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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 1 – No. 30 (1. Januar – 31. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0093

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Freitag



2 1. Januar



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tion Auskunft zu ertheilen
hat, die Zeile oder deren
Raum 4 kr. + Briefe
, und Geld erbittet man
franco.

1815



Landtagsverbandlungen.

*r Harlsruhe, 14. Januar. 135. öffentl. Sitzung. Herftellung der

Preffreiheit. (Forts.)

f Mathy fährt fort; Entweder find die deutschen Zuſtände wirklich so, daß
Strafgeſeße und Gerichte ſie nicht schützen können vor den Gefahren der Presse,

dann sind sie jämmerlich schlecht; dann leidet die Nation an politiſchem Blödſinn.

Oder die Zuſtände ſind nicht so schlecht, daß eine freie Presſe ſie gefährden würde,
dann dürfen fie den Schutßß gegen den Mißbrauch nicht länger in die Vernich-
tung des Rechtes, ſie dürfen ihn nur in den Geseßen und den ordentlichen Ge-
richten suchen.

Bleibt sonach weder die Behauptung, daß die Cenſur, ohne dem
Guten Abbruch zu thun, nur das Schlechte unterdrücke, noch die Lüge, daß
ſie durch Nothwehr geboten sei, ſo hört man gegen ihre sofortige Abschaffung
Q den letzten Grund anführen: ver Bundestag sei es, welcher die deutsche Prefſse
maßregele, von ihm habe sie auch ihr küunfliges Schicksal zu erwarten, die ein-

zelnen Regierungen könnten bei dem beften Willen nicht helfen. – –~ –~ JIc<

meinerseits kin nicht genug bewandert in den Rechten, um derlei tiefe Lehren zu
begrcifen; mir däucht vielmehr, die Regierungen hätten nicht nur die Pflicht,
sondern auch die Macht, die Preſſe frei zu geben, es fehle ihnen nur am Willen.

Eine beſſere Willensrichtung aber wird sich Bahn brechen, sobald man sich
nicht mehr wird verhehlen können, daß die Wirkung der bisherigen Maßregeln
nicht die erwartete gewesen, daß ein Heilmittel gegen bedrohliche Erscheinungen
und wirkliche Gefahren nur in geſetlicher Freiheit gefunden werden kann.

Möge diese von den Verſtändigen nie bezweifelte Wahrheit endlich auf die
deutſche Preſſe Anwendung finden, ehe es zu ſpät iſt. ;

In unserer Zeit ifl es nicht mehr politiſch klug, in der Dunkelheit Schuß -

zu suchen; man muß zum Lichte, zum vollen Lichte der Oeffentlichkeit sich wenden,
in ihm muß man alle Erſcheinungen prüfen, aus ihm ihre Natur und ihren
Werth erkennen lernen. Wer fich jettt noch bemüht, die Läden verſchloſſen zu
halten, alle die Spalten zu verkleben, durch welche Licht in den Wohnraum der
Geſsellſchaft bringt, ~ der beweist nur seine Ohnmacht und seine Unfäbigkeit.
Was hilft all’ das ängstliche Streichen, Nachfreichen, Verbieten, Wegnehmen von
Stchriſten aller Art? Vergebliche Arbeit, eitles Bemühen! Heut zu Tage findet
vie Wahrheit mehr und mehr offene Ohren und warme Herzen; ihre Verkünder
ſinden allgemeiner: Theilvahme und Hülfe gegen Verfolgung. Heutzutage erzeugt
der Preszwang nicht mehr Spott und Aergerlichkeiten allein, wie Schlözer von
ben Zeiten vor der Revolution sie ſchilderte, nein, er treidt auch ſtrebende Ge-
wüther, begabte Dichter zum unbedingten Berncinen alles Beftebenden, weil das
Beſtehende den Gedanken und seine Berechligung ebenfalls verneint.
1

