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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 329 - No. 358 (1. Dezember - 31. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#1387

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Montag 1. Dezember 1846.









Landtagsverhandlungen. ;

| Karlsruhe, 27. Nov. Dritte Sitzung der Zweiten Kammer
Unter dem Vorſit ves Alters pr äfi d enten : v. Ihftein Regi erungsbantk :
Staatsrath Nebenius. Diskrnssion über die beanstandete Wahl des Reg.-
Rathes Abegg. (§gr!ſestns. ;

rt: ;
h) t; tUtr u als bei der Wahl des Abg. Richter" — ſagte ge-
ſtern ein eyrenwerthes Mitglied + „würde es unverantwortlich sein, die
Wagl zu beanftanden“ Was wird er heute ihun, wo io viel vorliegt, wie
hir L . .f: Das bin ich. Ich hatte nicht vor, zu redenz jetzt muß ich
es aber doch, um mich darüber zu erklären. |

Mathy.:. ,„Jch beanftande die Wahl des Abg. Richter“ — sagte geftern
der Abg. Rettig + „ohne sie vor der Hand für ungültig erklären zu wollen,

aber ver Wahlkommisſsär soll zur Erklärung über gewisse Bemängelungen inr

Protoko4 aufgefordert werden?“ ~ VWird er hektte, bei den weit größeren
Bemängelungen der Ueberlinger Watl, diese nicht beanſtanden, und keine
Untersuchung verlangen? ~ „Es ift dumm und heuchleriſch“ sprach ein drit-
ter ehrenwerther Abgeorvneter von einer Stelle in einer namenlosen Flug-
ſchrift – „zu sagen, der Abg. Knapp habe der Ortenau die 63,000 fl. Kriegs-
entſchävigung nicht verſchaffen können.“ Wie wird er die angebliche Aussage
des Stadtrechners Ullersberger bezeichnen: „Regierungsrath Abegg habe der
Stadt Ueberlingen 30,000 fl. verschafft und fie werde durch ihn, der Einfluß
im Kabinet habe, noch weitere 40,000 fl. erhalten? ;

Weizel: Ich sage eben so. Es iſt dumm und heuchlerisch. ß

Math y: Allso doch einſtweilen so viel gewonnen. (Allgemeine Heiter-
keit.) Werden die Herren fich hinter ihren Unglauben verschanzen + Dieß
wäre zwar ſchnell geſchehen, aber durchaus eitel und vergeblich entgegen
fünfzig ehrenhaften Bürgern, welche Zeugen benennen und eine Untersuchung
verlangen. Ich werde erwarten, was geschieht und ftimme für den Antrag
der Abtheilung. § ; ts

ttz eb enius hat ben Regierungsrath Abegg selbs gefragt und
von ihm erfahren, was er im Voraus ſchon überzeugt war, daß ein Mann
vor so klarem Verſtand, unmöglich eine solche Thorheit habe begehen können.
Der Majoritätsbericht hat ven Redner schmerzlich bewegt, weil darin uner
hörte Anschuldigungen als wahr angenommen würden. Es liegt hier, fährt
er fort, eine tief angezettelte Intrigue zu Grund, um einen jungen Mann
um Ehre und Reputation zu bringe . Ich geftehe, wenn ich auf Ihren Bän-
ken säße, würde ich keinen Augenblick anstehen, über diese Sache wegzugehen.
Cine Untersuchung halte ich für nothwendig, aber deßhalb noch keine Bean-
ſtandung. Mit den Grundsätzen eines Minoritätsberichts bin ich vollkommen
einverftanden. + Es handelt fich um unbedeutende Formfehler, über die Sie
geſtern selbſt hinweggegangen sind. Zudem könnten hier die vier Stimmen
von Urwählern, um die es sich handelt, gar keinen ändernden Einfluß auf
die Wahl äußern, welche durch große Mehrheit zu Stande kam.

Baumgärtner sieht die augeblichen unerlaubten Einwirkungen der
Wabhlkommiſsſion nicht für erwiesen, vielmehr für unerweislich und verjährt
an; zudem ſind sie ihm auch unerheblich. Abegg's Beftechungsverſuch anlan-
gend, iſt der Redner der Ausicht, daß derselbe die Ueberlinger allerdings für
Iich, gewonnen habe, und zwar dadurch, daß er ſchon vor einer Reihe von
Jahren, als Mitglied der Regierung in Konftanz, sich thätig und wirksam
Mptselben angenommen nnd ihnen wetentliche Vortheile verschafft habe, so daß
er ſchon vor 8 oder 9 Jahren zur Stelle eines Deputirten in Vorſchlag ge-
bracht worden sei; durch Rath und That habe er seitdem ihr Vertrauen wei-
ter erworben. An eine unerlaubte Beftechung könne er mcht glauben, denn
das Mittel, welches Abegg dazu gebraucht haben solle, sei kokoſal unsinnig.

