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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 87 - No. 116 (1. April - 30. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0373

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1845.





















Dienstag

Denuctſchlanrd.

74 Berlin, 23. März. Die neue ſten aus Schlesien gemeldeten
Verhaftungen des Fabrikanten Schlöffel und Lehrers Wander in
Hirſchberg sollen auf eine hier erfolgte Denunciation einer von diesen
beiden Männern geleiteten communiſtischen Verschwörung von den
Minister des Innern unmittelbar verfügt worden sein. Schlöffel
hat Volksverſammlungen gehalten, Petitionen an den Landtag
gerichtet (worunter eine sel$ſamer Weise auf Verleihung einer Ha-
beas-Corpus-Acte gegen willkürliche Eingriffe der Polizei); aber
Alles in offener, gesezmäßiger Weiſe. Wander, hat ſich vielfach
um Verbesserung des Volksschulwesens, Abhaltung von Lehrerver-
ſammlungen tc. verdient gemacht. Es ist daher gewiß zu erwarten,
daß ſich so offen anfahrende Männer nicht auf das Glatteis gehei-
mer Verbindungen begeben werden. –

§ Vom Neckar. Dieser Tage iſt uns ein neues Berlags-
werk von Heinrich Hoff in Mannheim zugekommen. C iſt dies eine
gewandte Bearbeitung von Alfieri's Abhandlung 'über die Tyrannei
von H. Frhrn. von Fennberg, diese vor Anbruch der franzöſiſchen Re-
volution (1777) erschienene Abhandlung wirst ein eigenthümliches
Licht auf die ramaligen politischen Berhältniſſe, so wie die Art und
Weise wie damals die Cenſur geübt wurde; denn das Original wurde
zuerſt unter französischer Censur in Kehl, später im Jahr 1809 unter
Rapoleon in Mailand gedruckt. Der Name Alfieri's, des erſtens politi-
schen Dichters Italiens und jener Zeiten, sowie deſſen bekannte
freiſinnige Grundsätze bürgen uns für die Trefflichkeit des Werkes,
in dem er das ganze Getriebe des monarchiſchen Staatslebens von
ſcinem Standpunkt aus zergliedert und einer strengen Würdigung
unterwirft. Dem Orizinale hat Fennberg eine längere Einleitung
vorangeschickt, in der ix nach einer gerechten Würdigung von Alfie-
ri's politischen Verdienſten für sein Baterland in eine Kritik der
gegenwärtigen Zeitverhältniſſe eingeht. Das Original selbſt iſt wo
es nöthig mit paſſenden Bemerkungen begleitet.

Berliu, im März. (Köln. Zeitg.2) Was die Petitionen be-
triſſt, welche am hiesigen Landtage nicht in so großer Zahl einge-
gangen sind, als anderwärts, so erhält derjenige Thril derselben,
welcher auf weitere Entwicklung unserer staatsbürgerlichen Verhält-
ſich bezieht, meiſt keine genügende Befürwortung. Es hat ſich bis
jetzt nur für eine Bittſchrift für Emancipation der Juden die nöthige
Majorität gefuuden. Petitionen auf Freiheit der Presse, Offentlich-
teit, Bermehrung der Vertretung des 2. und 3. Standes u. s. w.
ſind abgelehnt worden. Als Denkſchriſt zu der hier veranstalteten
Petition für Preßfreiheit iſt (wie schon berichtet) von D. Th. Mügge
eine Broſchüre: „Die Censurverhältniſſe in Preußen., erschienen,
welche den Landständen gewidmet iſt. ~ An der Universität haben
einige Profeſſoren ihre Zuhörer ſchon damit bekannt gemacht, daß
ſie nach den Vorschriften des Hrn. Miniſters Cichhorn Examinatorien
halten würden; sämmtliche Mitglieder der philosophischen Facultät
. ſträuben ſich jedoch noch immer dagegen. Der Dekan dieser Facul-
tät, Profeſſor Böckh, hat ein Circular] erlaſſen, durch welches die
sämmtlichen Mitglieder aufgefordert werden,, ſich zu erklären, ob sie
die früher anempfohlenen Repetitorien gehalten oder nicht gehalten
hätten. Die meiſten Profeſſoren haben darauf bemerkt, daß sie keine
Zeit dazu gefunden, die aber, welche wirklich der Anordnung nach-
gekommen waren, daß ſie wegen Mangels an Theilnahme und weil
die Studenten nicht antworten wollten, wieder aufgehört hätten.
Daß dies auch das Schicksal der Examinatorien sein werde, ſicht
man voraus. ~ Man kann sich hier noch immer nicht über einen
Artikel beruhigen, den neulich die &Voſſiſche Ztg.-- über den „Local-
verein für das Arbeiterwohl. brachte. Der Artikel war dem in Leip-
sig erscheinenden rHeroldr entnommen und sein Inhalt so verletzend
für das höhere Beamtenthum, dabei die Zukunft des Vereines so
umwälzend für die Grundbedingungen des jetzigen Staates darge-
ſtellt, daß Niemand begreifen konnte, wie bki unsern Cenſurverhält-
niſſen der Abdruck möglich geworden sei. Ohne Zweifel war es die

gqaus dem Comite zu beſtätigen ſchien.

