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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 207 - No. 237 (1. August - 31. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0937

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.
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vurch die Poft bezogen im
ganzen Großherzogthum
Haden 2 fl. 8 kr., im
Ausland erhöht fich das
Abonnement um den Poft-
aufſchlag.

Samsötag

Mannhe imer Abe ndze itung. ts E:

16. August :

_ Ins eratedie gespallene
L?
rate, worüber die Redak-

Raum 4 kr. + Yriefe
und Hety reſtiet man

1845.







1% Pundſchan über die Abgeordneten-Wahlen zur
badischen zweiten Ständekammer,

* Aus dem Mittelrheinkreiſe. . Die Wahlen, haben wir
neulich gesagt, sind die Schlachten des- Friedens. Vor der Schlacht
läßt sich jeder Feldherr eine Liſte ſeiner Mannschaft einreichen, um zu
wiſſen, wie viel Bleſſirte und sonstige Kranke sich im Heer befinden,
ob das Ausreißen ſtark geht u. s. w., mit einem Worte, ob seine
Sachen ſchlecht stehen, oder ob er Aussichten auf den Sieg hat, ob

seine Truppen feſt und ehrlich bei der Fahne halten und freudig,

muthig, entſchloſſen der Stunde der Entscheidung entgegensehen. Vir
ſind den Vorgängen der letzten Zeit aufmerksam gefolgt und liefern
hier nach zuverläsſigen öffentlichen und Privatnachrichten und aus eigener
Beobachtung folgenden General-Rapport über den Stand der Wahlen
zur zweiten Kammer. Dabei folgen wir, mit Ausnahme der Ersatz-
wahl, der Ordnung, welche die Regierung in ihrem Rundſchriiben
zur Vornahme derselben eingehallen hae. j

1) Die Stadt Ueberlingen, deren Streiter an manchem hei-

ßem Tage in erster Reihe gefochten, daß der Badner stolz darauf

ward und das Ausland neidiſch, sie, die so feſt am Alten hält, iſt
ihrem bisherigen Abgeordneten Rindeſchwender untreu geworden. Die
Griechen gingen den aus den olympischen Spielen mit einem Kranze

Aurückkehrenden in feierlichem Zuge entgegen und die Vaterſtadt eines

Siegers pries ſich glücklich, einen solchen Sohn zu haben; die Ueber-
linger wenden sich von ihrem bewährten Vertreter ab und folgen an-
dern Fahnen und Sternen. Die Versprechurgen eines jungen Beam-
len, der an die Tochter eines hochſtehenden Staatsmannes verheirathet
iſt, sollen diesen Wechſel herbeigeführt haben. Wir hätten nimmer

geglaubt, daß die Leute am See sich unter eine Schürze flüchten wür-
den. Aber die Versprechungen sind auch zu lockend und so iſt es

eben den guten Ucberlingern gegangen, wie jenem Franzosen, der von

clber sagte :
t ji weiß ich noch nicht was ich thue!"
viel Geid in diejen klemmen Zeiten; die mußten bei einer ſich ſelbſt
unklaren Maſſe durchdringen. Das ift Sand genug, um die Augen
überlaufen zu machen und den Blick in die Ferne, in die Zukunft,
wie in die Nähe und Gegenwart und in die Vergangenheit zu trüben.
Dann waren auch noch Spaltungen in ver Stadt ſelbſt und unabhän-
gig von jenen entſtanden, welche auf der versprochenen Straße von
Ueberlimgen nach Ludwigshafen eingedrungen sind. Einige Burgers-
kinder aus Ueberlingen meinten näwlich, sie könnten eben so gut, als
Andere, das weiſſe Gewand der Candidaten tragen, welches aber
heutzutage, und ber jenen beſonders, die Farbe der Finſterniß hat. So
traten eimge schwarze Candidaten zu Erreichung eigener Zwecke als
Bewerber um die Abgeorrnetenftelle auf. Der Eigennut, die offen-
liegende Selbftſucht eines Theils der Ueberlinger Cinwohnerſchaft, die-
ses Stehenbleiben auf halbem Wege, dieser Rückschritt, diese Halbheit
werden ſich rächen; ſie werden später sehen:

„Es iſt ein eitel und vergeblich Wagen,
Zu greifen in das Rad der Zrit."

Aber sie werden ſich nicht beklagen können über die Folgen ihrer
Handlungsweise. Volenti non lit injuria. Sie werden mit Pyrrhus
„Noch ein solcher Sieg und wir sind verloren...
Wir hecke und unsere grundſatsfeſten Leute in jener Stadt, wollen
uns zurufen: .

v Nur eine Woge iſt gebrochen und zerftäubt, der Sirom geht
weiter. "

2) Die Stadt Lahr wird ihren vorigen Abgeordneten, den
wackern Bürgermeiſter Baum, in die Stäntekammer sendet), und außer-
dem hat man die Absicht, den vielerprobten Rindeſchwender zu wäh-
len, theils um ihm den Sitz zu sichern, welchem er bisher so viel
Ehre gemacht hat, theils um ihm dadurch Ehre zu erweisen und ihm
wit dem Ausland zu zeigen, daß sein Streben Anerkennung findet in
den Herzen seiner Mitbürger. Käme er durch anderweite Erwählung
in die Lage, kieſe Wahl ablehnen zu müſſen, so wird neben Baum
î kin anderer unabhängiger Bürger in den Kreis der Männer treten,
Wwilche die Hochachtung der Mitwelt für sich haben und leben werden
im Gedächtniß ter Zeit. Die Lahrer sind unſere Brüder.,

