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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 238 - No. 267 (1. September - 30. September)
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aufschlag. : franco.
3. September 18453.

Mittwoch









Deutſchland.

* Mannheim, 2. Sept. Die blutigen Ereignisse zu Leipzig,
deren Vrrantwortlichteit in Ermangelung eines Andern die Regierung
übernommen hat, folgen jezt, wo rie Ruhe vollkommen hergeſstellt
ift, Maßregeln, wie ſie die Preuß. Algemcine in sehr deutlicher Wieiſe
wünſchte, die aber höchſt bedauerlich und des conſtitutionellen Sach-
ſens durchaus nicht würdig erſcheinn. Wir haben das Verbset der
öffentlichen Versarnmlungen und Reden zu Leipzig,) die gefieigerte
Cenſurſtrenge, die Warnung an die Zzitungsredaciionen, und deren
Bedrohung mit Concesſionsentziepung, die Unterdrückung der e- Sonne"’,
die Démond9rationen mit zahlreichem Militär zu Leipzig und Dres-
den 1c. schon bisprochenz heute müſſen wir uon der auffallenden Erneue-
rung anſcheinend längſt in Abgang dtkretirter Bundesbeſchlüſſe von
1832 brrichten, Der kösizl. Miniſter u. Falkenftein hat nämlich
unterm 26. Aug. an sämmtliche Kreisdirektorirn eine Berordnunz er-
laſſen, worin ihnen befohlen wird, „zwar mit Umficht und Humanität,
aber auch mit Kraft urd Energie- gegen das ,„géeſez widrige Begin-
nen der Bürgervereine und Volkeucrsſammlungen- einzuſchreiten, da
nach jenem Bundeebeſct.luſſe alle Vereine zu pyolitiſchen Zwecken
und alle außerordentlichen Volksv 1xsamml1ungen und Bolliefeſte verbo-
ten seien. Zagleich sollen Ulle, welche etwa schon jetzt als Leiter,
ſFührer oder Redntr bei dergl ichen Vereinen und Versammlungen be-
kanzt sind, „speciell verwarnt" werden. Wir werden dieſe Vrrord-
nung morgen ausfüyrlich mittheilen.

Nehmen wir noch zu dem Gesagten hinzu, daß die Verfügungen
gegen die freiere Bewegung der Prcoteſtanten und Deutschkatholikeu,
welche den Ereigniſſen vom 12. Aug. vorausgingen, fortwährend be-
stehen, so liegt uns in dem vor Kurzem in so rugigem und erfreulichem
Fortſchritte begriffenen conſßitutionelen Sachsen eine noc unerquick-
licher Reaktion vor Augen, als ir Preußen, und wir müssen auf's
Sehnlichſte wünſchen, daß das sächsische Volk in mögiichſter Bälde
durch den verfaſsſungsmäß:g zu bcrufenden Lanttag ein Organ erhalte,
wel.hes Auge in Auze dem Mir.iſterium und dessen Rück chrittspla-
nen entgegentritt und die Rechte und Freiheiten der Bürger vor der
Krone entschieden geltend macht. Wird das Berfassungsfeft, das am
4. d. M. gefeiert werden soll, auch unter die „außerordentlichen Volks-
feſte‘/ fallen? Wir werden sehen.

* Mannheim, 2. Sept. Das Frankf. Journ. enthält Folgen-
des aus Braunſsch weig vom 30. Auguſt 1845:

„Des Landes heißeſter sehnlichfter Wunsch iſt, daß unser Herzog,
der jetzt im 40. Lrbensjahre sieht, sich eine Gattin wählen mögez
der Jubel der Braunfchweig-r wäre unbegränzt, jeder P atriot
wird mit mir daſſelbe denken!“

DD. Heidelberg, 31. Auguſt. Bor zwei Tagen war Hr.
Pfarrer Kerbler hier und hielt ben erſten deutſch-katholiſchen Gottes-
dienst. An 3000 Personen hatten sich herbengedränzt um den ge-
feierten Prediger zu hören. Die Providenzkirche, in welcher die Ver-
sammlung abgehalten wurde, hatte bei Weitem nicht Raum genug
und es mußten daher sevr vi.le abgewiesen werden. Nach der Pre-
digt theille Hr. Kerblcr das Abendmahl aus und es ellen bereits
zahlreiche Beitrrittserklärungen erfolzt sein. ~ Jm Uebrigen scheint
die Ryheinconferenz bercits ihre Früchte zu tragen, denn von Seiten
dex Behörden wurden den „Dssidenten“/ alle möglichen Hindernisse in
den Weg gelegt. So soll es dem Vorßande der hieſigen Gemeinde,
Hrn. Küchler, nur mit Mühe gelungen sein die E:laubniß zu einem
Gottesdienſte zu erwirken. Cr war perſönlich in Carlsruße. Er
konnte jedoch nur die Erlaubniß erhalten zu einem Privatgottesdienſte.
~ Es wurde deshalb auch nur gegen Karten der Eintritt in die
Kirche geflattet und zu diesem Behufe cinige Tausend ausgegeben.
Der hieſige Stadtdirektor meinte zwar diese Zahl überschreite den
; Prioatgottesdienſt, und 500 genügen auch, allein Hr. Küchler machte
mit Recht die Einrede geltend, daß die Zahl der Besacher einer Ver-
sammlung gar keinen Einfluß guf dercn Oeffentlichkeit oder Nigt-
öffenilichkeit habe. ~ Ein Privat-Ball könne 3000 Gäße und ein
öffntlicher nur 3 haben und bleibe doch jeder Privat- und öffenilicher

Ball. Jemehr ich dieſe feindselige Stimmung die von Oben herah
gegen die neuen katholiſchen G meinden sich kund gibt, bedenke, deſto
mehr Aehnlichkeit finde ich zwiſchen der gegenwärtigen und der Periode
in welcher das Chriſtenthum Gegenſtand kaiserlicher Imperatoren-Ver-
fügung war, und ein Proconſul Plinius sich von dem Regenten
Trajan Verhaltungsmaßregeln in Bezichung auf die Behandlung der
neuen Chriſtengemeinde ausbat. Aber es gibt leider Leute, für die
es keine Geſchichte gibt.

