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Mannheimer Abendzeitung — 1845

DOI Kapitel:
No. 329 - No. 358 (1. Dezember - 31. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#1439

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france.



Samstag

13 Dezem ser

B.

J



Landtagsverhandlungen.
Welckers Rede in der Si zung vom 9. Dezember,

(Schluß.)

Welder fährt fort: Selbſt daß höhere Behörden periodisch oft fünf
Betrhstheile der willkürlichen Cenſurftriche als absolut willkürlich wieder auf-
hoben, ~ aufhoben freilich, wenn es für die Zeitungen zu spät ift, — dies
verhindert weder den despotischen Censor seine Censurſtriche ganz in derselben
Weise fortzuſeßen, ja selbft vie von höherer Vehörde freigegebenen Stellen
aufs Reue zu ſtreichen ~ noch beftimmt es irgend die höhere Behörde, den
Nothruf der Schriflfteller und Zeitungsredakteure zu hören und sie von die-
ſem spanischen Jnquifitionsdruckt zu befreien. Herr Regierungsdirector Schaaff
wird auch jetßt wieder, wie auf dem vorigen Landtage, unsere Klagen zur
Wahrung unseres unierdrückten heiligen Rechts durch eine öffentliche Lobrede
auf den ihm untergebenen Urheber dieser Unterdrückung beantworten. Meine
Herren, was sind denn Verfaſssungseide der Minifter und Beamten und Ver-
faſſungsrechte der Bürger, was die Jahrzehnte hindurch fich stets erneuernden
Bitten der Sthriftfieller, der Landftände, wenigftens um Achtung desjenigen
Theils ves Verfassungsrechtes, welches uns die Uebermacht des Bundes nicht
entriß.? Glauben denn wirklich unsere Miniſter, das badische, das deutſche
Volk sei zu dumm und zu niedrig geſinnt, um nicht zu wissen, daß Freiheit
der Wahrheit, das heiluigſte aller seiner Rechte, die Grundbedingung seiner
politiſchen Fretheit und seiner Volksehre iſt? Glaubt man wirklich, es fühle
nicht, daß man es durch hartnäckig fortgeſette maklos willkürliche Wahrheits-
unterdrückung wie ein rechtloſes Lumpenpack behandle, daß es nicht endlich
durchjoieſelbe bis zum Inuerſten empört werde, daß es darin niemals eine Kriegs-

