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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 207 - No. 237 (1. August - 31. August)
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T



Samstag

Deutſchland.

* Maunheim , 28. Auguſt. Die jüngst erwähnte neue Schrift
von Bülow-Cummerow: die europäischen Siaaten nach ihren innern
und äußern politischen Verhältniſſen- erregt mannigfaches Interesse,
wie ſchon deren Anzeigen in öffentlichen Blättern auch Demjenigen dar-
thun, der das Buch ſelbſt noch nicht gesehen hat. Eine anziehende
Charakteriſtik davon liefert die Bremer Zeitung. - Zunächst “, ſagt
ſie, „„hat Bülow's Werk das große Verdienſt, uns genau mit den
Thatsachen, welche den einzelnen Staaten Europa's in ſich und zu
andern für das politiſche und diplomatische Handeln und Zögern zu
Grunde liegen, genau und im Zusammenhange bekannt zu mathen.
Auch combinirt er mit Geſchick, und nachdem er den Thatsachen und
ihren Verhältniſſen die Masken abgenommen, dringt er überall auf
Ehrlichkeit, Waphrheit, Consequenz (?) und Energie für die Lösung aller
der noch nicht erledigten politiſchen Fragen und Kriſen, welche durch
kleinliche, ängstliche, egoiſtiſche D plomatie verſchoben, bemäntelt und
gewaltſam verzögert wurden und werden. Die Réflex on fällt natür-
lich immer auf Deuiſchland und besorders Preußen zurück, venen die
Wahtrheit in allen Stücken milde, aber doch ſo ehrlich und derb ge-
sagt wird, wie es irgend die Cenſur zulie ß. Deutschlands Elend
im Innern und seine Schwäche nach Außen werden vielsſcitig und that-
sächlich documertirt, und das Poſttive läuft, kurz gesagt, darauf hinaus,
daß die äußere Unabhängigk it Deutſchlands und seine innere Wohlfahrt
nur durch die wahrhaſte E nigkeit der Fürſten und des Volk:s zu er-
reichen sei. Das iſt in dieser Allgemeinheit bekannt, aber es kam
darauf an. zu zeigen, daß die Einheit weder durch den deutſchen
Bund, noch durch den Zollverein er:eichbar ſei, ſo lange Fürſten und
Volk so handeln und diplomatisſiren, wie es bisher geſchehen. Preu-
ßen treffen hier die ſchwerſten Vorwürfe bis zur Auswe sung zweier
Ehrenmänner, der Abzeordneten eines deutschen Bundes - und Zoll-
vereinsſtaates. Wir können hier natürlich auf die reichen Einzelnhei-
ten nur hinweisen; es genügt, den Leſer, dem es um eine gründliche
politiſche Revue zu thun ifi, auf die neue vollſtäntige Quelle hinzu-
weisen und die Hauptergebniſſe anzudeuten. Bülow-Cummerow zeigt,
daß tie ſchwankenden, ſchwebenden, fra,lichen, kritiſchen, bemäntelten
Verhältnisse der europäiſchen Siaaten unter einander ein fort äh-
xender, unendlich koſtſpieliger Krieg ſind, für welchen
in allen Staaten so furchtbar koſtſpielige Truppen ge-
halten werden, die zwar müßig gehen, dadurch aber je-
dem Lande doppelt so viel. koſen, als sie. kofien.. Die
beſten Manneskräfte werden der Arbeit entzogen, und
die so ge)ſcchwächten Arbeitskräfte d es Landes müſsen für
die zahllosen Massen müßiger Krieger natürlich mitar-
beiten. Dabei sind alle Staaten friedlich gesinnt. Es gilt nur,
mit dieser Geſlunung Ernſt zu machen. Das ſoll so geschehen: die
deutſchen verbündeten Fürſten sollen mit England im V.rein. den Frie-

den proelawiren und nötzigenfalls erzwingen. Die Form dazu iſt ein

europäischer Congreß zur Ecrichtung eines europäiſchen Bundes,
welcher durch Gesctze den Frieden verbürgen und alle uncrledigten cu-
ropäiſchen Streitfragen enſſcheiden soll. „Die Präliminarverhandlun-
gen eines solchen Congreſſes, nachdrm man die Erhaltung des Frie-
dens und nöthigenfalls die Erzwingung eines soichen mit der ganzen
Militärmacht des Bundes als Vorbedingung geſtelt habe, würden
dahin gerichtet scin müſſ,n, alle die Streitfragen zu erledigen, die in
der Zukunft auf's Neue den Frieden stören könnten ‘': die Zukunft
Polens und der europäischen Türkei, Ordnung der Verhältnisse Ita-
liens, Reduktion der fieh enden Heere oder deren völlige
Erse y ung durch Bewaffnung des Volkes, Zoll- und Han-
delsverhältniſſe c. Lauter Forderungen, von denen schon jede einzelne
der europäiſchen Diplomatie viel zu groß ift, besonders nachdem wir
ie durch Bülow- Cummerow's eigene Schilderung erft näher haben

kennen lernen. Woher soll Europa's Politik und Diplomatie diese
Größe, diesen europäischen Bl., diese Sorge für das Wohl aller
Staaten, diese Erhebung nehmen? Kann man sich beim eigenen Zopfe
in die Höhe ziehen, wie Münchhauſen? Völker und Staaten g:hor-
<en leider nur der unabweisbaren Nothrwendigkeit in letzter Inftanz
Jenn es gilt, sich aus einem Zuſande, und sei's auch der unbeil-
barſte, kräftig und gründlich herauszuraffen und einen neuen Adam
anzuziehen. Es iſt betrübend, es iſi tragiſch, bekennen zu mäſſen,
| G