*: §:’r Vom Neckar, im September. Der in Leipzig von
Profeſſor Biedermann herausgegebene „Herold" enthielt dieler Tage eine
Erwiderungeines Hrn. Aug. Boden auf die Abfertigung die ihm in der Wel-

>er-Schul;'schen Schrift wegenseiner Vertheidigung des Untersachungsrich-

ters Georgi zu Theil wurde. Diese Erwiderung iſt insehr gereiztem Tone ab-
gefaßt und voll der Absurditäten, die genannter Hr. Boden schon in sei-
ner Broschüre ausgesprochen. – Sein Mißbehagen über die Welcker-
Schul:"iche Schrift iſt leicht erklärlich, da ihm darin die Fähigkeit
als Schriftfteler aufzutreten gönziich abgesprochen und dieses Ber-
rammungsurtheil durch Belege in Beziehung auf Form und Inhalt
seiner Broſchüre begründet iſt. Es kann auch in der That keine
lächerlichere Situation geben, als wenn ein junger Mann, unbekannt
auch mit den einfachsten Regeln der deutſchen Syntax in Bezieyung
auch Anordnung eines größeren Aufsatzes, fern von den politiſchen
Bewegungen scines Vaterlandes, auch der geringsten politischen Bil-
dung baar, öffentlich auftreten und seinen bodenloſen individuellen
Schnickſchnack zur Allgemeinheit erheben will. ~ Dieses Urtheil, ſchon
durch Form und Inhalt der Boden'ſchen Broſchüre begründet, wird
vollſtändig gerechtfertigt durch stine Crwiderung im Herold und als Be-
weis hiefür und als ein Pröbchen von der politischen Gesinnung des
Hrn. Boden folgt hier eine Strophe aus seinem geiſtreichen Produkte
In Nro. 60 lautet eine Stelle so! „Es hat mir (dem A. Boden zu Frank-
furt a. M.) eines freien Deuiſchen unwürdig geschienen, die Fürſten
an ihre Verſyrechungen von 1812 und den folgenden Jahren zu erin-

nern und es kommt mir so kleinlich vor, sie mit diesen Verſprechun-

gen zu schrauben-, und ferner —~ wals wenn ein beſchriebenes Stück
Papier (die deuiſchen Verfaſſungen und die Bundes-Akte) wie es
ohne Mühe geschaffen werden kann, eine Grundlage wäre!
Dieses Mufter einer politiſchen Ansicht wird genügen. – Natürlich
wird ihm ein Welcker Nichts erwidern, auch wenn er ihn nicht ſchon
vorher als einen ihm runebenbürtigen“ Gegner bezeichnet hätte. ~
Ueberdies hat ihn Schulz ſchon gehörig gezeichnet „ja volſltändig
zerquetſcht und todt gemachtu

Hr. Boden soll auch, wir man hört, seine Erwiderung zuerft
der preußiſchen Allgemeinen und hernach dem rheinischen Beobachter
angetragen haben z diese edlen Blätter hätten zwar große Freude da-
rüber bezeug, aber wegen Mangels an Raum das voluminöse Pro-
dukt nicht aufnehmen können, dagegen Hrn. Boden an Hrn. Professor
Biedermann in Leipzig verwiesen und deſſen „Herold'‘“ als den paſſend-
sten Geburtshelfer für die famöse Erwiderung bezeichnet.

Der Herold hat sich, wie Figura gezeigt hat, auch vollſtändig
des Verrtravens der „Preuß. Allg. und des „Rhein. Beob.,\ wür-
dig gezeigt, und die Angriffe einer bezahlten Feder auf einen der
edelſten, geſinnungstüchrigſten und gefeierteſten Schriſteller, so wie
auf die sämmtlichen liberalen Beſtrebungen in Deutfchland veröffent-
licht. Den Eindruck, welchen dieſes Benehmen unter dem chrenhaf-
ten Theile der Deutschen hervorbrachte, konnte natürlich durch die
Nichts sagende Erklärung des Herausgebers des Herolds, daß er
die Vertretung der Boden’ſchen Crwiederung nicht ihrem ganzen Inhalte
ate noch weniger in ihrer Ausdrucksweise übernehme, nicht para-
yſirt werden.

Von: Niederrhein, 26. Auguſt. Es sceint, taß in den
höheren Regionen unseres Staqaies entiich eine ähnliche Anſicht über
die firc.lichen Bezregungen Platz gegriffen hat, wie die in Öster-
reich und Baiirn herrschende, und daß man die fkatholiſtzen Disſiden-
ten und die proteſtanuiſchen Freunde in eine streng gemiktbilligte Ko-
tegorie ſtelll. Ob die Bewegungen, denen Manche ſo gern poli-


 
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