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Mannheimer Abendzeitung — 1845

DOI Kapitel:
No. 329 - No. 358 (1. Dezember - 31. Dezember)
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Donnerstag

11. Dezember

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1845.

endzeitung.



Deutſchland.

*.* Marlsruhe, 9. Dez. Die heutige Kammerverhandlung war
eine der ſtürmiſchſten, welche noch je in dem badiſchen Ständehaus
fiattgefunden. Kaum war die, doch nicht geringe, Energie des Prä-
ſidenten hinreichend, die Geſchäſtsordnung den fortwährenden Stö-
rungen und Ausbrüchen von Seiten der Miniſteriellen gegenüber auf-
recht zu erhalten, und er drückte auch in ſtrenger Rüge sein Erſtau-
nen darüber aus, daß gerade von dieser Seite, wo man ſich doch
sonſt ſo viel auf Geseylichkeit und Ordnung zu gut thue, die par-
lamentariſche Ordnung so sehr verletzt werde. Freilich war der Ge-
genftand ter heutigen Sitzung ein sehr aufregender, weil er ein gro-
her war. Freilich war er den Beamten ein unangehmer, weil ja
gerade gegen das Verfahren dieser Beamten, weil ja wegen Verlezung
der religiöſen, wie der bürgerlichen Freiheit geklagt und beantragt
wurde, ein treues Bild unſerer jeßigen badischen Zuftände nach al-
tem Brauche in einer Adreſſe an den Thron zu bringen. Diesen
Antrag hat der Abgeordnete Welcker in einer lief ergreifenden Rede
meiſterbaſt begründet, und damit man ihm nicht den verbrauchten
Vorwurf machen könne, er ergehe ſich blos in Deklamationen, ohne
Beweise, nannte er eine Reihe Thatsachen, und lieferte namentlich
von dem, was in Mannheim durch Censur, höhere und niedere Polizei
in der letzten Zeit geſchehen, eine Schilderung, die den Abg. S ch aaf f
zur Erklärung veranlaßte, nur der Abgeordnete, nicht aber der Re-
gierungsdirektor Schaaff sei in der Kammer anwesend, Letzterer werde
ſich daher auch nicht vertheidigen, worauf ihm der Abgeordnete
Baſſermann zurief: das glaub’ ich gern--.

Was aber auf den Gallerien uns Allen unbegreiflich vorkam,
und was auch der Abg. Ba sſserm ann mit Rccht als räthselhaft

heroorhob, war, daß Mitglieder der Kammer ſcltſt dagegen ſpra-

cen, daß durch die Vertreter des Volks der Ausdruck der öffentlichen
Meinung an den Fürſten gelange, und daß Herr Staatsrath Ne-
b enius erklärte, die Miniſter würden S. k. H. dem Großherzog
rathen, die Adreſſe nicht anzunehmen. Also, wenn die Vertreter des
Volkes ihre Herzensmeinurg vor den Thron bringen wollen und iyre
Worte den Miniſtern unangenehm sein könnten, so rathen diese Her-
ren Miniſter ab? Nach meinem Gefühl hätte man gerade das Ge-
gentheil erwarten sollen. Daß Dies aber in der Sache ſelbſt gar
keinen Unterſchied begründen und am Wenigsten die Kammer des
koſtbaren Rechis, unmittelbar an den Fürſten zu sprechen, verlu-
ftig machen könne, wurde von mehreren Seiten ausgeführt. –~
Ganz vortrefflich war des Abgeordneten M at h y Rede, wel-
<er in ſcharfeinſchneidenden Worten eine jesuitiſche Camarilla als
die Urheberin alles Uebels bezeichnete und mit seiner gedrungenen,
körnigen Sprache den ganzen Saal zum lauten Beifall hinriß.
So viel wurde heute durch tie ganze wichtige Sitzung klar, daß
zwischen Fürſt und Volk eine finstere Macht den Weg versperren
will. Wir hoffen, die Mehrheit der badischen Kammer werde sich
nicht irre machen laſſen, und den Pfad gerade mitten durchgehen.
Auch hat die Mehrheit der Kammer den Antrag des Abg. Welcker,
seine Motion in den Abtheilungen zu berathen, angenommen. Der
Utt;;enere Dennig war der einzige, der auf der linken Seite nicht
mitſtimmte.
. t Vom Neckar, im December. Es iſt eigenthümlich mit
welchrr Naivetät oft gewiſſe Journale zu Werke gehen. So iſt mir
dieser Tage in einer Zeitungsanectote die Ankündigung eines unbe-
deutenden Ulmer Lokalblattes zu Gesicht gekommen, welches unge-
fähr Folgendes als seine Tendenz proclamirt. Es sei freiſinnig, so
freiſinnig als möglich, allein sehr häufig übten die Liberalen einen
Meinungsdespotismus aus, indem sie der Servilen Ansicht nicht
querkennen. Man müßte aber jede Ansicht anerkennen und deßhalb
ſei seine Tendenz Beſörderung der „\unbetingten Meinung.. In
dieſer Richtung werde diese liberal sein, soweit man liberal sein

dl hs. > aber auch servil sein, so weit es die Nothwandigkeit

_ Wenn etwas die politiſche Unmündigkeit des deutschen Volkes,

Yen traurigen und betrübten Zustand tes deutschen Journalistik be-
kichnet, so iſt es die Möglichkeit, daß solche Anſichten noch öffent-