_ vn Roch ift es Zeit- ~ sagte unlängst ein franzöſiſcher Staatsmann in Be-
ziehung auf einen größeren deutschen Staat, + Verheißungen zu erfüllen, die
aus hohem Munde gefloſſen, sich ſtets in Thatsachen verkörpern sollten. Man

gebe volle Befriedigung der Bedürfniſſe nach Oeffentlichkeit, welches in Europa
allgemein geworden; eine öffentliche Rednerbühne, eine freie Prefſe würden ganz
zewiß verläßigere Schußweyre bilden für den Thron, als Feſftungen am Rhein
wund Gefängniſſe in Schlefienn. '

. Des Secgens der Liebe und der Verehrung der Nation können hinfort nur
diejenigen Fürflen und Staatsmänner thyeilhaftig werden, welche Will-
kur und Bedrückung aus dem Syſtem der Regierung entfernen, Gesct und
Hxeiheit als unzertrennliche Grundlage eines gesunden Staatslebens werkthätig
„fördern. So wie iüngft erſt in Griechenland, nachdem es, zu seiner aber nicht
zu Deutſchlands Ehre, die Baiern los geworden, in seine Verfassung schrieb:

î Art. 9. Die Presse iſt frei und jeder Grieche hat das Recht, seine Anſichten
_. Hurt dieſelbe bekannt zu machen unter Beobachtung der Gesetze des

j Landes. Die Censur ift nicht geftattet; ;
so wie im vorigen Jahre der Minifter Guizot in den stürmischen Adreßdebatten
U7 terven Upgrittea gegen seine Geſinnung und Handlungsweise die. ein-

. „Ich habe für die Preßfreiheit gekämpft-« .
ait Erfolg enigegeſetzte;: so kann auch eine deutsche Regierung und einc dsutsſcher
Staatsmann Thron und Vaterland und ſich selbft mit keinem beſseren, 'ja mit
leinen andern Schilde deden, mit keiner tüchtigeren Waffe ausrüäften als mit
der Freiheit der öfentlichen Meinung unter dem Schutze des Gesctes. Und in-
dem deutsche Regierungen der Ration das Schloß von dem Munde vuehmen und
idem Geifte die Kerkerpforte öffnen, damit er im Freien fich ergehe und zum
Ur res Harzeree e!rteqeten. fe damit ?ue heiltze Pflicht erfällen,
„zo le . erer, nicht Uumſturzer, ſondern Wiederherfteller und E

des Rechtes, das da r igt. zn! in der Bruft jedes. U trfe. in ; Ette!tte

geſche des deutschen Bundes und in den Verfassungen der conftitionellen

_ Staaten.

Und so, meine Herren, handeln auch wir, so weit es an uns ift. Ja,

wären wir , wofür böswillige oder bethörte Gegner uns erklären, wären wir

cine Partei des Umſturzes, wir könnten nichts Besseres thun, als uns jenen

Afterdiplomaten und Herolden des Mandarinenftaats anschließen, welche mit ;

dem Löſchhorn hinter jedem Geiſtesfunken herlaufen, durch fortgesetzte Unter-
drückung des Lichtes ein unterirdisches Feuer schüren und Dicjenigen verfolgen
welche die Gefahr verkünden, um Hülfe zu ſchaffen.

Weil wir aber nicht den Uutergang sondern die Wofllfahrt des Vaterlan-
des wünſchen, darum begehren wir den freien Gebrauch der Presſſe zurück, der
den Deutichen so unentbehrlich iſt, wie jeder andern Nation, der uns zugesichert
iſt, den die Badener geseßzlich erlangt hatten und der uns «cntriſſen

worden.

Darum können wir uns auch nicht zufrieden geben mit einer sogenannten
milden Cenſur. Ein milder Zwang eine seidene Schnur , ein leiſer Druck, ein
sanfter Tod, – das sind Vorrechte der türkiſchen Paſcha’'s und der perſiſchen
Großen, die, auf einem Teppiche liegend, die Baftonade empfangen. Solche mo-
derne Wohlthaten mögen ihre Spender für sich behalten; der Deutſche be-
darf ihrcr nichtz er iſt cingedenk der Worte seines großen Kant:

„Jedenfalls Iände es beſſer um die Menſchheit, wenn man sich we-
niger auf Gnade und dergleichen Tugenden oder Schwächen vurrließe,
ſich deſto entſchiedener aber auf Gerechtigkeit ftütte.- '

Eben darum, weil wir nur Gerechtigkeit begehren, können wir uns auch
nicht abschrecken laſſen durch die angebliche Unmöglichkeit, ſie zu erlangen. Will
man uns denn glaubbar machen, es sei eine göttliche Fügung, ein Naturgesct , irgend
cine dämonische Gewalt, welche die deutſche Nation zur Geiſtesknechtſchaft ver-
damme! Sind es nicht Sterbliche, die uns das Joch aufladen und soll auf Er-
den Alles möglich sein, nur nicht, das den Deutiſchen Gerechtigkeit werde.