„Bis auf eine Million halte ich fest, aber wenn's
1 60,000 fl. sind

3) Die Stadt Baden wird fich durch einen Bürger aus ih-
rer Mitte, einen Gemeinderath, vertreten laſſen. wenn, was jedoch
nicht wahrscheinlich, es den Gegnern nicht gelingt, ihre Anſchläge
durchzusetzen. Iſt das ein einig Volk von Brüdern? Ihr wollt gewiß
als ächte Menſchen und Chriſten das Wohl Eurer Mitbürger. Da
meinen wir, ſollte es nicht schwer halten, sich zu einigen. Wo Kei-
ner nur an sich denkt, da wird man bald den Besten unter den Guten
herausgefunden haben; einen redlichen Volksvertreter, welcher den For-
derungen entspricht, die man an einen solchen machen kann, daß er für
das Volk fühle, denke und wirke. Zu Gunsten eines solchen tritt Je-

der zurück und spricht mit jenem Griechen aus Herzensgrund: Wie

qlutl! iſt mein Vaterland, daß es noch Männer hat, die besser ſind,
als ich!

A) Von der Sta dt Durlach könnte man sagen, ihre Kraft
sei in ſich selbſt gcbrochen. Da sind gar viele Marode, welche hinter den
Andern zurückbleiben. Sie sind zum Theil so schwach, daß sie jedem
Windſtoß nachgeben. Da hat ihnen ein Wind der Lehre die Nach-
richl eingeblasen, sie sollen ein Hofgericht, eine Kreisregierung, ein
Bezirksſiraſsgericht oder eine Garnison, oder ein Irrenhaus bekommen,
wenn sie für einen Kandidaten stimmen, der Staatsbeamter iſt. Ge-
wiß weiß weder Dieser noch tie hohe Regierung von solchen Versprechun-
gen etwas; es iſt eben Wind; aber die Leute haben nicht immer ihr
Bügeleisen in der Tasche um sich daran zu halten und so reißt ſie
der Wind eben fort. CEinige von dieser Truppenabtheilung sind, wie
ächte Engländer, auf der Aussichtenjagd; sie wären nämlich nicht alle
zu ſchwach, um weiter marschiren zu können, aber die Aussicht ins

gelobte Land hat sie verführt und vom rechten Wege abgebracht. Es

wird ihnen gehen, wie dem Moses , der das gelobte Land auch blos
von Weitem zu sehen bekam, aber nie hineingelangte, oder sie werder

in eine camera odsura hineirgerathen und für ihr Geld nichts ge-

nießen, als den Druck von den vielen Menschen, welche sich um ei-
nen Platz fein reißen. Von dem früheren braven Abgeordneten Weiſ-
ser will man gar keine Notiz mehr nehmen und dem wackern Bleidorn,
der zuletzt für Durlach in der Kammer saß, machen ſie zum Vorwurf,
er habe ſich bei dieſer lezten Wahlmännerwahl etwas unvorsichtig und un-
geschickt benonmen. Wenn wir nun auch zugeben, daß dieses wirklich der
Fall sein könnte, so that Hr. Bleidorn solches doch nur als Privat-
mann. JIn seiner öffentlichen Stellung als Abgeordneter wird man
ihm keinen solchen Vorwurf machen können. Die nicht liberale Par-
tei, gegen welche sich die öffentliche Meinung bereits ausgeſprochen
hat, ſucht jetzt cinen Ausweg, um es weder mit der Regierung noch
mit der öffentlichen Meinung zu verderben und hat deßhalb Hrn. geh.
Rath Mittermaier, den früheren Kammerpräſidenten, in Vorschlag ge-
bracht. Man will aber erfahren haben, daß dieser die Wahl nicht an-
nehmen werde. Cin neuer Plan, den Durlacher Bürger und Apo-
theker B. zu wählen, foll in veueſter Zeit selbſt bei einigen zur mini-
ſteriellen Seite gehörigen Wahlmännern mehr Anklang gefunden haben.

Bei all’ dem bisher Gesagten iſt nur von dem unenquicklichen
Theile dieſer sonſt so wohl ausgerüsteten und vom besten Geiſte beſeel-
ten Compagnie die Rede. Die Andern haben noch Mannszucht in
Leibe. Sie rufen mit uns : Nur kein juste milien Dieses Sp-
ſtem hat ſich ſelbſt überlebt; es iſt ein früy gealterter früchteleerer
Baum, und seine Anhänger sind noch immer zwischen zwei Seſſeln
niedergeplumpt. Das Vaterland hofft mit uns, daß sich die Parteien zu-
letzt auf einen Mann vereinigen werden, der die Eigenſchaften eines
wirklichen , nicht sogenannten Volks - Abgeordneten besitzt, daß deren
Ruhe und Einigkeit wieder hergeſtellt und der Stadt Durlach ihr seit-
heriger wohlbegründeter guter Ruf erhalten werde.

5) Die Stadt Pforzheim wird ihren Veteranen Lenz wie-
der deputiren und Rindeſchwender dazu wählen, um ihm, dem Lande
und ganz Deutschland zu zeigen, daß die Stimmung im Allgemeinen
eine andere iſt, als die der Ueberlinger. Mußte er die Wahl zu Gun-
ſten eines anderen Wahlbezirkes ablehnen, so hoffen wir von einer
intelligenten Stadt, wie Pforzheim, ja, wir bitten, wir beschwören
ſie, für den unersetzlichen Sa nder einm Mann in die Kammer zu
senden, der dem wadkern Lenz würdig zur Seite ſteht, wie Sander.
If kein Sander da? sollten die Pforzbeimer bei jeder neuen Wahl

rufen, und gewiß würde Jedermann mit uns ausrufen: Er ift ge:

ſtorben auf dem Felde der Ehre, wie die Franzoſen von ihrem erften


 
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