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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 268 - No. 298 (1.October - 31. October)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#1131

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A\â_268.



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durch die Poft bezogen im
anzen Großherzogthum
wre 2:fl. 8.kr. , im
Ausland erhöht fich das
Ubonnement um den Poft-
aufſchlag.

t

Naunheimer Abendzeitung.

“ze r. In sr ats die zeſpaltens
Zeile in Petitſchrift oder
deren Raum 3 kr. Znſs-
rate, worüber die Redak-
tion Auskunft zuerthéiler
hat, die Zeile oder derer
Raum 4 kr. ~ Hriefe
und "eth erbittet man
anco.

1848.









Mittwoch

Deut9ſchland.

* Mannheim, 30. September. In - Betreff der schnellen,

unheilvollen Geſinnungs-Aenderung der Durlacher, die sich bei der
letten Abgeordneten-Wahl zeigte, sagen die wackern, wieder rüſtiger

hervortretenden iSeeblätter“ ~ und außer den Durlachern mögen

auch Andere ſich's gesagt sein laſſen ~ u. A. Folgendes :

„Zunächſt muß man über die Characterloſigkeit von Bürgern

klagen, die ſich, sei es durch Wein oder Geld, oder sei es durch
Versprechungen von Bezirksſtrafgerichten und andern glänz nden Din-
gen, sei es aus persönlichem Haß gegen einen liberalen Abgeordne-
len, oder ſei es endlich, wie die karlsruher Zeitung sagt, aus
gemachten bittern Erfahrungen- (?? ?) bestimmen laſſen,
die Farbe zu wechseln und für eine Partei zu stimmen, die nur zu
deutlich ihr Streben erkennen läßt; man muß das Schicksal der Bür-
ger bedauern, die in ihrem großen Indifferentismus in die leitenden
Hände von Menſchen fallen, über welche die unparteiiſche öfsentliche
Stimme ſchon längſt und nicht zu Gunsten abgeurtheilt hat; vor Al-
lem aber muß man den grenzenlosen Leichtsinn der Gemeindevorſtände
und der Bürger anklagen, welche das Virtrauen ihrer Mitbürger
in hohem Grade besiten; + anklagen die große unverantwortliche
Gleichgültigkeit für die politische und selbsiſtändige Ausbildung ihrer
Mitbürger, die es geſchehen ließ, daß die herrliche Gesinnung von
1842, die damals trotz einem Regiment Garnison und trot allen
Drohungen einer gewiſſen Partei dem liberalen Principe huldigte,
zu Grunde ging. Watrlich es iſt nicht die einzige Pflicht der Ge-
meindevorſtände, für den materiellen Wohlstand ihrer anvertrauten
Grmeinde zu sorgen, nein, eine höhere Pflicht gebietet ihnen, ſich

auch um die geiſtigen Fortſchritte ihrer Mitbürger zu kümmerng –~
blickt doch nach andern Orten, ihr hohe Herren! Blickt nach Kon-

ſtanz auf ben trefflichen Bürgermeisſter Hüetlin, blickt nach Heidelberg
auf unsern alten Vater Winter, blickt nach Lahr und ihr werdet
Gelegenheit haben zu sehen, in welcher Weiſe Gemeindevorſtände für
ihre G.meinden zu sorgen haben –D und ihr Bürger! die ihr
durch eure Vermögens- und Geschäftsverhältnisse völ-
lig unabhängig und fret ſtind, laßt ab von eurem Alri-
ſtokratismus und betrachtet den weniger Reichen auch
als Euresgleichen, ebcnfalls empfänglich für edle Ge-
ſinnung und echten Patriotismus. Es iſt nicht genug, in
îöffen.licher Gemeindeverſammlung das große Wort zu führen und
aufzutreten gegen Ungerechtigkeit und Willkürherrſchaft eines Gemein-
deraths, es gibt noch eine andere öffentliche Thätigkeit eines tüchti-
gen Bürgers, ſie heißt: seine Mitbürger durch Wort und That,

durch mündliche Unterhaltung und durch volksthümliche Schriften ſo
zu bilden, wie ein conftitutioneller Bürger gebildet scin soll; die

Mittel, dieses erhabene Ziel zu erreichen, sind leicht zu finden und
auszuführen,, sie erfordern rur Muth und Ausdauer; mit der ge-
wöhnlichen Rechtfertigung , als „sei mit den Leuten iben nichts an-

zufangen, welche den ganzen Tag bei ihrer Arbeit sitzen oder den

ganzen Tag hinter dem Pfluge herlaufen- — kann fich ein echter
Bürger nicht vertheidigen — denn an andern Orten zeigt die Er-

fahrung, daß gerade unter den Bauern und Handwerkern großer

Sinn und Eifer für öffentliche vaterländische Zustände neben häus-
lichem Wohlſtande herrscht“. Ö

