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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 87 - No. 116 (1. April - 30. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0425

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14. April

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1845









Deutfchland.

+* Vom Rhein, 10. April. In einem größern Aufsatze über
s shtju att üzuellaſr- äußert ver. Sprecee.:
Ie Form. aber was > uu ie, die sſitliche. Anlage im Menschen
zu erwecken, zu beleben, die materielle Quelle aller Anarchie zu ver-
ſtopfen, was thut sie, das Verbrechen unmöglich zu machen?
Das Gesetz trifft den einzelnen Verbrecher, aber die Motive der
That hebt es nicht auf; das kann nur eine Geſellſchaft, die Jedem

das Recht auf Erziehung und freie Bethätigung seiner geistigen und -

phyſiſchen Kräfte verbürgt und ihm die Mittel zur Befriedigung sei-
ner Bedürfnisse verschafft. Der Menſch, welcher durch beſſere Er-
ziehung und in besserer äußerer Lage ein friedfertiger Bürger wird,
wird im Unglück und verwahrloſet ein Verbrecher. Gefangene, Ver-
brecher, die es wissen, daß sie durch eine Verkettung unglücklicher
Verhältnisse, durch Noth oder ſchlechte Erziehung zu Vergehen und
Strafe gekommen, und daß Andere, die ſie ſich jetzt als Richter oder
Zuchtmeiſter, als Herren gegenüber geſtellt schen, unter denselben Be-
dingungen wohl noch schlimmere Sünder, als ſie, werden konnten,
kehren nicht gebeſſert, sondern feindlich gestimmt in die Geſsellſchaft
zurück. Die Bande, die den Menschen an den Menſchen knüpfen,
lösen sich auf, wenn der Arme in seiner Lage ein Recht des Haſſes
gegen die excluſive Gesellſchaft zu haben glaubt, welcher der Zufall
oder Reichthum Vorzüge vor ihm verliehen, auf welche auch er ge-
rechte Ansprüche macht. Prunkt nicht mit chriſtlicher Liebe, Ihr, die
Ihr Euch Christen nennt ~ die chriſtliche Liebe hört bei dem Ver-
brecher auf, der zum Schaffot geführt wird; kehrt er aus dem Zucht-
baus zurück, für das er erzogen wurde, dann stößt ihn die Gesell-

ſchaft von ſich hinaus iu die Verzweiflung und zu neuen Verbrechen.

Ihr schreiet über JIrreligioſität, die Ihr mit Zwangsmaßregeln ban-
nen wollt, aber das Uebel liegt tiefer. Iſt das sogenannte Recht,
wie es unsere Zuſtände ausgebildet haben und äußerlich in Gesetzen
darſtellen, das vernünftige, wahre, das seine Woblthaten gleichmäßig
Allen spendet? Ein flüchtiger Blick in die Verhältnisse des Lebens
bekundet das Gegentheil. Gleichheit vor dem Gefetze iſt der Ruf der
Zeit, aber nicht eine blos äußerlich, formell stipulirte, sondern eine
Gleichheit, die ihren wahren Inhalt im Leben durch gleiche Berech-
tigung eines Jeden auf Genuß und Bildung finden. Wohlan denn!
laſset uns die drohenden Uebel ableiten zum Wolle der Menſchheit
durch die volle Bethätigung der Gerechtigkeit, aber einer höheren,
als ſie jett geübt wird, lasset uns das Üebcl an der Wurzel an-
greifen, und in die Geſellſchaft friſchere, lebenskräftige Säfte leiten,
die edle Früchte hervorbringen können; die ſchlechten Säfte zerfressen
und entnerven den Baum, daß er beim erſten Sturmwind ſtürzt.
Nicht die Strafen beſſern, sondern die Erziehung.... ..., .

Der Organismus der freien Geſellſchaft verlangt Bildung
sür Alle und Jeden; er gibt es nicht zu, daß ein Theil der Men-
schen in Unwissenheit erhalten werde, um deſsto besser beherrſcht zu
werden, er vernichtet den Autoritätenglauben und das Vorrecht, das
nur mit Bedrückung beſtehen kann; der Organismus beruht in dem
Jneinandergreifen der verschiedenen Thätigkeiten, nicht auf einem Ge-
geneinander, nicht in Haß und feindlicher Ausschließung Gleichberech-
tigter von den gesellſchaftlichen Güternz alle Kräfte sollen harmoniſch
vereint zu dem Zwecke der Begründung eines vernünftigen und glück-
lichen Gesellſchaftsverbandes hinarbeiten. In der ineinandergreifenden
mannigfaltigen Jülle des Geiſtes, in der Wechselwirkung aller Thä-
tigkeiten liegt die wahre Ordnung, nicht im Zwange abgeſchloſſener
Kasten und künstlicher Sitte. Diese Ordnung ist aber nicht da, wo
das herrschende Prinzip die Vereinzelung und Unterdrückung iſt. Die

Aufgabe jeder Erziehung sollte es sein, den Menſchen zur Erkenntniß

des Rechtes seiner Person, seiner individuellen Freiheit zu erheben,
die er gerade nicht berufen iſt der ganzen Gesellſchaſt zum Opfer zu
bringen, daß er neben seinem Verhältnisse zu dieser auch Selbstzweck
iſt, berufen zur freien Bethätigung seiner natürlichen Kräfte, daß er
in dem Getriebe des Ganzen keine Maſchine, sondern ein thätiges

Glied, ein bewußt und vernünftig handelndes iſt, das sein Glück in

die Verwirklichung des allgemeinen Glückes zu setzen lernen ſoll; der
Dualismus von Geſellſchaft und Menſch wird zur Einheit in dem

gemeinſchaftlichen Zwecke, in der vernünftig organiſirten Geſellſchaft

hört die Entfremdung des Einzelnen von der Gesammtheit auf. Es
gilt, die Gesellſchaft nach den nothwendigen Forderungen der Er-
keuntniß mit Bewußtsein zu ordnen; der geſsellſchaftliche Organismus
soll ein freiwilliges Erzeugniß der Vernunft werden, nicht der Will-
tut rf der Gewalt Einzelner, oder gar eines unbewußten In-
tinktes......