Wenn es auch denkbar wäre, daß dem Vr. Knöpfle, der weder Watl-
mann noch Urwähler sei, ein derartiger Brief vorgezeigt worden, so sei da-
mit noch kein Urwähler beftochen, und eben so wenig souen diejenigen, denen
der Brief vorgezeigt worden, unter die Zahl der Wahlmänner gehören. Die
Exiftenz des Briefes selbſt aber sei ja nirgends erwiesen noch zu erweisen.
Die Behauptung des Majoritätsberichts: wenn der Brief nicht von Abegg
ausgegangen wäre, sondern die Ausſtreuung nur von Seiten eines Dritten
flatigesunden hätte. so müsse, weil dadurch auf die Gesinnung der Wähler
eingemirkt worden, die Wahl verworfen werden, + findet der Redner darum
höchſt gefährlich, weil es dadurch jeder Intrigue möglich wäre, eine Wahl
ungültig zu machen. Rücksichtlich des Antrags, äußert fich der Redner wie
der Abgeordnete Trefurt, .und der Präfident ves Miniſteriums des Innern.
Er ſtimmt für Aufrechthaltung der Wahl.

Weller: Auf meine Ueherzeugung haben. nicht blos jene drei Punkte
gewirkt, die als juristische Gründe zu Umſtoßung oder Beanftandung der
Watl angeführt wurden, + vielmehr hat darauf das ganze Bild aller jener
16 Beschwerden gewirkt, die in der Petition dargeftellt find, jenes Bild der
"Corruption und der Umtriebe , vie dqmals in Ueberlingen ftatt fanden. ~
Der Redner führt aus, wie .die beiden erſten jener drei Punkte eine
solche Einwirkung von Seiten der Wahlcommiſssion enthalten, daß sie nach §.
' 56 der Wahlordnung eine Nirbtigkeit ver Wahl jedenfalls zur Folge haben
mmüſſen. Von einer Erlöſchung des Beschwerderechts der Urwähler könne da-
rum keine Rede sein, weil fie sich erwiesenermaßen bereits früher schon gegen

_ . das Verfahren der Wahlkommission beschwert hätten.

Hierauf fährt der Revner fort.: Als ich ‘den in Frage stehenden Brief zum

. erften Male las,, ven ich nunmehr vielleicht zum zeynten Male habe lesen
_ Hüren, konnte ich in dem varin enthaltenen Versprechen nichts Anderes, als

hen Versuch einer Beſtechung erkennen, .... einer Beſtechung durch Kabinets-
Us, fir. fzetletzliatÜit htider zvahl. "Es iſt mir ganz unbegreiflich, wie
k Minotität r Ubipeilung hat ESSCè… sſie erblicke hier keine Bes

ub c
's. U
th...:

ſtechung, fie sehe in dem Brief nur die erlaubte Verſicherung eines Wahl-
kandidaten über Dasjenige, was er in seiner künftigen Laufbahn als Abge-
ordneter für seinen Bezirk thun wolle. Wahrhaftig, man mußk fich abſichtlich
hlind ftellen, wenn man weiter nichts darin sehen will.

Wo spricht der Brieffteller von seiner künftigen Laufbahn? Ja, wenn
er geſagt hätte, als Abgeordneter will ich dahin arbeiten, daß Ihr diese
Dinge erhaltet, ~ so würde er etwas Erlaubtes gethan haben. Mir klingt
es als eine offenbare Verhöhnung der öffentlichen Moral, wenn man diesem
Brief einen nnſschuldigen Sinn unterſchieben und übersehen will, daß hier
nicht von der künftigen Wirksamkeit des Abgeordneten die Rede iſt, sonvern
daß den Ueberlingurn ein Lohn für ihre Wahl versprochen wird, der durch
Einwirkung bei dem Cabinet bewirkt werden soll. Worin diese Einwirkung
befteht, iſt nicht geſagt, allein Jedermann weiß, welche Verwanotſchaften ver
Wahlcandidat hat. Der Abg. Trefurt sagt freilich, er könne dieſen Brief
nicht für ächt halten, denn Abegg sei ein geſcheidter Mann, unv Unsinn könne
man von ihm nicht vermuthen. Man kennt aber das Sprichwort: dalce est,
desipere in loco. (Beifall!) Am rechten Ort unfinnig zu sein, iſt eine schwere
Kunſt, und wenn sich einer am rechten Ort dumm flellt, bleibt er doch ein
gescheiter Mann. (Hört!) Der Brief spricht für den Verftand ves Aus-
stellers; er ift dem Verftand der Urwähler angepaßt (theils Murren, theils
Zuftimmung) und daß fich der Verfaſſer die Sache richtig gedacht, bat der
Erfolg gezeigt, wenn anders der Brief ächt iſt, was ich indeſſen für jetzt
nicht behaupten witl. Der Beweis ift aber von den Bititftellern mit Zeugen
gehörig angetreten, und unsere Pflicht ift es, ihn zu erheben; eine Pflicht,
die selbſt Hr. Staatsrath Nebenius anerkennt, indem er sagte, vie Ehre des
Gewählten erforderte die Unterſuchung. Wenn dem aber ſo iſt, dann kann
man davon nicht trennen, was das Gesetz damit verbindet, nämlich Bean-
flandung der Wahl. + Ein Hauptgewicht zur Begründung der Nichtbeanſtan-
dung wird darauf gelegt, daß die Beschwerden bloß in einer Beilage enthal-
ten seien. Wenn man aber die Petition ſselbſt liest, so ſindet man darin die
Hauptpunkte aufgeführt, denn es ift dort von der groben Beftechung die Rede,
welche zu jener Zeit bei den Wahlumtrieben in Ueberlingen vorgekommen sei
und auf die Beilage verwiesen, welche richtig übergeben worden iſte Man
hat überall keinen Grund, anzunehmen, daß hier eine falsche Unterſchiebung
satitgefunden habe; überdieß wird -vie Untersuchung zeigen, oh. die Petenten
für die Beilage einftehen wollen, oder nicht. Jedenfalls iſt die Anſchuldignuanuen
von so großer Wichtigkeit, daß die Ehre des Abgeordneten, ver Kammer, ja
des ganzen Vaterlandes gerettet werden muß, dadurch, vaß solche Beſchul-
digungen von Befſtechungen und Unterschleifen nicht ohne Unterſuchung mit
einem beifälligen Lächeln dahin genommen werden.