erklärung gegen alle seine Freiheiten erkennen werde? –~ Ja = ich darf nicht

anftehen, dieſe Wahrheit zu sagen = ſselbſt die Unſtellung und wenigstens die
Belaſſung des Hrn. v. Uria als Censor in der erſten Hanptftadt des Landes,
ſvuwie rie Anſtellung und die Belaſſung des Hrn. v. Blittersdorff, deſſen ganze
Wirksamkeit der Ausdruck der Geriugſchäßung und des Haſſes der Preffrei-
heit wie der Voltssreiheit iſt, seine Anſtelung und Belassung als Bundestags-
geſandter, erſcheint mir faſt als eine Verhöhnung aller unserer bisherigen
und zuküufiigen Bitten um Preffreiheit und Censurmilderung. So lange. uu-
ſere Regierung diese Bitten um Preffreihett mit solchen Beſetzungen beant-
wortet, werve ich mich nicht mehr überwinden können, um dieses unser höch-
ſtes Reëht zu bitten. ;
Doch , als wäre es noch nicht genug mit solcher empörenden Wahrheits-
unterdruckuug, mufte ihr gegenüber auch noch eine pofitrve Beförderung und
Beguüuſtigung > ja leider eine unmoraliſche und demoraliſirte Erkaufuug der
Vüge vou Sriten der Verwaltung ſtattfinden. Was noch vor Kurzem das
franzöſiſche Miniſterium als den verläumderischen Vorwurf einer Unwürdig-
keit von ſich zurückwies und . thaiſächlich widerlegte, daß es liberale Blätter
zu ſirafen und miuiſterielle Blätter und Zeitungsredaktionen dadurch zu er-
kaufen und zu verbreiten suche, daß es den erſteren öffentliche Anzeigen ent-
ziehe, um ſie den Ictzteren zu ertheiten + das geschah in Mannheim in be-
sonders empörender Weiſe. Das Manuheimer Journal hatte an dem Ober-
gerichtsadvotaten v. Struve einrcu zwar liberalen aber entschieden gesetzlichen,
an bea Gruudlageu der Bundesakte und der Verfassung fefthaltenden Revak-
teur, ciuru Manu außerdem von allgemein geacdteter Sittienstrenge und Rein-
heit des Chargkters erhalten. Deßhalb mußte die Redaktion > ja nicht hlos
ſie, sondern die wohlthätige Anftalt des katholischen Bürgerhospitals, dem das
Tigenthum ber Zeitung zuſteht, geftraft werden. Der seit 43 Jahren, vor
der Zeic d!r badiſchen Herrſchaft veſtehende ungeſtörte Befitz der öffentlichen
Anzeigen ivurdc dieſem in der Stadt und der Provinz am Meiſten gelesenen
Blaite cutzogen -- un: sie zu ertheilna – dem Mannheimer Morgenblatt,
ienem icſuitiſch-gbſolutiſtiſchen Blatt, welches weg.n seiner unwürdigen rohen
Schmähungen und Berläumdungen gegen die liberalen Bürger und Volksver-
treter bie moralischen Gefühle der Bürger so sehr bel.idigt, das es, obgleich
die Regierung daeſelvbe unentgeltlich austheilen und durch die Poſt versenden
kißt, fa k(ine Leſer mehr fand. + Diesem Blatte wurden zur Belohnung
und zur Aufmunterung ähnlicher Unwürdigkeiten in a.deren Zeitungen und
um den Bürger jetßt zur Anschaffung deſſelben jetzt zu zwingen, die Anzeigen
übergeben und es zum Lokal- und Provinzialblatte gemacht. Wie iſt es zu
verwundern, zvenn solche unglücklichen Regierungsmaßregeln, solches Beloh-
_ uen und Etrkaufen der Lüge in Verbindung. zumal mit der despotiſchen Unter-
drückung der Wahrheit, in der achtbaren Bürgerschaft der Stadt Mannheim
ia bei allen würdigen Bürgern des Landes eine tiefe moralische Entrüftung
erwecken! Heißt Das die Achtung, den Segen und den Frieden des Landes
in unserer außerordentlichen Zeit fördern? Sollte ich weiter gehen in bei-
ſpielöweiser Darftelung von Wahrheitsunterdrückung, Mißhandlung des heili-
gen Verfäsſsungsrechtes der Preßfreiheit nach beklagenswertheſten Maximen,
vielleicht mehr auswärtiger als einheimischer Politik. nach Maximen , die
wohl landes - und bundesverfaſſungswidrigen Aeußerungen, nimmermehr aber
dem Grundvertrage des Landes und unserer Verfassung entsprechen. JZch will
es nicht, und will nur erinnern an die in unserer [.ßten Sibung erwähnte,
~ben so unerhörte als ve: fasüngewidrige Unterdrückung einer ganzen Ver-
ndlung und selbſt des Kammerbesſchluſſes in unseren Protokollen, ~ an die
“enswerthe Politik, die 10 den. gemäßigtften Klagen ver Volksvertreter
Utrecht nur durch neues Unrecht zu begegnen weiß, die durch
"üung ein Unrecht, Uber welches bereits vie ö fenlliche Stimme
'de Urtyeil des Zn - und Auslatives mit Entrüftung sh aus-
"irten Welt verbergen zu können wähnt! O, ver be lageiis-
m. immer und immer wieter [n würdeloser Nathgiebig-

keit gegen fremde Cabinetspolitik und ihre Befehle die beschwornen Rechte
der Bürger, die Ehre des Landes, ihre und aller Rechtlichen theuerften Iy-
tereſſen zum Opfer zu bringen bereit iſt! ~ u.