Nicht Unordnung wollen wir, sondern Ordnung, eine bewußte, le-
benskräftige, in der Jeder seine Stelle ausfüllen, Jeder einen Beruf,
eine Beschäftigung wählen kann, zu welcher innere Neigung und
Fähigkeit ihn beſtimmen, so daß dieſe Beſchäftigung als freier Aus-
druck seines Lebens, seiner Cigenthümlichkeit, sowohl materiell ihn
ficherſtelen, als auch ihn befriedigen und beglücken kann. Die Ar-

beit sollte nicht bloß ein Sclaventienſt zur Erwerbung der nothdürf-
tigſten Mittel, der Exiſtenz, sondern eine aus dem freien Willen

hervorgehende, allseitig beglückende Thätigkeit sein. Denn Niemand
vermag glücklich zu sein, der zu einem ihm nicht zusagenden Beruf
gezwungen wird, nur weil er dabei sein beſſeces Auskommen hat,
als bei einem selbſt gewählten. Wer aber will die jetzige Unmög-

lichkeit der freien Berufswahl beſtreiten? Der Proletarir win

Proletarier und damit iſt seine Geschichte im Voraus beſtimmmtz

wer sich aus niederer Sphäre einmal in höhere emporſchwang, büßte.

nicht selten das Edelſte, was er hatte, ein, die Offenheit, den Charak-

ter. Die Fälle, in denen das Talent aus seiner Dunkelheit sich em-

porarbeitet, wiegen wenig in der Masse der entgezengesetzten Erſchei-
nung; das Schooßkind des Glückes hat wohlfeile Tugend....

Heidelberg, 9. April. (Oberrhn. Ztg.) Ein ernstes Schau-
ſpiel, welches aber auch manche lächerliche Scene darbot, wurde ge-
ſtern und vorgestern hier aufgeführt. Die Ergänzung der Hälfte
des großen Bürgerausſchuſſes gab zu einem Wahlkamyfe Veranlaſ
ſung, wie er bisher -- selbſt nicht einmal bei der Deputirtenwahl
D hier noch nicht gesehen wurde. Die servile Partei entwickelte bei
Weitem mehr Energie als die liberale, und ging in ihrer Taktik
so weit, daß sie die Verwaltung des Bürgermeiſters Ritz haupt
nicht mehr in Schutz nahm, und den Kampf als einen zwiſchen 2
rivaliſirenden Gesellschaften ~ der Harmonie und dem Bürgerverein
..> darsſtellte; nicht minder suchte sie die leichtgläubige Menge dadurch
irre zu führen, daß sie von unerſchwinglichen Umlagen sprach, welche
— veranlaßt durch ein Deficit von 61,000 fl. – die Ülberalen
schnell gedeckt haben wollten, während sie durch eine Capitalaufnahme
den Beutel der Pflichtigen schonen würden. Man erblickte das frü-
her selten stattgehabte Schauspiel, daß die Ariſtokratie des Bürger-
ſtandes mit der unterſten Klaſſe Bruderſchaft machte, Großhändler,
Particuliers, die erſten Gaſtwirthe (im Prinzen Carl und holländi-
ſchen Hofe) vereinigten ſich mit Lohnbedienten, Maurergeſellenrc., (die
allerdings auch sehr wackere Bürger sein können). Allein der ge-
ſunde Sinn der echten Bürger siegte über die künſtliche Vereinigung.
Gu: Liberale gingen glänzend durch. Der Jubel hierüber iſt
allgemein.

Breslan , 7. April. (Bresl. Z.) Auch in Trebnig hat ſich
am 3. eine deutsch-katholiſche Gemeinde gebildet.

Berlin, 9. April. Dem Vernehmen nach haben die hiesigen
Communalbehörden beschloſſen, die von Mitgliedern der über die
Waisenangelegenh eit erwählten Deputation verfaßten Gutach-
ten, gemäß §. 14 der Instruction zur Städteordnung, vermittelſt
Abdruck zur Kenntniß des Publikums zu bringen und erſt
nachdem die öffentliche Stimme sich hierüber wird aus-
ge spr ochen haben, über diese das Publikum so sehr interesſircnde
äUngelegenheit definitiven Beschluß zu faſſen. Wie der hierdurch an
den Tag gelegte Fortschritt nur erfreuen kann, so dürfen wir mit
Zuversicht erwarten, daß iener also herbeigeführte Beſchluß ſegens-
reich auf mebr als 3000 Waisen einwirken werde, deren Verpflegung
der hiesigen Commune odbliegt.

(..) Aus Westphalen, im April. Das ,„Weſtphäliſche
Dampfboot-. geht rüſtig vorwärts, obgleich es mitunter von der Fe-
der des Censors stark mitgenommen wird. Vor einigen Wochen er-
ſchien das „„Februarheft- desselben, das außer den beiden leitenden
Aufsätzen „Münchhauſens Colonie," die Eigenthumsfrage erörternd
und Blicke in die Gegenwart“ über das Vereinsweſen für die
arbeitenden Klaſſen, mehre interessante Correſpondenzenſammlun-


 
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