Weiz el: Wenn sich das dem Regierungsrath Abegg angedichtete Be-
nehmen als wahr herausftellen sollte, so muß ich es, eben so gut wie ich
geſtern in einer andern Sache erklärt habe, für dumm und heuchler isch
zugleich erklären. Einem Mann von Verſtand könne es nicht einfallen, Ver-
ſprechungen zu machen, welche nothwendig zur Publizität kommen müßten,
und von denen er wohl wisse, daß er sie nie realifßren könne. Wenn eine
Handlung von so anerkannter Schlechtiakeit vorliege, die man einem Manne
andichte, so verftecke er sich nicht, wie Mathy glaube, hinter den Unglauben,
im Gegentheil bekämpfe er eine Procedur, wie fie hier vorgekommen ſei, und
die zu den abscheulichſten und allerscheußlichſten gehöre. Es wärr
nicht mehr eine Kammer, die offen vor dem Anugesichte des Volks über klar
vorliegende Thatsachen urtheile, nein, schlimmer als ein Vehmgericht wäre
eine Verſammlung, die solche Thatsachen auch nur einen Augenblick als er-
wiesen, ja nur als wahrscheinlich annehmen könnte, und nuc eine Prozedur
einleitete auf Desjenige bia, was hier in dem vorliegenden Falle geschehen
ift. Hier seien Scheußlichkeiten vorgekommen, welche nichis als Vera ch-
tung verdienten und diese sole in dem Beschluß ausgesprochen werden. Um

solche Dinge könne sich die Kammer nicht weiter bekümmern. Bei Nacht

und Nebel ſtehen drei Männer in der Ecke eines Hauses und hören einen
Brief vorlesen, der nun wörtlich in ein Aktenſtück ohne Datum und Unter-
schrift niedergelegt werde. Zwar ſei dasselbe in der Petition selbſt erwähnt,
allein wie viel habe nicht damit vorgehen können, seine Wahrheit sei sehr
zweifelhaft; jedenfalls sei die Beschuldigung eine anonyme, welche, nach dem
Jahrhundert langen Brauch von der Gerichtsſchwelle zurückgewiesen würden,

und so sollte auch die Kammer nicht dulden, daß ein Ehrenmann von einer

anonymen Clique (30 unterſchriebene Wahlmänner unv andere ehrenhafte
Bürger, vie den Brief ihrem Gesuche beifügen ?) verunglimpft werde.

. Haß die Mitglieder des Wahlcollegiums, die durch einen s mäh lich en

Zeitungsartikel angegriffen worden seien, fich bisher nicht öffentlich vertheivigt
hätten, billigt er um so mehr, als er es selbſt ſo gemacht haben würde.
Einem Cujon und Stlingel könne es einfallen, einen Artikel zu fabri-
zir en, er (Weizel) habe seinem Bezirk das Overhofkgericht versprochen, wel-
ches nach Daisbach over Berwangen kommen solle; es werde hier kein Mensch
sagen, er sei ein schlechter Kerl, wenn er nicht darauf antworte in öffent-
lichen Blättern. An geeigneter Stelle werde er es thun, und für das Watl-
kollegium liege keine andere Verpflichtung vor, als sich an die Kammer deß-
halb zu wenden, was auch geſchehen sei. Hoffentlich sei vie Zeit nicht mehr
ferne, wo das Volk selbftſtändig und mündig werde und einsehe, was von
einem solchen T err o ri s m us zu halten sei; es werde dann Kraft genug
haben, demselben gegenüber zu treten und seiner eigenen Ueberzeugung zu
folgen. Man möge die Leute wählen lassen, wie sie wollen, (ia ! ja! ganz
recht !) und verunglimpfe Niemand, wenn er nicht so wählt, wie es im Sinne
Dieses oder Jenes iſt. Wo es darauf abgesehen sei, einen Ehr en mann
moralisch toot zu mgchen, sollie die Kammer nimmermehr r ser! ~
| Forts. fgt.




 
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