Und wie in diesem beklagenswerthen freiheitsfeindlichen Syfteme Schuld
an Schuld fich reihe: ~ die Herren Miniſter versſicherien uns heilig, vaß jene
geheimen Beschlüſſe von 1834 nimmer und nimmer zur Verletzung unserer
Verfaſſungsrechte angewendet werden sollten; aber ift denn nicht selbſt jene
beiſpielloſe Unterdrückung einer ganzen öffentlichen Kammerverhandlung unv
ihres Beſchluſſes in unserm Protokolle eine Anwendung dieser Beſchtüſſe ?
Sehen wir solche Anwendungen nicht überall vor uns ? Auch in unkserer aller-
neueften Censurgeſchichte erscheint unter andern Quälereien der Schriftſteller
und namentlich der Zeitungsredaktoren, und unter allen den Cenqſurftrafen,
mit welchen man fie, neben sonstigen Verletzungen, auch des Vermögens,
quält, das Verbot der Censurlücken. Und dieses, selbſt ver ruſsiſchen Des-
potie fremde, unerhörte Mittel der Wahrheitsunterdrückung und Wayrheits-
verfälſschung, woher anders hat es denn seinen Ursprung, als in tener un-
heilſchwangeren geheimen Bereinbarung? Und welchen neuen geheimen
Vereinbarnngen muß man woll jene neueren Zeitungsnachrichten von außer-
ordentlichen Bundesbeschlüſsen zuschreiben, jene Nachrichten von Bunvesver-
boten von mehr als zwanzig Bogen ſtarken Büchern deutscher Schriftſteller ~

. ja von Verboten aller Verlagswerke misfälliger Buchhändler, der arabiſchen
: und mathematiſchen, wie der deutſch-politiſchen, ] Verboie, die der Bundes-
und Landesverfassung und jeder nicht vandaliſchen Culturſtufe gänzlich wider-

sprechen! Welche Gedanken von veiner Ehre, von deinem Recht, von deiner
unerſchöyflichen Demuth bei jeder Verleßung muß man doch haben, du einſt
große deutsche Naiion, welche Meinung muß man doch hegen von jenem ho-
hen Diplomatenfiße, wenn man mit solchen Verboten deine Bitten um die
verfaſſungsmäßige Preßfreiheit zu beantworten wagt ! |
Betrachten wir nun nach dieser Einen grenzenlosen Polizeiwillkür gegen
die verfaſſungsmäßige Freiheit der Presſe oder der öffentlichen Wahrheit ~
die Polizeiunterdrückung anderer Verfassungsrechte. Der g. 13 der Verfas-
sung heiligt die volle persönliche Freiheit und das Eigenthum aller Badner,
sowie §. 17 als besonderen nächsten Ausfluß der perfönlichen Freiheit auch
die Preßfreiheit, so der g. 18 noch besonders die Gewiſsſensfreiheit und Re-
ligionsfreiheit aller Badner und zwar wörtlich auch ihre Freiheit.oder ven
Srthutz in Beziehung auf rie Art ver Ausübung ver Gottesvereyrung. Schon
ver §. 1 hatte Baden als erinen Theil vom veutſchen Gesamintvaterlande
anerkannt und vem Badner also auch die in der Bundesacte g. 18 enthalte-
nen nationalen veutiſchen Bürgerrechie, somit auch das Recht, in jedem veult-
schen Lande Grundeigenthumer zu werden, also noch viel imehr, in demselben
sich vorübergehend aufhalien zu oürfen, auf's Neue verbürgt, Zur perſönlichen
Freiheit, d. h. dem veifaſſungsmäßizen Recht der Burger, mit ihren geiſtigen
unvr körpeilichen persönlichen Kräften Alles zu thun, was nicht rechtsver-
letzend oder vurch Verfasſungsgesetz verboten ift, gehört als eines ver wich-
tigen au das Vereinigungs- oder Associationsrecht. Dieses für alle menlch-
liche Entwicklung wesentliwe Recht hat die Verfaſſung, wie auch das gleich
unbeftreitbare Recht der müudlichen Mittheilung odér Belehrung: oder das
Recht des Leſens und Verbreitens unverbotener Bücher, oder das Petitions-
recht nicht besonders hervorgehoben. Da es aber vurch frühere Polizeiver-
ordnungen beschränkt worden war , so sanktionirte es, auf die erhobenen Be-
schwerden ver Stände, das Associationsgeset von 1833 noch ganz ausdrücklich
und allgemein. Dieses erlaubt nur ausnahmsweise der Staatsregierung, also
dem Staatsminiſterium, solche Vereine, welche dasselbe auf die Verantwort-
lichkeit der unterzeichnenden Minifter als dem Staat gefahrdrohend anerkannt
hat, wieder aufzulösen. Präventivverhinderung, ähnlich der Censur, iſt dem
Gesetze fremv und vollends ein vas Recht geradezu aufhebendes Belieben
unterer Polizeiftellen, ihnen mißfällige Vereine zu verbieten. Und nun, wie

