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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 299 - No. 328 (1. November - 30. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#1263

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Diplomatiſche Actenftücke über den Zolverein,

Aus dem Hannover’ſchen, Wenn der Graf Aberdeen in
einer famöſen Note an den Grafen Westmoreland, betreffend die aus-
wärtize Politik des Zollvereins, den bisherigen Status quo als ein
England zuftehendes Recht in diplomatischem Wege reclamirte, so ift
die Publikation dieser Note ein zweiter, wenig bedeutender Borschritt
britischer Agreſſion. Es genügte England nicht, in der Enge und
Stille diplomatischer Kreiſe, gleichſam als Privatzugeſtändniß, seine
Forderung geltend zu machen. Dazu war der Inhalt zu mächtig. —
Es ſollte sein Recht ein öffentliches Recht sein, vor ganz Europa durch-
geführt und consolidirt durch öffentliche Unterwerfung, durch eine wenn
auch murrende Ergebung , allgemein anerkannt und befeftigt. In je-

ner Publikation , die als nothwendige Consequenz des agressiven Prin-

zips ſich von selbſt verſteht, ca dieses erſt hierin seine rechte Bedeu-
tung, bat blos eine viplomatische Indiecretion zu suchen, kann nur der
erſchrockenen Schwäche einfallen, die das consequente Walten einer
energiſchen Macht nicht begreift, nicht daran glauben mag und vor
fich ſelbſt Ausflüchte sucht, um das Mißliche seiner Lage fich nicht
eingefichen zu müſſen. Der Berlizer Correſpondent in Nr. 560 der
Weser Zeitung war gewiß gut unterrichtet, wenn er von dem hohen
Mißfallen spricht, das die Veröffentlichung jener Note hervorgerufen.
Muthmaßlich fteht es hiermit im Zuſammenhang, wenn Preußen jetzt
ein Zirkularſchreiben an die Mitglieder des Zollvereins erließ, um
zur Beschickung einer neuen Conferenz, die demnächst in Berlin zu-
ſammentreten ſoll, einzuladen, mit dem Ersuchen, die dazu beauftrag-
ten Bevollmächtigten mit weitern und ausgedehnten Inftruktionen zu
versehen. (Wiſer-Zcitung Nr. 559.) Der ſchwarze Adler mag nicht
Sperlingseirr, mag nur Adlerseier brüten. Es ift gut, daß in
Karleruype Nichts zu Stande fam, und in Berlin, wo jenes hohe
Mißtatttn rinen Ausgang sucht, unmittelbarer die neue Baſis gewon-
nen wiro!!

Die britiſche Note nimmt in Deutschland die Schuylosigkeit und

| Lähmung aller productiven National- Bewegung, also die bisherige
VBerſorgung Deutſchlands mit briiiſchen Erzeugniſſen und fremden Co-

lonialen, die fernere Verzichtleitung auf irgend aktives Sein, als er-

worben:s Recht in Anspruch und proteftirt als unbefugt wider jede
[Maßregel, die den britiſchen Intereſſen zum Natchtheil, mithin den
| deutschen Intereſſen zum Aufschwung gereichen möchte. Faſſung und
| Inhalt jener Note iſt nicht unähnlich den Erlaſſen an die gesetzgebende
. Versammlung irgend einer seiner Colonien.

Was ift denn dieſe in Deutschland so viel verkanrt: Größe,
was iſt Handelepolitik?é –~ Nun, die Kunſt, auf Koſten seiner Nach-
barn zu leben, reich, angesehen und mächtig zu sein, selbs bis zum
Uebermuth der Aberdeen'ſchen Note. Deutschland blickt meift gliich-
güſtiz auf Handelspolitik, wie der Wilde auf eine Druckſchrift, hat
aber Nachbaren, die alle Meiſter in dieser Kunſt. Engländer. Hol-
länder, Franzoſen, Ruſſen, Spanier u. s. w. sind die Acteurs, und
Deutschland iſt das Theater. Freiheit! O süßer Klang! Welchen
Jaubrr wirft dein Name auf alles dir Verbundene. Gaffreiheit,
Handelsfreiheit, Alles einerlei! Deutſchland, so weit es aus Grün-
den nicht auswandert , arbeitet und wühlt in seinem Boden , um gaft-
frei, handelsfrei seine Tafel für gechrte Gäſte zu decken, und gibt
ihnen gelegentlich überher noch Fete, fat größer als die fetirten
Gäßte selbst. Es ißt etwas Schönes, etwas Rührerdes in dem roma-
tischen Zug, an der Gemüthswelt im deutschen Wesen , um die
Sttckenpferde alter, wenigstens mittelalterlicvher Race, die jetzt auf
allen geiftigen Gebieten Drutschlants hirumgaloppiren. Ihre Quarrille,
scheint és, will erſt abgeritten sein, ehe sie ihr nüchternftes Gegentheil,
die Handelspolitik, die Praktik des Lebens zu Worte kommen läßt.
Wenn nicht Graf Aberdeen auf die heißen Köpfe eiwas kalt's Wafſcr
gegoſſen hätte, wer weiß, ab dann auch nur tieſer arme Artikel einen
Leser fände! Die Aberdeen'ſche Note abrr hat ihr Gutes, ihr uner-
meßlich Gutes, ſobald auf diese H:rausforderunz der s{<warze Adler
gerechte Satisfaction genommen und seine Fänge eingeſegt haben
wird. Weshalb richtete die britische Diplomatie nicht ähnliche Präten-
onen gegen Oesſtreih, gegen Rußland, gegen Frankreich? Etroa
„um fühlen zu laſſen, daß ein Unterſchied beſtebe? Preußen aber wird
zu fühlen geben, daß ein Unterschied nicht beſteht. Nur weit ab vom

