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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 268 - No. 298 (1.October - 31. October)
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hurch die Poſt bezogen im
ganzen Großherzogthum „,
Baden 2 fl. 8 kr., im

Ausland erhöht fich das



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Donnerstag 2. Octolhere. 1845











* PNPonge und Dowint in Hridelberg und Mannheim.,

Johannes Ronge, vor Kurzem ein noch runbedeutender-,, von
Niemanden beachteter Kaplan, durchzieht Deuiſchlands Gauen in einem
Triumph, und tausend Stimmen tragen den Klang seines Namens
vor ihm her, und Tausend und aber Tauſende drängen sich heran,
um den Mann zu sehen, der in seinem gewaltigen Brief an den Bi-
fchof Arnoldi die öffentliche Meinung bewegte, wie nicht leicht ein
anderes Ereigniß in neuerer Zeit. Wir selbst waren ungemein begie-
rig, von Angencht zu Angesicht Den zu sehen, den man den Reéfor-
mator des 19ten Jahrhunderts nennt, und an deſſen Namen ſich die
Entſtehung der Bewegung knüpft, die in unſern Tagen zu einer un-
beſtreitbaren Wichtigkeit sich erhoben. ~ Die Thüre ging auf, und
freundlich grüßend trat ein junger Mann rinz ein Dreißiger mochte
er sein, von mittlerer Größe, beinahe klein gebaut, mit langem dun-
flem Haupthaar und Bart, im ganzen Wesen Nichts von d.m Col-
loſſalen, Derben, Eckigen , das einen hervorſtehenden Zug in Luthers
Persönlichkeit ausmachte. ~ Beim eren Anblick möchte man faſt
verſucht sein, aus dem unbesorgten Auftreten, aus der Modernbeit
der ganzen Erſcheinung, aus dem ltichten Lächeln , das auf dem Munde
des Mannes ruhte, an seiner Innerlichkeit zu zweifeln. Allein eine
minder oberflächliche Betrachtung zeigt eine auf der ganzen Perſon
des Mannes auszebreitete Kindlichkeit, man ift versucht, es Jung-

fräulichkeit zu nennen, eine Reinheit, eine Unmittelbarkeit, welche

niemals der leeren Form angehören. Ronge iſt kein Charakter, der
plöglichen Effect macht; er scheint den Naturen anzugehören, deren
Grundton eine ihr ganzes Wesen sättigende Energie und gewichtige
Ruhe iſt. Wir vernahmen aus seinem Munde nicht den Blitz der
Begeiſterung , der zündend in die Menge einſchlägt. Ronge hat nicht
jenen gewaltigen Redefluß, der das Gefühl der Menge mit sich fort-
reißtz rubig find seine Worte, mehr betrachtend, einer Predigt ähnli-
cher, denn einer Volksrcde. i S t
Ji dies aber, können wir sagen, die rechte Person an der Spige
der neuen Bewegung? – Wir glauben es. ~ Das ganz: Wesen der
modernen Reformation ist demokratisch, iſt, wie alle anderen selbftän-
dizen Bewegungen unsercr Zeit, volketbümlich, kommi aus der Maſſe
des Volks, kommt von Unten, aus den OGtmüthtrn, in welchen der Prozeß
der geiſtigen Revolution schon längſt vor sich gegangen iſt und vorgearbeitet
hat. Die Reformation bedarf deßhalb an ihrer Spitze nicht einen jener her-
vorragenden, großartigen und gewaltigen Charaktere, die, wie in einen
Brennpunkt die ganze Bewegung in sich aufnehmen und auf das
Volk zurückſtrömen lassen, sie braucht keinen jener gewaltigen Geißer,
der boch über der Maſſe stebt und diese auf einige Zeit zu sich her-
aufzureißen vermag, durch seine enorme Kraft; wir glauben die Re-
formaiion bedarf vielmehr an ihrer Spit: jene nachhaltige Energie,
jene inhaltsſchwere Ruhe, welche ihren Wirkungen den Stempel der
Beftändigkeit aufdrückt und keine Erschlaffung nach sich führt. Der
Reformator des neunzehnten Jahrhunderts muß sich mehr paſſiv ver-
balten, muß eher von der Bewegung getragen werden, als daß er
ſsirengund schroff in ſie hineingreiftund mit ſeiner Individualität sie verkettet.

Ronge scheint, wenn wir richtig beobachteten, scine Beſtimmung
auch so zu erfaſſen; ebenso scheint er die Idee der Reformation des
19. Jahrhunderts viel richtiger zu begreifen, als Manche glauben,
er scheint ihr jene allgemeine Richtung, jene practische Haltung bei-
legen zu wollen, welche ihr nothwendig ist, um nicht als dritte oder
vierte ſtaatskirchliche Confeſſion unterzugehen und den Zeitgeiſt um
seine Erwartungen zu betrügen.

