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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 117 - No. 145 (1. Mai - 31. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0583

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Abonnement mit oier-
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Abonnement um den Poſt-

, aufschlane.

Sama f

Hleeutsſchland.
Mannheim, 19, Mai.
ſchung der Regierung in die Wahlen der Ortsvorſtände scheinen noch
keine Abhülfe erhalten zu haben. In Wallſtadt wurde der bisherige
Bürgermeiſter Bossert, der mit greßer Stimmenmehrheit wieder er-
wählt worden war, weil er sein Auu mit seltener Berufstreue ge-
führt hatte, von der Regierung nicht mehr bestätigt. Der Gemeinde
Kirchheim iſt noch keine Entscheidung über die vor dreiviertel Jahre
abgehaltene Bürgermeiſterwahl zugekommen; doch ſteht der alte,
nicht wiedergewählte Bürgermeister noch immer im Amte. Daſſelbe
iſt der Fall in Eberbach, wo ein ſehr braver und ruhiger Notar
vor einem Viertel-Jahre zum Bürgermeister erwählt wurdez ſollte
derſelbe nicht bestätigt werden, ſo iſt der dortige große Bürgeraus-
ſchuß entschloſſen, den Bierbrauer Buſſemer ~ einen jungen, gebil-
deten Mann von einer durchaus freiſinnigen Richtung, zu erwählen.
— Ju Heidelberg iſt eine neue Bürgermeiſterwahl ausgeschrieben,
ſie wird wahrscheinlich auf Winter Vater fallen. Wird auch in die-
ſem Falle die Beſtätigung nicht ertheilt, so sieht man sich vergeblich
nach Gründen um, da Winter erst im vorigen Jahre als zweiter
Bürgermeister beſtätigt wurde. Am Auffallendſten iſt die Verweige-
rung der Staatsbehörde, einem zum Gemeinderath in Neckargemünd
gewählten tüchtigen, aber liberalen, Bürger nicht verpflichten zu
"wollen. Derſelbe war bis vor wenigen Jahren Gemeinderath, hatte
seine Stelle zur allgemeincn Zufriedenheit versehen, war aber durch
häusliche Geſchäfte genöthigt abzudanken. Nun brachte man bei ſei-
ner Wiederwählung plötzlich vor, daß er, vor länger als 20 Jah-

ren, in seiner Jugend einen Fehltritt begangen habe, wodurch er zu
einer vierwöchentlichen Gefängnißſtrafe verurtheilt wurde. Trotz dem, -
daß das Gesez -nur der Erſtehung einer Zucht- oder Correctionshaus-

ſtrafe die Wahlunfähigkeit beilegt, wird dem Gewählten gleichwohl
seit Jahr und Tag der Eintritt in den Gemeinderath verweigert.
Die Sache iſt jet beim großherzogl. Staatsminisſterium anhängig;
hoffen wir, daß die höchſte Stelle das Recht des ſchwer gekränkten
Mannes in Schutz nimmt. ;

