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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 207 - No. 237 (1. August - 31. August)
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Sonntag



Mannheimer Abendzeitung.

ZT. August

; §r er ate diegeſpaltene
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deren Raum 3 kr. Jnſe-
rate, worüber die Redak-
tion Auskunft zu erthellen
hat, die Zeile oder deren
Raum 4 kr. + Briefe
und elt erbittet man
ranco.

1845.









Deutſchland.

* Mannheim, 21. Aug. In einem Aufsatze über „basleri-
ſche Gewerbverhältniſse" verlangt die „Schw. Nation. Z.- vermehrte
Strenge gegen das Hereinbringen von Handwerksartikeln aus dem
benachbarten Deutschland und Frankreich, denn es sei gutmüthige
Schwäche, ja Dummheit, wenn man gegen die, welche von allen
Seiten den Canton mit Mauthen uingeben, nicht ähntiiche Vorkeh-
rungen treffe. Ein solches Schutzſyſtem läßt sich nun ohne Zweifel
wenn auch nicht ohne Schwierigkeiten für die Stadt Basel ziemlich
durchführen; heilſamer für die dortigen Gewerbszuſfiände erscheint je-
doch die von der Nat. Z. verlangte Hebung der geiftigen und ge-
ſchäfilichen Ausbildung des Handwerkerſtandes und zeitgemäße Umge-
ſtaltung der Zunflverhältnisse, von welchen sie uns folgendes auch ander-
wärts zutreffendes Bild gibt. Durchblättern wir, sagt fie, die Proto-
colle des Polizeigerichts, so finden wir:

„Wie da der Schlosser den Mechaniker verklagt, weil dieser

einen Laden angeſchlagen, und den Ofenfabrikanten weil derselbe ein
Schlosser sein will; der Tapezier er den Sattler verllagt, weil er
eine Matratze gemacht, und den Buchbinder weil er eine Stube aus-
tap ziert; der Schr einer den Zimmermann verklagt, weil cr eine
geſtemmte Thür verfertigt, den Glaser, weil er eine Fenſterrahme,
den Stuhlſchreiner, weil er einen Stuhl gemacht; der Glaser den
Schreiner verklagt, weil er eine Scheibe eingeſett; der Drechsler
den Schreiner v.rklagt, weil er einen Drechslergeſcllen hält; der Kü-
fer den Kübler verklagt, weil er ein zweiſäumiges eichenes Faß ge-
macht; der Groß vie h metzg er den Kleinviehmetzger verklagt, weil
er ein Groß- Vieh geschlachtet und umgekehrt; der Tüncher den
Maurer verklagt, weil er eine Decke geweißt; der Sch mied den
Maurer verklagt, weil er sein Werkzeug selber spitzt; der Perrüquier
den Barbier verklagt, daß er Cinem die Haare geschnitten, und end-
lich der v . rh ur r Perrüquier, weil er Einem den Bart zuge-
ftitztz u. s. w. u. f. w."
f b' t. (iaubet, sagt sie, daß diese Thatſachen wohl dafür als Beleg die-
nen können, daß eine freier e Bewegung noth thut, und daß man
nicht nöthig hat, wie die Katze um den Brei herumzugehen, um zu
wiſſen, woran man iſt. ~ Wir wollen keine Gewerbsfreiheit, wir
woll.n nicht, daß der Handwerfsſtand zum Vasallen der Capitaliſten
werde, welche durch fabrikmäßigen Betrieb der Gewerbe die Concur-
renz der Einzelnen zur Unmöglichkeit machen würden, wir mien
aber im Intereſſe des Handwerkers sſelbſt wünſchen, daf ein freie-
rer Geiſt in unsere Zunfteinrichtu ngen komme, wir müſſen
wünſchen, daß der Handwerksſtand in intellectueller unt te ch-
nisch er Brziehung sich so heranbilde und von obenherab herange-
bildet werde, baß er mit den Anforderungen der Zeit gleichen
Schritt halten kann, und die fremde Concurrenz nicht zu
fürchten braucht, was namentlich durch die von uns shon so oft an-
gerezte Einritttung einer tüchtigen Gewerbsschule gesſchchen kann.
Wir müssen wünschen, daß der Kleinigkeitsgeiſt, der Zopfgeiſt, der
ſeine eigentliche Residenz in den Zunfteinrichtung en hat, ſchwinde,
und daß mehr gegenseitige Duldung, mehr Gunft, als die uns bei
jedem Anlaß entgegengrinsende Mißgunst, Platz greifen möge, so daß
das Sprichwort endlich zur Lüge werde, taß Einer ein Auge her-
gäbe, wcnn er den Andern an allen beiden blind machen könnte. ~
Daß aber unsere Zunft-, reſp. Hantwerksgeſetze, einer mannigfachen
Umgestaltung bedürfen, läug net wohl der ärgſte Feind der
GBewerbsfreiheit nicht.“

Mannheim, 29. Auguſt. In den Ostseeprovinzen iſt man
gegen Schutzölle, verlangt aber Schutz für die nationale
Schifffahrt. Mit Leyterm sind wir vollkommen einverftanden.
Die „ Börsen - Nachrichten - schreiben: Die in Stettin mit ihren
Schiffen liegenden Mecklenburger und Hannoveraner beeilen sich, die
ihnen offerirten billigen Frachren nach den englischen Häfen ohne
Brdenken anzunehmen; ob sie dabei ihre Rechnung finden, muß da-
hin geftellt bleiben, gewiß iſt aber, daß unſere preußischen Schiffer
icht so billig annehmen können und demnach gezwungen sind, ihre
Schiffe anzubinden. Jegt iſt der Zeitpunkt gekommen, wo Preußens
Rhedereien es am Meiſten fühlen werden, was das den Mecklenbur-
gern und Hannoveranern von England bewilligte Privilegium be-
deutet, nämlich : daß ſelbige gleich nationalen Schiffen aus allen