Mit Ronge kam Dowiat. ein Mann voll Feuer, und Begeiſte-
rung , ein Mann, dem gewaltige Worte zu Gebot ſtehen, von des-
Fen Munde der Strom der Rede bald donnernd über Felsen und
Berge ſich hinabſtürtt, Alles mit sich forttreißend, bald wieder

durch blumen- und bilderreiche Gefilde dahinſtrömt.
. Doywiat ist feuriger, herausfahrender als Ronge, in dessen
Wesen jene stille wirkende, äber auch nachhaltigere Rube und Ener-

hie ausgeprägt iſt, die wir schon vorhin besprochen. Dowiat besigt

Ö t Hitze der Leidenschaft, jene zerschmetternde Kraft, die Pap-

penheim zu einem guten General und ihn zu einem gewichtigen

cMitſtreiter macht. \ Aber Eines möchten wir seiner Rede wünschen,
tinigermaßen auch Ronge's größere Volksthümlichkeit, mehr Po-

pularität und was das Materielle betrifft, . mehr Greifbarkeit.
Unfstreitig spricht Dowiat für das Volk zu gebildet, wenn er das cor
pus evangelicorum anführt und philosophische Richtungen zu der
deutsch: katholischen Bewegung ins Verhältniß setzt. Deßgleichen
möchte die Culturſtufe und Denkweise der Menge weit besser befrie-
digt werden durch detaillirtere Darſtellungen, die das Einzelne berühren,
das Wesen und die Natur der Hierarchie auf schlagende und über-
zeugende Weise auseinander setzen, als durch Vorträge, die durch
ihre blumenreiche ansprechende Form zwar augenblicklich bezaubern,
aber wegen ihrer allgemeinen Haltung auch bälder verrauſchen.

: Deutſchland.

* Manuheim, {1. Okt. Johannes Ronge, Dowiat uud
ihr e Gefährten haben uns am Montage, Nachmittags 1%, Uhr,
verlaſſen. Ueber den Zug, der sie von Baſſermann’s Hauſe an das
Gafihaus zum Weinberge und von da nach kurzem Aufenthalte den-
selben an den Rhein zu dem Dawpfichiffe greleitcte, auf rvelch.m sie
durch eine große Deputation von Worms empfangen wurden, über
den großartigen, mächtig ergreifenden Abschied werden wohl aus-
w är tig e Blätter berichten! In Worms nehmen die gefeierten Män-
ner ter „Reformation“ längern Aufenthalt. ;
+t Heidelberg, 30. September. Beſtern ging die Wahl des
dritten Bezirks vor sich und lieferte ein glänzendes Resultat..

Alle 8 Wahlmänner, die von der achtbaren Seite vorgeschlagen
waren, wurden mit eminenter Stimmenmehrheit gewählt, obgleich
die andere Partei convulsiviſche Anstrengungen gemacht hatte, ihre
Anhänger durchzubringen. Glück zu, noch ein solcher Sieg und es
iſt + beinahe gewonnen. G
JWeorms, 25. Septbr. Besonderes Interesse erregt im hiesigen
gebildeten Publikum ein Aufsatz in den Jahrbüchern der Gegenwart,
der die deutsſch-katholische Reform vom Standpunkte des gegenwärti-
gen philosophiſchen Bewußtseins aus beurtheilt, und Herrn Dr. Noack
zum Verfaſſer hat. Der Aufsatz weiſt nach, daß die den Begriff
der Katholicität konſtituirenden Momente Einheit, Allgemeine
heit und unverfälschte Ueberlieferung aus apoſtoliſcher
Zeit ſird, daß der Katbolicismus in seiner geschichtlichen Ent-
wickelung den ideellen Charakter dieser Momente verkannte.

*{ Vom preuß. Rhein, 29. Sept. Am 28. gelangte eine
f. Kabinetsordre vom 18. d. M., welche sofort die Kartoffel-
Ausf ahr verbietet, zur Oeffentlichkeit; sie blieb lange strenges
Dienftgeheimniß, sonst konnte fie ja zu allerlei Speculationcn benützt
werden. Das Verbot erſtreckt ſich auf die Ausfuhr aus der Rjein-
provinz und der Provinz Wesphalen, an der westlichen und nördlichen
Landesgrenze von Saartrücken bis zum Rheinez alſo weder gegen
die Zollvereinsſtaaten noch gegen die übrigen preußischen Provinzen.
Als Grund des Verbots sind die durch die Kartoffelkrankheit und dey
deßhalb zu erwartenden Erndte-Ausfall erregten Beſorgniſſe für die
ſtarkbevölkerten Fabrikzegenden angeführt, die noch dadurch gesteigert
würden, daß jene Krankheit im benachbarten Auslande noch weiter
verbreitet sei und die Ausfuhr schon vor dem 18. begonnen haben ſollte.
Ucbrigens hat der Finanzminiſter Flottwell dem Handelsſtand in
Coblenz persönlich die Verfügung zugesſt.klt, daß die bereits zu Schiff
traten Kartoffeln bis zum 3. Oktober noch ausgeführt werden
dürfen.

§ Köln , 29. Sept. Unser Männersaugverein, bekannt-
lich bei dem großen Sängerfeſt zu Brüſſel mit dem erſten Preise ge-
schmückt, iſt jetzt von da bierher zurückgekehrt und zugleich mit ihm
ein biederer deutscher Volksfreund, Jak ob Venedey, der politicſh
verfolgt seit dreiz<hn Jahren aus dem BVaterlande verbannt lebte.
Im Triumph der Sänger zog V enede y in die Heimath wieder eit,
aber nur, um als Gaſt und Fremdling da zu weilen; denn er hätte
nicht Gebrauch machen wollen von jener Amnestie die unser König
nach seiner Thronbeſteigung erlaſſen hat und es sind hm jezt bloß
14 Tage Aufenthalt bewilligt, damit er hier seinen vc t" 1gten D-
ter und dic geliebte Schweſter nochmals umarmen - Hrn. V.
nedey hab:n die Jugendfreunde in voller rüftiger Man & t &
gefunden; er ift nicht verkümmert in der Fremde, er hat nich: tt. ;
gelegen, wie längst sein Vaterland erfahren hat. das der Berdannte
mit gar mancher schöner und leprreicher schriftſtelleriſcher Arbeit er-






 
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