+ Freivurg, 20. Mai. Heute batte bei uns die Bürger-

meiſterwahl ſtatt, da das ſsechsjätrige Regiment des bisherigen
Bürgermeiſters, ehemaligen Deputirten, Buchhändler Wagner ab-
gelaufen war. Auf das Resultat dieſer Wahl kennte in der Bür-
gerſchaft Niemand gespannt sein, da dieselbe bekanntlich auch bei uns
yur von dem großen Aus sch uß von etwa 140 Bürgern aus
2000 vorgenommen weird, dieſer Ausschuß aber zur Zeit sämmitlich
der lrerrſch enden ariſiotratiſchen Partei angehört, weil er auch
allein unt-r der en Einfluß gewählt wurde. Bürgermeister Wagner
wurde daher ohne alle Opposition ~ ja obne daß nur von einem
andern Candidaten die Rede sein konnte, gewählt . gewiß zur Freude
des ganzen großen Aus schuss es; ob auch zur Freude der übrigen
2000 Bürger konnte nicht entnommen werden, weil ſich über die-
ſen Act eine solche Theilnah mslosigkeit unter der ganzen Bür-
gerſchaft, äußerlich wenigstens, kund gegeben hat, daß Niemand, dem
, nicht zufällig der gedruckte Anschlag über diesen Waghlact zu Gesicht
gefommen, hätte glauben können, es gehe in der Gemeinde Freibuxg
eine ſo wichtige öffentliche Handlung vor ~~ ein Act der abermals
für 6 lange Jahre über ihr Wohl und Weh entſschridet. Vielleicht
war es aber auch das drückende Gefühl der geſammten Bürger-
schaft über ein Wahlgesetz, welches Tausenden ibr ſchönſtes wichtiges
Recht entzogen hat, was in so auffallendem Widerſpruch mit der
Entwicklung des tfsentlichen Lebens in einer Gemeinde ſteht. Ja es
lag wirklich an di es em Wahltage eine ſolche unheimliche, oder
doch w eh mütbigec Stille über der von dem Waltlrecht auszesſchloſ-
senen großen Maßſſe der Bürgerschaft, daß man sich unwillkürlich
zu dem Gedanken hingezogen finden mußte: daß dieser Tag der trau-
rige Gedächtnißtag sei, an dem die Bürgerſchaft Freiburgs ein
theures Gut verloren habe. : j

. HMöchte doch unsere Regierung in folchen Erscheinungen eine
recht baldize Beranlaſſung finden, tas in der Gemeindeordnung ent-
haltene Wahlgeſceß wenigſtens bezüglich auf mM :!

wieder perzuſtellen, möge ſte damit zur Freude ves ganzea Landfs



%24. Mai

(Oberrh. Ztg.) Die in nnserer
weiten Kammer vorgebrachten Klagen über eine allzugroße Einmi-

deren Raum 3 kr. Inſe-

IDZeUUN1. re
V G: W ® hat, die Zeile oder tr

| Raum 4 kr. +
und Geld erbittet man
franco. ;



aussprechen, daß ste keine Gemeindék für unfähig halte, in ihrer Ge-
ſammtheit über ihr Beſtes mit Einſicht zu beschließen. rs;

_ HFS? Berlin, 18. Mai. Hier in Berlin fand an demselben
Tage, wo die Köthener Lichtfreunde zusammentraten eine Central-Ver-
sammlung der landwirthschaftlichen Kreis-Vereine der Provinz Bran-

denburg und der Niederlausitz ſtatt. Es war damit eine Thierſchau

und ein Wettpflügen verbunden, und außerdem wurden noch Verhand-
lungen über die inneren Intereſſen des Landbaues, wie über bäuerliche
Credit-Cassen, die ſich als dringendes Bedürfniß erwiesen haben und
über den sittlichen Zuſtand der Landbewohner statt. Auch diese: Kreise
ſind demnach schon von dem ſocialitiſchen Interesse ergriffen worden.
Eine Crledigung wird daſſelbe hier natürlich auch nicht finden,
ſo lange es nicht zur Lebensfrage gemacht wird, doch iſt es im-
mer gut, daß solche Fragen überhauyt nur erſt aufgeworfen werden.

Man vollte hier erforschen, in welchem Umfange die Klagen über
, den sittlichen Zuſtand der niedern Volksklaſſen unter den Landbewoh-
nern, namentlich unter den Dienſtvoten und Taglöhnern begründet

seine. Dabei muß man nothwendig auf den allgemeinen. Zu-

stand, auf die Beſchafsenheit des Volksunterrichts: und den Ab-

ſtand der Gutsbesitzer von den Taglöhnern und Dienſtleuten: ge-
führt werden. Wenn die Gutsbesitzer erſt anfangen, Menschen zu
werden, werden die Diensſtleute und Taglöhner es auch..werden. Wie
es aber jetzt iſt, da wächſt das Landvolk ganz ungebildet auf
und man kann sich daher auch nicht wundern, daß es so lebt

und ſich den Ausbrüchen der roheſten Sinnlichkeit hingibt. Auch das
[ Leben der Besitzenden iſt auf dem Lande noch viel zu vürr und dürf-
tig. Auch um ihrer ſelvſ willen ſollten ſie dahin ſtreben, sich: den

