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Mannheimer Abendzeitung — 1845

DOI Kapitel:
No. 176 - No. 206 (1. Juli - 31. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0779

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10. Juli

1845











Deutschland.

_ f Mannheim, 9. Juli. (Die Allodification der Lehen und
bie Ablöſung der Grundlaſten in Württemberg.) Die württembergi-
ſche Kammer beschäftigte ſich in .den letzten Tagen mit der Berathung
yon Motionen tber die Ablöſung von Zehnten, Fall-Lehen und Grund-
laſten. Die Befreiung des Bodins von Abgaben, die neben der
Staats- und Gemeindeſteuer seinen Ertrag schmälern, oder dem Land-
wirth entzichen und lediglich dem Grundherren zuweisen, iſt in unse-
rer Zeit burchaus nothwendig , indem solche Laſten, welche außer der
Größe der Leiſtung auch das Eigenthum beschränken, tie größten
Hindernisse der landwirthschaftlichen Verbisſerungen sind. So weit
per Staat oder unter seiner Leitung ſtehende Corporationen bezugs-
herechtigt sind, iſt zur Beseitigung solcher Laſten auf dem Wege der
Gesetzgebung wie des Vertrages Manches geschehen, wo aber Stan-
bes- und Gruntherren und wo die Kirche im Besitze ſich befinden,
ba haben ſich der Befreiung des Bodens Hinderniſſe in Menge ent-
gegengethürmt. In Folge dieser Verhältnisse theilt ſich die landwirth-
ſchaftliche Bevölkerung in Württemberg, wie in andern deutschen
Staatcn, in zwei Klaſſen, welche sich in ganz verschiedener Lage be-
finden. Die eine Klaſſe, auf unmittelbarem Staatsgebiete wohnend,
sah sich im Stande, Lehengut in Cigengut zu verwandeln, die Zehn-
sen abzulöſen und eine Menge von Abgaben, die ursprünglich aus
Hoheitsrechten floſſen, zu beſeitigen. Dergleichen Laſten wurten theils
unentgeltlich abucſchafft, theils mit Beihülfe des Staates abgelöft.
Die andere Klaſſe von Landwirthen, in ſtandes- und grundherrlichem
Gebiete sſitend, oder der Kirche tributxflichtig, muß fort und fort
die Laſten tragen, gegen deren Abiöſung sich die Bezugsberecktigten.
si äuben. In Württemberg ſcheint die Geſchzebung in dieser Hinsicht
. noch weiter zurück zu ſcin, als in den deuiſchen Nachbarſtaaten Bayern,
Baden und Hiſſen. Die Kammer der Sitandesherren und
der Buntesag ö hemmen tie Thätigkeit der Regierung
und der Ges gebung. Die Verhandlungen warfen auf diese
Schattenseite der württembergiſchen Zuſtände cin Licht, welches nicht
uhne Wirkung biciben wird. Mit kräftigen Worten ſchilderte insbe-
ſondere der Abgeortn:te Wieſt die Rechtisungleichheit, in deren Folge
nur die auf unmit clbarem Staategebiete wohnenden Landwirthe ihre
Vehen eigen machen, ihre Güter von Laudemien, Gülten und andern
Gruntlaſten befreien, nur sie im Bewußtsein Allod, freies Eigen-
thum, zu b:sißten, mit Muth und Luſt Kapital und Arbeit auf den
Boden verwenden lönnen, während der standes - und grundherrliche
Lehen- und Z ns-Mann ter faſt unvermeidlichen Verarmung in Ver-
zweiflung oter Stumpfsinn entgegenſieht. Aktenmäßige Mittheilungen
von Steigerung und Urberbürdung mit Feudaltaſten (gegen die
Edikte), welche die Abg. Hol zing er und Klem m aus dem fürſil.
Wallenſtein'ſchen Vezirke anführten, brachten in der Kammer und auf
den Gallerien den l:byaft:ſten Eirdruck hervor. Dagegen wurde von
dem Abg. Frueth der Standesherrſchaft Fürstenberg ehrend gedacht,
!: zs s zovtegeſrb mehrere Naturalgefälle um billige Preiſe
habe ablösen lassen. z

Hür die irdiſchen Angelegenheiten der Kirche trat besonders Hr.
Domrekan von Jaumann in die Schranken, indem er sich gegen
die Ablösung der Gruntlasen erklärte, vwras ſelbſt von der Ritterbank
aus nicht geschah. Die Geistlichkeit, bemerkte er, wirke nicht so ideal;
die Kirche brauche Mittel zu ihrer Exiſtenz und wenn man ihr die
Grundlage nehme, so stehe sie in der Luft. Wir wußten bisher
nicht, daß die Gruntlaſten die Grundlage der Kirche seien, wen gſtens
fiaden wir nichts davon im Neven Teſtament; wir hätten vielmehr
geglaubt, die Kirche werde, wenn jene Laſten abgelöst sind, auf dem
freien Boden um ss fesicr ſtejen. Es eniſpann sich zwischen dem
Hrn. Domdckan urd dem Abgeordneten R ö me r aus dieſem Anlaß
eine lebhafte Discussion über das Verhältniß der Kirche: zum Staat,
und ver Abg. Müller bat sogar die Vertreter der Kirche, sie möch-
ten ſich der Volkswohlfahrt nicht entgegen stellen. Den Standpunkt
Her Grundherren, welche ſich im Allgemeinen etwas nachgiebiger zeig-
ten als die Geiſllichen, vertheidigte inebesondere Frhr. v. Wöll-
warth, welcher behauptet, es handle ſich hier nur um wohlerwor-
be't, reine Privatrechte, um abgeſchloſſene Verträge.

