansehung der Stellung des Richterſtan-
des,. Hr. Simon fragt sich, warum dieß, „da doch der König
durch die That auf das Unzweidenutigste sich durchdrungen gezeigt
habe von dem Werthe einer ungeschwächten Unabhängigkeit des
Richterſtandes,.. Namentlich durch Aufhebung der Verordnung vom
25. Jan. 1844, welche die Selbſtſtändigkeit des preußischen Rich-
ters in den gerichtlichen Angelegenheiten bescitigte, bei denen es auf
die Anwendbarkeit von Staatsverträgen aukam. H. Simon bleibt
die Antwort schuldig, statt deſſen fragt er weiter: „wer wird fich
noch dem Richterſtande widmen?- Für alle Entbehrungen hatte er
früher einen Ersatz : „das Selbftgefühl, welches in dem Bewußt-
sein einer edlen Beſtimmung seine Befriedigung fand, die Empfindung
für Ehre und Anstand, die Denkungsart, welche ihre feste Bafis in


 
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