. Zwei Augen, die sich schließen, ein Kanonensſchuß, der in einem fernen Win-
fel der Erde fällt, – das ſind Ereianiſse, welche in ihren Folgen ganz Europa,
den ganzen Erdzkreis erſchüttern können. Und das janabläsſige Verlangen einer
großen Nation nach endlicher Gewährung eines feierlich zugesicherten, zu ihrem
Lebe. unentbehrlichen Gutes, sollte für alle Zeiten wirkungslos verhallen!

Märe dieß. nun dann, so mögen die Ereignisse entscheiden und die Ge-
schichte wird ihr Urtheil sprechen; sie iſt gerecht, wir aber dürfen uns nictt ab-
halten zs zu thun, was wir uns, was wir dem ganzen deutschen Volke

uldig sind. jz: ;1
ſ< Ul ! iſt es, wie der Tag, daß alle die Ausnahmsmaßregeln zur Erhaltung
der Ruhe und Ordnung in Deutſchland, nichts erhalten haben, als Ohnmacht
und Schwäche; daß nichts dadurch verhindert wurde, als das Gedeihen des
Vaterlandes. z

So lange der Ausdruck und die Mittheilung des Gedankens nicht gesctlich
frei, ſondern nach Laune unterdrückbar iſt, so lange Einrichtungen beßtehen,
welche mit dem Eigentbum an den Erzeugnissen der edelften deutschen Erfindung,
der Preſſe, ein frevelhaftes Spiel treiben: so lange kein Ansehen, keine Kraft,
kein Heil für das Vaterland! – ' '

Ich ſtimme für die Herftellung des freien Gebranches der Priſſe. – (Al-

gemeines stürmiſches Bravo!) (Schluß folgt.)



Deutſchland.

_ [&] Dresden, 17. Januar. Während noch allenthalben das
Gerücht umläuft, die Regierung habe eine slren; e Cenſurverschär-
fung und Inftruction wesentlich des Inhalts erlaſſen, daß von Ronge
selbſt verfaßte Schriften und Aufsätzen keine Aufnahme in die Jonr-
nale, noch Verbreitung durch Dru sonst zu gewähren sei, über den-
ſelben jedoch unter Beobachtung der bestehenden Vorschriften geschrie-
ben werden dürfe, widerlegt die so eben bei Reclam in Leipzig er-
scheinende ,, Rechtfertigung - von Johannes Ronge thatſächlich jenes
Gerücht. Es enthält jene Rechtfertigung neben einer kurzen Bio-
graphie des Verfassers, die Actenstücke seiner Amtsentsegung und
Excommuniräaton. Man. ¡;lkeſe z. B.. vir HBritfe von
Schneeweilé,, die Unterhandlungen mit Ritter, Latuſſek.
Als etwas ganz Neues erfahren wir auch, daß Ronge nicht blos
wegeu des bekannten Artikels in den Vaterlandsblättern, sondern
auch –~ man höre und erſtaune nicht ~ wegen seinen unjchicklich
langen Haaren und auffallender Kleidung seines Amtes entsetzt wor-
den iſt. Entsetzliche Berbrechen, die selbſt in dem Zeitalter des Zop-
fes ihres Gleichen suchen. Der Abſagebrief des Profeſſors Regen-
brecht zu Breslau an den Weihbiſchof Dr. Latuſſek über die Beſtre-

bungen des katholischen Clerus Preußens in der Richtung, in welcher

das Breslauer Domkapitel ſich an denselben betheiligt hat, hat hier
allgemeine Anerkennung gefunden, circulirt in vielen Abdrücken und
wird auch von einzelnen Journalen mitgetheile. – –


 
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