H ausgesprochen werden und erwarten sönnen, bei der Menge

i

Vom Neckar, A. Dezember. (Oberrh. Z.) Die Gesinnung
der Mehrzahl der Heidelberger Bürger hat sich heute Abend auch in
einem äußerlichen ehrenvollen Zeichen kundgegeben. Dem Abgeordne-
ten Dr. Biſſing nämlich wurde ein solennes Fackelſtändchen gebracht
als Anerkennung für seine bisherige liberale Wirkſamkeit und als
Ausdruck der hier herrſchenden politiſchen Farbe, die er in der Kam-
mer zu vertreten hat Von der Harmonie aus bewegte ſich der Zug
mit Mufik vor des Gefeierten Haus, wo der Apotheker Henking, ei-

ner unserer wackerſten, für den Fortschritt unermüdlich thätigen Bür- *

ger , etwa folgende Worte sprach: --Meine Herren! Der Kampf iſt
gekämpft, der Sieg ift errungen. Der Wahlbezirk kann stolz sein
auf diesen Sieg. Trotz aller Gegenwirkungen hat das scharfe Schwert
des Volkewillens die ihm bereiteten Hinderniſſe zerhauen. Der Wahl-
bezirk darf fich anschließen an die gleichgesinnten Bezirke unseres Va-
terlandes. Wir haben unsere Schultigkeit gethan; der Sieg ift un-
ſer würdig. Der Mann des Vertrauens, der schon auf früheren
Landtagen für Rectt und Licht, für Wahrheit und Freiheit gekämpft
hat, der keine Hand breit abweicht von der Volkssache,
der auf keinerlei Phraſen hört, die ihm ſein unbedingtes Kämpfen
für des Volkes Rechte zum Vorwurf machen könnten, sondern der
offen sagt: dies iſt der ausgesprochene Volkswille; ich werde ſtets
nach demselben handeln; ich werde mich keiner Beherrſchung unter-
werfen! - ein solcher Mann ift aus der Wahlurne hervorgegangen.
Darum, ich weiß es, stimmen Sie Alle mit mir ein, wenn ich rufe :

unser Diputirter Biſſing l.be hoch! !! “ Unendlicher Jubel ertönte
nach diesen edlen, männlichen Worten. Hierauf trat Biſſing in der
Mitte der von den Bürgern an ihn gesendeten D.putation auf den
Baleon und erwiderte u. A.:

„Liebe Mitbürger und Freunde! Heute

iſt der. Wahlkampf beendigt. Es war ein Kampf zwischen zwei Par-

teien, der Partei der Bürger und der Nichtbürg er. Die Partei
der Volkesache hat gesiegt. Die Vertreter derselben in der Kammer
haben einen neutu Zuwachs erhalten...... Ich werde stets treu
an der Volks)jache h angen. Keine Furcht nach oben, keine Be-
lohnung, keine Versprechungen sollen mich von der eingeſchlagenen
Bahn abwendig machen. Frei und offen hoffe ich vor Sie hintreten
zu körnen, wenn mein Mandat beendigt ist, und Sie werden mir
dann das Zeugniß geben : er hat seine Pflicht erfüllt!! Meine Her-
ren! Wir sehen einem wichtigen Landtage entgegen, der jedoch nicht
ſowohl wegen der Vorlagen von Seiten der Regierung, sondern we-
gen der dringenden Fragen der Zeit bedeu!ſam werden wird. Vor
Allem müssen die Verhältniſſe der Deutsch-Katholiken geregelt werden.
Dann mird die Frage zur Sprache kommen, ob es ein deutsches
Bürgerrecht gibt, ob C.nsſur und Polizeigewalt auf eine Art geübt
werden dürfen, die zu bezeichnen ich keine Worte finde., Der Redner
brcichte sodann ein Hoch auf die Heidelberger Bürgerſchaft. —
Dargzzfkadt, 2. Dez. (Trier'ſche Ztg.) Der Leske'ſche Preß-
prociß hat F.54. folgende Gestalt gewonnen. Herr Leske beschwerte
ſich bei dem Minißerium des Innern und der Juftiz wegen der poli-
zeilichen Co:.fiseation der Rhein. Jahrbücher--, worauf ihm zur Ant-
wort ward: die Sache sei bereits an das Hofgericht abgegeben, wel-
ches, was Rechtens, gegen Verleger und Verfaſsſer verfügen werde,
Das Hofgericht hat mittlerweile das Criminalgericht mit der speciel-
len Untersuchung beauftragt. Als fich Herr Leske nach der Begrün-
dung der Anklage erkundigte, erfuhr er, daß diese auf Grund der §§.
131 u. 195 des neuen großherz. heſſ. Strafgeſetzbuches fiattgesunden
habe. Dieſe beiden §§. lauten wörtlich: §. 131. Wer in hoch-
verrätheriſcher Ab sicht irgend eine Handlung begeht, welche
als Vorbereitung des im Artikel 129 bezeichneten Vertrechens (Hoch-
verrath durch Versſchw ö rung ec.) anzuſehen ift, soll mit Correc-
tionshausftrafe bis zu vier Ja hren beftraft werden. Dahin ge-
bört: wer zu einer h oh v err äthe riſch en Handlung auffordert,
Andern hochverrrätheriſche Plane mittheilt, aufreizende Schrifter
verbreitet, Waffen oder zu dieſem Zweck dienliche Mittel verſchafft oder
bereit hält. If eine hochverrätherisch e Untern!hmung weiter ge-
diehen 2c. – §$. 195. Wer die Gegenſtände der Berehrung einer
vom Staate anerkannten oder geduldeten Religionspartei, ober ihre
Lehren, Einrichturgen oder G bräuche durch Ausdrücke des Spot-
tes oder der Verachtung öffentlich in Rede, Schrift oder bildli-

cher Darstellung oder durch beſchimpfende Handlungen herabwürdigt


 
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