Fortschritten der Kultur, der Bewegung der politischen und geiſtigen

Interessen anzuschließen. Dann würden sie auch. rechte Menſchen wer-
„den. Ietzt wollen, ſie nur noch übermüthig auf ihrem Grund und
Boden ebenso unumſchränkt herrſchen, wie abſolute Fürſten, aber fle
führen cben dc<ßhalb, weil sie ſich von dem Volke getrennt halten, ein

eben so leeres Leben.
~ Man unterhält ſich hier viel von einem eben so freiſinnigen,
wie energiſchen Memoire, das unser A r ndt in Bonn eingereicht ha-
ben soll, um gewisse gegen ihn von der dänisch en Regierung vor-
gebrachte Beschuldigungen zu widerlegen. Dieses Gouvernement be-
klagt ſich überhanpt darüber, daß die deutsche Cenſur revo lutionä-
ren B eſtrebungen für die Herzogthümer Vorſchub leiſte. Unter
den mannigfachen Anklagen, die man gegen die deutsche Cenſur vor-
bringt, iſt dieſe wohl die ſonderbarſte und eigenthümlichſte. i
Berlin, 18. Mai. (Fr. J.) Es matcht hier nicht geringes
Aufſehen, daß die belgiſche Regierung den Dichter Freiligrath hat
verhaſsten wollen, und nur durch die frühe Abreise deſſelben an der
Ausführung gescheitert ist. Man fragt ſich verwundert, was denn
Freiligrath gegen die belgiſche. Regierung verbrochen habe? In neu-
ſter Zeit sind es gerade die Staaten mit freieren Jnſtitutivnen ge-
wesen, welche sich durch Cinſchreitung gegen politische Flüchtlinge, wie
Weitling, Ruge u. s. w., ausgezeichnet haben.
§“§ Bensberg, 14. Mai. Keine Anstalt des rheinischen Rechts
iſt mehr bedroht, der Willkür gänzlich zu verfallen, als das Frie-
densgericht. Unser Richter duldet nicht, daß Jemand, obgleich es
im Gesche, Art. 9 der Civil-Prozeß-Ortnung , ausdrücklich gestattet
iſt, vor Gericht einen Bevollmächtigten zu stellen, und so sehen wir
tausend Parteien vor den Schranken ihr Recht verlieren, weil ſie un-
fähig sind, dort verſtändlich ihre Gedanken auszudrücken oder die vor-

geschriebenen Formen zu beobachien. Heute untersagte derselbe sogar

einer Partei, ihre Cinwendungen gegen eine Klage vom Blatte zu

lesen, und die Klage, die sonst unstreitig fallen mußte, blieb ſtehen.

Was den Atvokaten sogar an allen Gerichtshöfen geſtattet iſt, das

: wird dem ſchlichten Landmann verboten!. – Die neue ,„Gewerbeord-

nung“ räumt. dem Friedensrichter, der zugleich als Polizeirichter fun-
girt, die Macht ein, fes

wird die gesetlich erlau
dürftigen Ineulpaten müssen ohne Vertheidigung, die nicht Jeder zu

s Wochen Arreſt zu verbkängen. Auch hier
te Vertretung unterdrückt, und die hülfsbe-

"führen verſteht, der harten Strafe entgegen harren. Man übertrage
doch, wenn das Gesetz nicht in seiner Reinheit beſtevpen darf, den

Notarien die Vertretung der Parteien, oder beordere vie Candidaten

der miniſteriellen Uemter, die in Maſſe jahrelaug auf eine Anſtellung


 
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