‘gesellt, um die Calamität unserer Rhedereien zu vermehren.
Hoffnung läßt nicht zu Schanden werden, und so dürfen

von der Ems bis Memel gelegenen Häfen nach engliſchen Häfen
Produkte verführen dürfen. Jeder im mercantilischen Fache Einge-
weihte wird wissen, daß alljährlich eine Periode eintritt, wo eine
auf den Getreidemärkten Englands ſich zeigende Steigerung der
Preise auch vermehrten Begehr nach Schiffsräumen hervorbringt.
Dieser Zeitpunkt iſt bisher für preußische Schiffe am Lucrativſten
gewesen, und mancher Rheder rechnet mit ängſtlicher Sorgfalt auf
selbigen, um die im gewöhnlichen Geschäftsgange gehabten Verluſte,
die leider nur zu oft kommen, auszugleichen; allein, auch diese lette
Aussicht iſt ihm durch Rivalität der Mecklenburger und Hannove-
raner zu Wasser geworden. Man war berechtigt, vom Staate zu
hoffen, daß derselbe Schutzmittel anwenden würde, um unſere so
ſtark benachtheilizten Rhedereien gegen das erwähnte Privilegium zu
ſchützen, allein bis heute haben sich die Dinge nicht geändert, und
den Rhedern bleibt nichts als Resignation übrig, um ihr Schicksal
zu beklagen. Zu dem Sundzolle hat sich nun auch noch die schon
mehrfach erwähnte Rivalität der Hannoveraner und Yelena
o

denn auch wir uns dem Glauben hingeben, daß die Zukunft andere
tts rl! en we. t; Mitte Auguſt. Unlängst beschwerte
sich Jemand bei der Staatsbehörde wegen Fälschung eines Aktenſtückes,
deren sich ein Beamter schuldig gemacht. Die Behörde wies die Klage
zurück, weil der Beklagte unter der Regierung ftehe. Die fernere
Verwendung bei noch drei andern Behörden hatte keine andere Folgen,
qls daß der Kläger um seine Acten gekommen iſt. – Letzterer, ein

Schullehrer, der ebenfalls unter der Regierung ſtcht , ward ſüngſt der

Injurien angeklagt, weil er richterliche Urtheile beleuchtet; dieselbe Staats-
behörde macht ihm ohne Umstände den Prozeß. Allmälig dürfte ſich
ein klares Licht über die rheiniſchen Rechtszuſtände verbreiten.

~ Königsberger Nachrichten zufolge iſt Dr. J a e o bi zu Königs-
berg , Verfaſſer der vier Fragen , von dem dortigen Oberlandesge-
richt wegen eines neuen Preßvergehens zu zweijähriger Feſtungsſtrafe
verurtheilt worden. Inculpat will dagegen das Rechtsmittel der
Appellation bcim berliner Kammergericht einlegen. (Würzb. Z.)

~ Die Bremer Zeitung erzählt, daß am A. Juni in Saratow
130 Rekruten moſaiſchen Glaubens , welche Ende Mai zu dem Ba-
taillon gekommen waren. in einem Tage zum Chriſtenthum übertraten
und getauft wurden. Die Tauſe gefchah am Ufer der Wolga, wo
das Taufbecken aufgeſtellt war.

~ (Sttl. 3.) Nachstehende Erzählung ist einer sehr glaubwür-
digen Privatcorreſpondenz aus Prag entnommen. Bei Prag iſt ein
großer Ablaß verheißen, um dem Gift der neuen Lehre möglichſt entgegen zu
wirken, deshalb werden geiſtliche Bücher verkauft und vertheilt,
die aber nur von den Geistlichen ſelbſt ausgegeben werden, nachdem
ſie durchgesehen und gestempelt worden, Zum bequemeren Stempel
werden die Büchelchen (deren Inhalt somit dem Titel nach bekannt
ift) halb gebrochen. Dienſtfertige Helfer überhoben die Kirchenväter
des schweren Amtes und brachten ihnen schon vorher das Buch zu-
ſammen, so daß sie den Titel lesen und sich von der ächten Römlich-
keit des Buches überzeugen können. So wurden 40,000 Stück ächt
fromme Bücher gestempelt und vertheilt und nun erſt findet man
daß inmitten eines jeden solchen Buches der Zuruf Ronge's liege.
Gleich werden nach allen Gegenden Leute geschickt, um die entsegliche
Broschüre wieder einzuziehen, aber es gelingt taum den vierten Theil
zurück zu erhalten, und in 30,000 Exemplaren wandert jetzt Ronge's
Zuruf durch das Böhmer Land.

Von der Eider, 21. Auguſt. (Hamb. Corr.) So eben ver-
nehmen wir, daß der conftituirte Polizeimeifter in Schleswig, der
Hardesvogt Jak obsen, durch die ſchleswig - holſteiniſche Regierung
in Folge h öh erer Ordre sus pendir t worden ift. Nach
Einigen soll diese Maßnahme darauf zurückzuführen sein, daß derselbe,
welcher in seiner Qualität als Polizeimeiſter zugleich die Censur
des „Eck.rnf. Wochenblattes“/ hat, den daſelbſt abgedruckten Proteſt
des Dr. Heiberg wider das Fahnenreſcript hat paſſiren laſſen, nach
Andern soll man höheren Orts mit der Haltung des conſtituvirten
Polizeimeiſters bei Gelegenheit des dem P. Heiberg gebrachten Hochs
nicht zufrieden gewesen sein; von allen Seiten abcr wird die ver-


 
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