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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 268 - No. 298 (1.October - 31. October)
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1545











Der Einfluß der Oeffentlichkeit auf den
Polkscharakter,

Der k. sächsische Staatsminiſter v. Könneritz findet nach seiner
Erklärung in der zweiten Kammer die Oeffentlichkeit dem Volkscha-
rakter nachtheilig, weil „die Richtung des Menschen gegenwärtig
so sehr darauf hingeht, stets nur ſtarke Gemüthsbewegungen zu su-
cen, und zwar nicht durch Vorführung des Edeln, Erhabenen und
Schönen, sondern durch Vorführung der Verbrechen, durch Herab-
fteigen in den Kreis des Schlechten und Niedrigen, weil man Ver-
gnügen daran findet, sich an dem Anblick des Verbrechers, seiner
Qual zu weiden, an dem Scandal Befriedigung zu finden.-- Ab-
gesehen davon, daß die Neigung zu starken Gemüthsbewegungen un-
serer Zeit und besonders dem deutschen Volke nicht eben charakteri-
ſtiſch iſt und ſich in andern Zeiten und bei andern Völkern viel
schärfer ausgeprägt findet, so iſt dieſe Neigung an sich der zu mat-
ten und weichlichen Gefühlsgenüſsen gewiß vorzuziehen und ist ge-
xade Völkern von großartigem Charakter eigenthümlich. Wenn man
freilich die Gemüthsbewegung durch Herabsteigen in den Kreis der
Schlechien und Niedrigen sucht, wenn man sich an den Qualen des
Berbrechens wei det und ein Vergnügen daran findet, am Scandal
Befriedigung zu finden, so setzt dies eine große öffentliche Verdor-
benheit voraus. Ob man diese Voraussetzung bei dem deutschen
oder sächsischen Volke machen kann, ist gewiß fraglich. Das aber
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schem, sie sind auch von politischem Interesse im weiteren
Sinne, da man sie als Symptome krankhafter Zuſtände im Volksle-
ben zu faſſen hat. Die Beobachtung derselben iſt demnach wichtig

und nützlich und höchsteus für die Unreife und Schwäche gefährlich.

Es gibt aber überall keinen schwächrren Schirm für die Unschuld als
die Unwissenheit, während die Kenntniß des Gefährlichen die
wahre Waffe dagegen iſt. Cin Volk in der Unschuld, der Unwis-
senheit erhalten zu wollen, iſt um so unwürdiger, als es unmög-
lich iſt und nur Vorwand sein kann. Wir ſtoßen hier auf dieselbe
Sucht, der man auch in andern Gebieten begegnet, nicht das Uebel
heilen, sondern die Symptome desselben unterdrücken und verheimli-
<en zu woklen. Die wirkliche Heilung der krankhaften Zuſtände des
Volkslebens ist nur durch die offene Darlegung und allgemeine
t derselben möglich; ein Volk kann sich nur durch sich selbst
geſund erhalten.

Um. den Einfluß des öffentlichen Gerichtsverfayrens auf den
Bolkscharakter zu würdigen, mag man ſich zunächſt den des heimli-
<hen vor die Augen stellen. Di- Furcht vor dem Recht, als einer
geheimnißvollen Macht, die auch den Usschuldigen und Gleichgültigen
verfiricken und verwickeln kann, erzeugt eines Theils Feigheit, wo
es gilt, das Recht zu vertreten und geltend zu machen. Der so ver-
breitete, gemein- egoiſtiſche Grundsatz: sich in Nichts zu mischen,
was nicht direkt die eigenen Intereſſen berührt, um ſich nicht Unan-
nehmlichkeiten auszusetzen, ift größtenthcils eine Folge des geheimen
Gerichtsverfahrens. Auf der andern Seite erzeugt dasselbe eine ni e-

Ydrige Schlauheit, die ſich nicht scheut und einen Triumph darin
ſucht, die durch zufällige Praxis erworbene Kenntniß der Rechtsformen
zum Schaden Anderer auszubeuten. Wo das Vertrauen zum Recht
fehlt — und bei dem heimlichen Verfahren fehlt es mehr oder min-
der immer — bildet ſich eine raſfinirte Weiſe der Selb st hülfe aus,
die alle Sittlichkeit untergräbt. Im Recht liegt die Möglichkeit
ver freien Sittlichkeit, und daher iſt ohne den Glauben an das Recht,
der im Volke lebt, der ſitiliche Geiſt desselben gebunden. – Dagegen
erhält durch die Oeffentlichk it des Rechisverfahrens der Einzelne das
Bewußtsein, daß die unrechte That nicht nur Verletzung des Einzel-
nen, sondern der Ges ammtheit iftz er gewöhnt ſich, seine Hand-
lungen im Verhältniß zum Ganzen, zur Geſellſchast zu betrachten und
wird eben dadurch wahrhaft sittlichen Motiven zugänglich. Die
' Defsentlichkeit erzeugt ferner eine Begeiſterung des Rechts, die
Wen Einzelnen treibt, sich und Andern auf jede Gefahr und Unan-

nehmlichkeit hin Recht zu verſchafen. Die Ausübung des Rechts
bleibt nicht die Sache eines beftimmten Standes und der Behörden,
ſie wird die Sache Aller.