' der der Negerſclaven.

r
| Absicht, durch diesen Artikel gleichſam eine Warnungstafel aufzuſtel-
len, um die gefährlichen Tendenzen eines Vereines dieſer Art an-
nicht zur Bestätigung

ſchaulich zu machen, damit er, wo möglich,
ſeiner Statuten gelange. Antworten und Vertheidigungen, welche
das Comite gebeil wollte, ſtießen auf Hindernisse; allgemein glaubte
man daher, daß eine Auflöſung des Bereines vor der Thür sei,
was das plötzliche Ausſcheiden des geh. Regierungsrathes Naunyn
Nun iſt jedoch Hr. Naunyn
eben so plötzlich wieder in den verlassenen Play eingetreten und, wie
Manche meinen, alle Aussicht vorhanden, die Statuten nächſtens
beſtätigt zu sehen. Der denuncirende Artikel hätte dann seine Wirk-
ung total verfehlt und wäre somit eine Mine, welche ſich in fal-
ſcher Richtung entladen hätte. Jür die, welche die Verhältnisse ken-

.

nen und da wiſſen, wie von mancher Seite gegen den Verein fort-

geſettt manövrirt wurde, iſt es von großem Intercſse, diesen legten
Act zu beobachten. Jener Artikel hat aber in allen Richtungen Un-
heil angestiftet, denn er iſt hier von der großen Maſſe mit vieler
Genugthuung und mit allex der Theilnahme gelesen wocden, die eit
ſo auffallendes Hinausgehen über alle Cenſsurinſtruktion verursachen
kann, und dies lag gewiß am Wenigſten in der Einsender Absicht.

~– Vsn Heller's neulich (Nr. 82) erwähntem Buche gibt die
Trier'ſche Zeitung folgende Notiz: Intereſſant iſt, was der Verfaſ-
ser über die Leibeigenſchaft sagt. Die Zahl der Leibeignen beträgt
in Rußland 43-45 Millionen, alſo den 20sten Theil der Gesammt-
bevölkerung der ganzen Welt, und ihr Zuſtand iſt nicht beſſer als
Ein Ukas verbietet zwar den Bertauf der
Leibeigenen (ohne gleichzeitigen Verkauf von Grund und Bodenj, al-
lein der Grundherr kann sie auf 90 Jahre verdingen, um in den
Bergwerken zu arbeiten; das Gesetz erlaubt dem Grundhercn nicht,

hie Familien zu trennen, aber wenn er 2 Güter hat, die beliebig

von einander entfernt ſind, so kaun er die Mutter nach dem einen
Ende ſchicken und den Säugling an dem andern behalten; dir Grund-
herr hat kein Recht auf das Vermögen der Erbleute, aber da er
Gewalt über Zeit und Arbeit hat, da er den reichſten Kaufmann,
der sein Leibeigener iſt, als Schweinhirt quf seine Güter senden kann,
so stehen ihm tausend Mittel zu Gebot, Geld zu erpreſſen. Das
Grsetz geſtattet nicht, daß der Grundherr einen Leibeigenen prügelt,
außer, wenn er ſich in beſtimmter Entfernung von einer Polizeiſta-
tion befindet. In diesem Fall steht ihm jede Züchtigung frei, nur
darf der Leibeigene nicht binnen drei Tagen sterben: da indeß das
Zeugniß von Leibeignen gegen ihren Herrn keine Gültigkeit hat, so
kann er ihn in Gegenwart von allen Sklaven todt prügeln. Iſt aber
ein Polizeigefängniß in der Nähe, so kann der Gebieter dort seine
Leibeignen stets, und ohne Angabe der Gründe todt peitſchen laſſen.
Aus diesen socialen Verhältniſſen schreibt sich der knechtiſche und
egviſtiſche Stumpfsinn der Ruſſen her. Der Gruntherr fürchtet ſtets
die Polizei; um ihr zu entgehen gibt er sein ganzes Vermögen hin,
und preßt es wieder seinen Leibeignen ab. Iſt die Noth bis in's
Unerträgliche gestiegen, so erheben sich die Sclaven zu blutiger Rache,
um im Tode Schutz gegen die gräßlichen Uebel des Lebens zu suchen.
Weder verhindert ſie die Furcht vor Sibirien, noch auch treibt ſie
die Hoffnung auf Befreiung, es ist einzelne grimmige Rache, nie
aber ein politischer Grund, der sie zum Aufstand ireibt. Aus diesen
Dingen ließen ſich auch für andere Verhältnisse große Lehren ziehen.
Ueber die herühmte Beſtechlichkeit der ruſſ;ſchen Beamten bringt
ver Verfaſser intereſſante Beobachtungen und geſchichtliche Thatsachen.
Der geringe Sold der Beamten, die koſtſpieligen Bedürfniſſe und der
bohe Preis aller Luxus-Artikel machen ungefähr den dreifachen Be-
trag der firirten Gehalte nothwendig. Außerdem iſt der Papierrubel,
in dem die Gehalte gezahlt werden, auf 2 Siebentheile des Nomi-
nalwerthes herabgefallen. Die Haiupt-Arten, Beſtechungen zu erpres-
sen, sind Bedrohungen oder unmittelbare Bedrückung, Verkauf von
Begünstigungen und Berweizerung von Gerechtfamen. Dieser Mittel
bedient ſich mit unzähligen Spielarten der Straßenwächter, wie der
Cabinetsminiſter, ja aus der Geschichte Peters I. iſt bekannt, wie
selbſt Mitglieder der kaiserlichen Familie ihre Gunst verkauften. Ge-
richtshöfe, Polizei, Verwaltungsbehörde, Armee und Marine, Alles

iſt käuflich und auf Erpreſſung bedacht, und keine Strenge vermag


 
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