Rheiniſchen Beobachter, welcher nicht erröthet zu behaupten: Aberdeen
habe ganz Recht, nur nicht gegen Preußen, sondern gegen das übrige
Deuisſchleand, das es noch erleben werde, wohin es führe, die In-

duftrie:Jiitereſſen voranzuftellen und diesen die bisherige Baſis dre

Nation, die weltberühmte deutsche Haudelsfreiheit aufzuopfern. – Es
iſt ein igenthümlichrer Sprachgebrauch in der Diplomatie, niemals
von englischen Induftriellen, nicht einmal von einem induftriellen Eng-
land, ſondern nur von England schlechthin, als indentische Bezeich-
nung für englische Induftrie –~ oder von englischer Induftrie , eng-
liſchem Handel als identiſche Bezeichnung für England selbſt zu sprechen,
in Beziehung auf Deutschland aber einen entgegengesettten Sinn in
die nämliche Ausdrücke zu legen, und unter dem Voranftellen der In-
tereſſen der deutschen Indufirie, des deutschen Handels nicht die active
Selbfifßändigkeit Deutschlands, sondern nur die Privatangelegenheit
eigernütziger Fabrikanten und Kaufleute zu verſtehen. An den Federn
erkennt man den Vogel, an der Form den JInhalt, weshalb diese
Aeußerlichkeit, die übrr das Inner- irre führen, nicht so gleichgültig

ſind. (Schl. Z.) /



Deutſchland.

*Manuheim,31. Okt. Zuhörer der Vorlesungen tes Hrn. D. Röth
ersuchen uns um Veröffentlichung nachftehender Mittheilung. Wir er-
achten den Haupteinwand der Unrichtigkeit unserer Korreſpondenz in
Nr. 297 unter den vorhandenen Verhältnissen für wichtig genug, um
von den Märgeln und Unziemlichkeiten dieser Entgegnung hinskchtlich
der Aufnahme derselben abzusehen, sie liegen übrigens klar vor und
unser Hr. Korreſpendent in Nr. 297, deſſen Berichte wir gerne un-
sere Spalten öffneten, wird nicht ermangeln, nöthigenfalls Weiteres
zu erwiedern. Die Entgegnung lautet: ji:

Heidelberg, 30. Okt. In der . heutigen Nummer der
„Mannheimer Abentzeitung-/-, hat ein Correspondent von hier über
die erse Vorlesung des Hrn. D. Röth über „Geschichte der Philo-
so phi e des Mittelalters., Brricht erftatte. Weil wir von der Treff-
lichkeit des Vortrags überzeugt sind, so sehen wir uns veranlaßt, im
Intereſſe der Sache gegen die Darftellung des „welt weise n- Cor-
reſpondenten zu protefsiren. Derselbe hat zwar einzelne Gedanken
Röths mitgetheilt, allein dieselven, hingerissen von seiner produktiven
Phantafie, mit einer solchen Macht eig ener Ingredientien versetzt,
daß man Mühe hat, Röths Vortrag daraus zu erkennen.
Außerdem wird Niemand glauben, daß ein so nüchterner, klarer
Denker, wie Röth, in einem so bombaſtiſch-ſchwülstigen, sogar Jahns
Sprechweise kar ikirirendem Tone über Philosophie, ~ (nicht „Welt-
weisheit, wie sich ter Correſpondent Herrn Röths Ankündigung
zu übersetzen erlaubte,<) ~ ausgesprochen hat. Sollte der Corre-
spondent sich wieder einmal veranlaßt sehen, über Vorträge zu be-
richten, so möchte er vor Allem getreu referiren, und nicht eigene
Gedanken. Anderen unterschieben.

Freiburg, im Okt. (Oberrh. Z.) Jesuiten in B aden! Wer
noch je daran zweifelte, der lese die Ankündigung und dringende Em-
pfehlung eines bei Wangler dagier gerruckten Büchleins in dem hie:
sigen ultcamontanen Kirchenblatt: . Herbftblätter für die Zeit, die
Zeitlichen und Zeitigen! Von einem bad iſchen Jeſuite n. Er-
ſtes Bändchen. 88 S. 24. fr." Wir paben zwar das Ding noch
nicht gelesen, werden's auch ſchwerlich thun, dern die Südteutſche em-
pfichlt es mit aller Fülle des Lobes und wünscht nur, es möchten recht
viele solche Jesuiten im Lande sein. Als wir den Titel lasen, hielten
wir es zuerſt für eine Satyre, aber das Lob dieſes frömmſten der
Blätter überzeugte uns , daß es wirklich das Werk eines Jeſuiten sei
und zwar eines badische n Jesuiten. Wir waren zwar ſchon längft
überzeugt, daß wir Jesuiten im Lande hätten, aber die Ultramonta-
nen läugneten es und nannten es JHſuitenriecherei. Zitzt aber
Dank ver Nachgiebigkeit ter Regierung! ~ läugnen sie das Dasein
derſelben nicht nur nicht, sondern treten ofen mit riesen Namen her- |
vor, und glauben schon eine Empfehlung threr Trafktätchn darin zz
finden, wenn fie den Jeſuiten auf ren Tit:l segen. Man ſtcht daraus,
wie ſehr dicſer Partei der Muth gematchſ.n iſt, denn offen tritt Se nur
vann auf, wenn fie sichern Boden glautt zu haben. Es sollte uns
nicht wundern, wenn Dr. Eremités dem näctſten Landtag eine Prett-
tion um Tinführung der Jesuiten überreichen sollte. Inzwischen aver


 
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