Der Re ts punkt scheint uns in den Verhandlungen, so weit sie
in württembergiſchen Blättern gedruckt vor uns liegen, nicht genug
beleuchtet worten zu sein, urd doch iſt er es, auf welchen so viel
ankömmt, bezüglich auf die Grundſätze und das Verfahren bei der
Abſchaffung der Grundlaſten. Von Seiten der Volkswirthſschafſt
wird der Beweis geliefert, daß die Feudalabgaben urd Leiſtung:n ge-

genwärtig nicht mehr beſtchen können, ohne große Nachthe le für die

Landwirthſchaft, für die Gewerbe, kurz für die ökonomischen Zuſtände
der Geſammtheit. Dagegen iſt es die rechtliche Natur der Laft,
welche für die Auflöſung des bisherigen Verhältniſſes zwischen den
Berechtigten und den Pflichtigen maßgebend wird. Iſt die Laſt ent-
schieden öffentlicher Art, das heißt, trägt ste offenbar das Merkmal
einer Steuer, oder einer Leibeigenſchaftsabgabe, oder eines Hoheits-
rechtes, so kann der Pflichtige nicht zu einer Entschätigung angehal-
ten werdenz vielmehr iſt der Staat virbunden, jenem die Laſt unent-
geltlich von den Schultern zu nehmen, und der Berechtigte hat eine
Entschädigung nicht vom Pflichtigen, sondern, wenn überhaupt, nur
aus den Mitteln der Gesammtheit anzusprechen. Beruht dagegen die
Laſt auf einem reinen Privatvertrag zwischen beiden Theilen, so iſt
die Entschädigung, wenn ſie nicht in dem bloßen Aufhören einer Ge-
genleiſtung z. B. eines Waldservituts, besteht, allerdings von rem
Pflichtigen zu tragen; ein Staatsbeitrag kann diesem den Abkauf er-
leichtern und erſchernt auch angemesſen, wenn das Aufjören der Laſt
nicht bloß für den Fflichtigen, sondern für. die Gesammtheit Vortheile
bietet. Ist endlich die rechtliche Natur der Laſt nicht mehr mit Be-
flimmtheit zu ermitteln, ein Fall, der gar häufig vorkömmt, sſo wird
eine billige Theilung der Entſchädigungeleiſtung zwischen den Pflich-
tigen und der Geſammtheit allein zum Ziele führen. Wäre die
Kammer von tieser Seite auf den wichtigen Gegenstand tiefer einge-
gangen, so würde sich ohne Zweifel herausgeſt llt haben, daß die Be-
hauptung tes Frhrn. v. Wöllwarth, es handle sich hier um reine
Privatrechte, nur von dem weitaus geringſten Theile der betreffenden
Laſten würde bewiesen werden können. Es würde sich ferner ergeben
haben, daß die Regierung, eben weil der größte Theil der Grund-
laſten öffe ntli cher oder gemiſchter Natur ist, um so mehr die Ver-
pflichtung hat, den Wiverſtand gegen die Abschaffung derselben auf
gesctzlichem Wege zu brechen und dafür zu sorgen, taß der Boden
Württembergs ein freier Boden werde. Anlaß dazu geben schon die Be-
schlüsse der Kammer, welche in der Sitzung vom 2. Juli um ein
Gesetz über Allodifikation der Fall- Lehen und vom 4. Juli um ein n
weiteren Geſetzentwurf bat: durch welchen ein besonderer Maßf-
ſtab feſtgeſctzt würde in Eeircff der Ablösung aller auf dem Grund-
eigenthum nech haftenden ständigen und unſtändigen Renten, und zwar
in der Richtung, daß turch Staaisbeiträge zu Gurſten der Grund-
Holden von Gemeinden und Stiftungen, so wie von Privaten, die Ab-
löſung erleichtert werde.

Köln, 6. Juli. (Fr. O.-P.-A.-Z.) In Bonn hatten einige
Schüler der mittlecn Klaſſen des Gymnasiums einige den König b:-
leidigende Verse auf einer Handpreſſe gedruckt und, wie es heißt, an
den Ecken angeschlagen oder sonst verbreit. t. Die Thäter wurden zur
Untersuchung gezogen, toch hat der König die Untersuchung niederge-
ſchlagen, alle Strafe geschenkt und sie sind mit einem derben Verrreise
von Seiten des Staatsprocurators davongekommen.

F© Verlin, 5. Juli. Der Zwicſpalt, der im Minifterrath
ausgebrochen iſt und noch gegenwärtig rarin herrſcht, ſcheimt einen
noch ticfern Grund zu haben, als die doch immer nur plögtlich ent-
ſtandene Beranlaſſung der Ausweisung der badischen Deputirten, die
allein zur Rechtsfrage zu machen unsere Miriſter schwerlich im
Sinn haben würden. Sie sahen in ihr aber den Ausbruch eines
Syfſtems, das von dir „kurmärkischen Partei". schon seit längerer Zeit
vorbereitet wurde und durch dieſe Ausweisung plötzlich zur Herrschaft
gebracht werden sollte. Dicſses Syſtem sollte ein rein preußisches
sein und dazu dienen, Preußen vor der unbcquemen und gefährlichen
Verbindurg mit dcm südwestlitzen Deutschland zu befreien. Inwie
.weit man dabei auch an eine Loslöſung von dem Zellverein dachte,
fann man nach dem, was man darüber hört, noch nicht darthun;
doch wäre és nicht unmöglich, daß man geſonnen gewesen iſt, fich
der gewiß eintretenden Erhöhung der Schutzzölle zu widersegen und


 
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