hat die Polizei diese in der Verfassung, welche von den verantwortlichen Me

niftern uud Beamten beschworen . iſt, geheiligte Recht geachtet ? Zch will Sie
nur erinnern, an allen wewaltmißbrauch der Poltzei gegen vyersörlicse und
Cigenthumsfreiheit, gegen das Petitions- und Aſsociationsrecht, den wir auf
den früberen Landtagen, wiewohl vergeblich, beklagt haben. Auch in dieser
Beziehung wähle ich Vorgänge, in der erſten Hauptſtadt ves Landes. Eines-
iheils sind diese bekannt und weniger einer besondern Beweisfüyrung bedürf-
tig. Sodann werden Sie mir zugeben, wenn in der Stadt einer so intelli-
.genten Bürgerschaft, welche ungebührliche Uebergriffe der Polizri leichter er-
kennt, zu verhindern und zu rügen weiß, so schreiende Verletuuugea vorkom-
men, daß alsdaan vollends die Bürger und ihre Versaſſungsrechte im übri-
gen Lande noch weit hilfloſer der despotischen Polizeigewalt unterliegen. Jch
[theile Zhnen die Mannheimer Polizeiklagen, mit den durch atle späteren
. mündlichen und gedruckien Rachrichten völlig beſtätigten Worten der 85 Bür-
ger mit, welche den Gemeinderath zur Versammlung des grofen Bürgeraus-
—schuſſes aufforderten, damit Petitionen an die Regierung und die Stände unt
[ Rechtsſchutß gelangen möchten. (Der Redner verliest die: Eingabe und fährt
fort:) Und nun, meine Herren, was erfolgte ? – Als Gemeinderath und

„. Ausſchuß, den Bürgermeister an der Spitze, zuſammentraten, erging ein neues,

absolut willkürliches Verbot auch gegen diese Verſammlung. Einzelne Bur-
ger durften nicht zuſammentreten, um ihre Klagen gegen vie veſpotiſches
Retchtsunterdrückungen der Herren v. Uria, Riegel und Schaaff an die Regie-
„rung und an die Katnmern zu bringen; die Gemeindebehörden dürfen es auch
nicht. So iſt der Mannheinter Polizeideſpotiomus mit seinen Ageuten fa vor-
[trefflich geborgen! Und wie erging es jener Gemeindeverſammlung zur Be-
rathung und Entwerfung der Beſchwerde aa Regierung und Stände?
. Dieser, doch sicher nicht ſtaaisgefährliche, Verein wurde verboten, weil er sich
„mit angeblich außerhalb ver Competen; ver Behörde liegenden Gegenftänden
Hoſaſſe! Meine Herrey, Sie werven über diese Sache porh weitere Auf-
lehlüſſe erdalten; nber ſthon ſeßt wiſſen Sie, daß wir hier in vieſem Saale

M


 
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