30. August

daßſselbſt die nüchternen, praktischen, nothwendigen Reformen eines public-
stischen Greiſes, der noch dazu eine ganze Menge Ballaſt des
status quo vertheidigt u. hält, in's Transſcendente sich verlieren,
in Ideale, für welche weder ein Volk reif \ eint, noch ein Fürft.
Bülow- Cummerow’'s Werk soll ins Franzöſiſche und Englische über-
setzt werden. Wir wollen sehen, wie es da paßt. Aber als begrün-
detes Vorurtheil müſſen wir prophezeihen, vaß sich Franzoſen und
Engländer schwerlich von einem deut s <en Politiker belehren laſſen,
ſo gut er es auch meint, und so verünftig und praktisch er au ra-
then und zureden mag. Wir werden sehen, daß wir keine Reform,
keine Heilung mehr aus Zeitungen und Büchern ſchöpfen, Uue beſte-
henden Verhältniſſe werden ihre eigenen Consequenzen und Völker
und Fürſten mit ſich drängen und treiben müſſen, erſt dann kommt

etwas heraus. :

§+ Heidelberg, 28. Auguſt. Heute fand der erſte feierliche
Gotiesdienſt unserer deutsch- katholiſthen Gemeinde statt. Herr Pfar-
rer K erbler von Frankfurt leitete denselben. Gegen 1400 Karten
waren ausgetheill. Die Providvenz- Kirche war auf's Aeußerſte von
Theilnehmern angefüllt und vor den Thüren drängten ſich noch
Solche, die Theil nehmen wollten. Die Predigt wurde in tiefſter
Andacht bei lauiloſer Stille angehörtz sehr herzerhebend wirkte auch
der kräftige, deutsch e Choralgeſang.

** Mus dem Mittelrheinkreis, 27. Auguſt. Aus ziemlich
glaubhafter Quelle vernehmen wir, daß Herr Speyerer aus Heidel-
berg, welcher eben erſt zum Abgeordneten gewählt wurde, noch An-
ſtand nimmt, in die Kammer einzutreten. Der Grund dieses zwei-
felhaften Entschluſſes soll in der allerdings eigenthümlichen Stellung
des Herrn Speyerer zu den beiden Haupfraktionen in der Kammer

veſtchen. Es iſt nämlich unzweiſelhaft, daß Herr Speyerer ſich der

miniſterielten Partei, wie sie jetzt beſteht, unmöglich anschließen kann.
Seine ganze frühere Stellung, namentlich aber sein theils entſchiedenes
Auftreten in der Urlaubsfrage, läßt eine solche Annahme nicht zu
und widersprichj derselben auch der Charakter des neugewählten Ab-
géordneien, welchem ein völliges Aufgeben der eigenen Willensmei-
nung, eine förmliche Unterordung unter die miniſteriele Führung
durchaus entgegen iſt. Allein eben so wenig wird sich Herr Speye-
rer der Opposition anschließen, und eine s. g. „Mittelpartei. beſteht
zur Zeit nicht und wird voraussichtlich auch nicht leicht zu Stande
kommen. Dadurch aber wird die Stellung des Abg. Sp., wie seine
Wirksamkeit, paralyſirt, was ihm bei seinen unſtreitig reichen Kennt-
niſſen und einer gewissen Thatkraft den Eintritt in die Kammer wohl
bedenklich machen muß. Es würde ſich Hr. Sp. ohngefähr in ähn-
licher Lage finden, wie der Abg. Dahmen, von dem man ja gleich-
falls sagt, daß seine Haltung in der Kammer und die Stellung zu
seinen Wählern einen Wiverspruch enthalten, und sonach den Aus-
tritt deſſelben verarlassen dürften.

Aus dem Großherzogthum Baden, 24. Auguſt. Die
„ Seeblätter “ haben einen Bricf unseres gefeierten Abgeordneten C.
Welcker über die deuiſch:katholiſche Bewegung veröffen1licht, aus wel-
chem wir Folzendes entnehmen: Die deutſche Bundesakte enthält
im Art. 16 für alle Chriſten als allgemeines politisches Staats-
bürgerrecht dic völlige Gewiſſens- und Glaubensfreiheit, nach welcher
keine politiſchen Vortheile oder Nacht h eile mit einer Ber-
ſchi:denheit in diesem chriſtlichen Glauben verknüpft werden dürfen.
In den Verhandlungen über diesen Artikel hatt:n einige Theilnehmer
seine Zusicherung des Genusses gleicher bürgerlicher und politischer
Rechter auf die „drei christlichen Hauptconfesſtonen-. beschränken wol-
len, und so lautet wirklich auch der legte Entwurf des Artikels. In
der Schlußverhandlung aber wurde auf erhobenen Widerſpruch die
Beschränkung auf die drei chriſtlichen Hauptconfeſsonen befinitiv auf-

gehoben. (Folgen Ciiate und Belege.) Der Ert. 16. der Buxndesakte

wurde nun so gefaßt: „Die Verschiedenheit der chriſtlichen Religions-
parteien kann in den Ländern des deuiſchen Buntes keinen Unterſchied
in dem Genuß der bürgerlichen und politischen Rechie begründen,-
Dirfe höhere und absolut gebictende Beftimmung des Bundesgrund-
vertrages kann offenbar durch besondere spätere Laudesverfaſſungen
rechtégültig nicht beeinträchtigt werden. ~ Davon atgesſchen aber
ſind und bleib:n ja die deuiſchen Katheliken durchaus Glicder der ci-


 
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