Das öffentliche Rechtsverfahren iſt vorzüglich geeignet, das Volk
zu der Theilnahme an den allgemeinen Angelegenheiten überhaupt zu
erziehen, und diese Theilnahme rottet den feigen Egoismus und die
Beschränkung auf die eigenen kleinen Angelegenheiten, den Kleinlich-
keitsgeiſt überhaupt aus. Ein Volk wird durch das öffentliche Rechts-
verfahren immer muthiger, großherziger, offener und wahrer. Es legt
die Rückſichten, die Zurückhaltung, die Scheu vor den -„„Vornehmen-
ab, es bildet sich den Charakter und die Manieren eines freien Vol-
kes an. Freilich iſt die Frage, ob man diesen Einfluß überall für
einen vortheilhaften anerkennen wird. (Sächs. BVtrldsbl.)



Deutſchland.

* Mannheim, 14. Okt. Die A. Alg. Ztg. enthält folgenden feuer-
eiferlich-nationalen Artikel aus K arl sr uh e, 9. Okt.: „Jn der Nr. 280
Ihres Blattes fteht die Nachricht, daß der brittiſche Gesandte den
Mitgliedern der Zollkonferenz im Englischen Hof dahier ein glänzen-
des Gastmahl geben werde, was allerdings dem Ausgang dieser Kon-
ferenz das Siegel aufgedrückt hätte. Der britische Gesandte if von
Stuttgart hieber gekommen und hat die Mitglieder dieſer Konferenz
zu einem Feſtmahl eingeladen, welches am 6. Okktbr. ftattsinden sollte.
Auf den Antrag mehrerer süddeutſchen Bevollmächtigten aber iſt dieſe
Einladung einstimmig abgelehnt worden. Nur die gänzliche Verach-
tung deutschen Ehrgefühls konnte es sich möglich denken, daß nach
dem für die deutsche Indutrie so hoffnungslosen. Erfolg dieses Kon-
greſſes die Bevollmächtigten von Bayern, Württemberg und Baden
ſich zu einem englischen Feſtmahl setzen würden, um mit dem britti-
schen Agenten auf die Fortdauer der bisherigen entente corditale
anzufſtoßen.

; Heidelberg, 13. Oktober. (Oberrh. Z.) Gestern Nachmittag
kam die Deputation von Karlsruhe wieder zurück, ohne jedoch eine
beſtimmte Antwort mitzubringen, da erſt heute der Recurs im Mini-
flerium zur Vorlage und Besprechung kommt. Zur Beschleunigung
des Entſcheivs fanden ſich deßhalb die Urwähler des 6ten Difſtrikts
veranlaßt, auch ihrerseits eine Vorftelung an das Ministerium: des
Innern, die Siſtirung der Wahlen betreffend, folgenden Inhalts zu
ſenden (wir theilen die Borftellung hier mit, weil aus derſclben wohl
am Rictttigſten die Sachlage erkannt werden kann): „Durch Beschluß
der Wahlcommission war Montag, der 13. d. M., zum Watltag
für unsern Diſtrikt beſtimmt, und es hatten bereits Vorberathungen
unter uns ſtatigefunden. Zu unſerm größten Befremden werden wir
heute, am Tage vor der Wayhl, durch eine oberamtliche Bekanntma-
chung benachrichtigt, daß die Wahl ausgesetzt sei, bis über die Streit-
frage in letter Instanz entſchieden sei, ob die Wahlzettel öffentlich
eingesehen werden dürfen oder nicht. Diese einhaltende Verfügung
erging von hoher Regierung des Unterrheinkreiſes g eg en die Ansicht
des großh. Oberamts Heidelberg und auf den Antrag zweier Advoka-
ten, welche bisher alle Mittel aufgeboten hatten, um ihre Wahlmän-
nerkandidaten durchzusetzen, in unſerm Waßhlbezirke aber weder stimm-
berechtigt ſind, noch Vollmacht von einem Stimmberedhtigten vorlegen
konnten. Die Eröffnung der Kammern wird bald erfolgen. Die
Streitfrage, welche noch entschieden werden soll, iſt aber von der höch-
ſten Wichtigkeit, hat noch alle Staatsfſtellen zu durchlaufen und be-
darf der reichlichſten Prüfung. Wenn unſere Vertretung in der Kam-
mer bis zu dieser Entscheidung ausgesetzt bleiben soll, so dürfte ein
großer Theil des Landtags verftreichen, ohne daß Heidelberg vertreten
wäre. Daran ſcheint freilich den beiden Herren wenig zu liegen ~
uns aber, den Urwählern, liegt daran, unsere verfaſſungsmäßigen
Rechte auszuüben, und wir bitten hochpreißliches Miniſterium, uns
darin zu schütten und die hemmende Verfügung der großb. Kreisre-
gierung schleunigſt aufzuheben. Heidelberg, 12. Okibr. 1845., (Fol-
gen die Unterschriften.) Die Entscheidung wegen dieser Wahlfiſtirung
werde ich Ihnen zur Zeitmittheilen.

Aus Baden, 10. Oktbr. [ Oberrh. Z.) Der yrooisorische
Zuſtand, der über den Profeſſor Dr. H. Schreiber in Freiburg


 
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