Konſtanz, 26. Sept. (Sreblätter.) In einer vorberathenden

_ Sitzung von etwa 80 Personen im Gasthaus zur Kroné dat ier wurde
geftern die Gründung cines Le severe ins in freiſinnig kirchli-
< er Richtung besſchleſſen, nachtem in einer vierfündigen Verhand-

lung der Grundsaz ausgesprochen worden war , daß nicht bloß das

Lesen der dieſem Sinn entſprechenden Schrifien Zweck des Vrreins
, fei, sondern daß derselbe haupiſächlich tie Unter ſtüzung der auf-
_ gfsrebenden deutſchkatholiſchen Kirche bezwecke und nach Um-
ſtänden die Gründung einer Kirchengemeinde in biesiger

_ Stadt sich vorbehalte. Nachdrücklich durch Besſchluß sprach sich vie
. Hersammlung dahin aus: daß ſi: praktischer kirchlicher Reform hul-
_ dige, und der gemachte Gezenantrag , sich lediglich auf einen Leſever-
kin ohne weitergehenden Zweck zu biſchränken, konnte bloß wenige

.. ä mmen auf fich vercinigen, ohngeachtet er mit großer Haiträckig-
Wit yrrtheidizt worden war. ~ Cbenſo erklärte di! Verſammlung über
den ihr gemachten Vorſchlag zur Petition um Synoden faſt ein-

1. October

inüthig; daß ſie ſich davon keinen Erfolg verspreche. Der erſte

Scthritt zur Mitwirkung an dem Werke der urkatholiſchen

Reformbewegung iſt somit geschehen, er wird nicht ohne
Fortgang sein, fofern die Vereinsglieder Huſſens Mahnung iw letz-
ten Sendſchreiben an seine Freunde nicht vergeſſen: –

Berlin, 22. Sept. (Brem. Z,) Durch die hier so eben erschienene
Brochure: „Der Geiſt der Evangeliſchen Kirchenzeitung" (von Meyen),
wird vielleicht der ſtärkſte Schlag gegen dieses Inflitut und die Par-
tei, welche in demselben vertreten wird, geführt, der sie nur irgend-
wie treffeu konnte. Der proteftantiſche Katholiziemus wird darin
mit seinen eigenen Waffen geschlagen; denn katholisch kann man diese
Partei wohl nennen, da ſie von ſich selber sagt: „daß sie das ers-
habene Privilegium geni:ße, katholisch sein zu dürfen und doch nicht
römische, Das Motto dieser kleinen Schrift iſt ein s ehr beachtens-
wecrther Ausspruch Friedrich's res Großen und lautet: „„Man jagt
die Vorurtheile durch die Thür fort, und sie werden durch's Fenfier
wieder hereinkommen. Ein Frömmler an der Spitze des Staates,
oder ein Ehrgeizigtr, der ſich aus Eigennutz mit der Kirche in Ver-
bindung einläßt, wird in einem Tage das ganze Gebäude umſtlürzen,
das man kaum in zwanzig Jahren mit vieler Mühe aufgeführt hat.
Die kleine Vorrede sucht über die confeſſiqnellen Stellungen und reli-
giöſen Kämpfe der Gegenwart oriertiren und ftellt als Ansicht auf,
der jetzt sehr enge Rationalismus wolle die demokratische Seite des
Chriflenhums geltend machen, und nachdem er lange seine sociale

Berdeutung aus tem Auge verloren und nur darauf bedacht sei, ſich

als Hierarchie und Sache ter Lehrer zu conſtituiren, wieder ein Ge-
meindeleben erwécken. Gegen rie craſſe, aber consequente Poſitivität,
wie ſie ſich in der evangelischen Kirchenzeitung darfiellt, hat der He-
rausgeber der kleinen Schrift die richtigſte Weiſe des Kampfes er-
wählt, indem er die Ansichten und Grundsätze ter Evangeliſchen über
die Bedingungen der Gegenwart, über die Bedingungen des Lebens
wortgetreu zusammenſtelltt und dadurch den ſicherften Beweis liefert,
wie der Hengſtenbergianismus nicht nur mit dem Proteſtantisn us,
sondern auch mit dem menſchlichen Geifte überhaupt in den ſchneiden-
fen Widerspruch geräth. Als kräftiger Mitarbeiter Hengſtenberg's
zeigt ſich Hr. Heinrich Leo , der bekanntlich das Freche Denken- er-
fundcn, eine niederländiſche Geschichte zur Verherrlichung Pbilipps II.
und Herzog Ulba geschricben ba: und der in seiner Univerſalge!chichte
von Luther sagt: „Mi gewaltiger kämpfender Fauſt schlug Lutyer
in. ein Kunstwerk des men!tlichen Geiſtes, an welchem derselbe oſt
unter Goties ſichtharer Leitung ein Jahrtausend gebaut, und tesſen

Herrlichkeit urd innere Ticfe zu durchſchauen Luther viel zu beengt

in Biltung und Wissen war!, Das hierarchische Princip der evan-
gelischen Kirchénztg. spricht sich eclatant in den Worten aus! ,. Als
Mitglied dcr Kircde iſt der Landesgere selbft auch durch und auf ihre
Symbole verpflichtet urd kann daher kein souveräner Herr derſelben
ſeins, und aller Groll, aller Haß dieser proteſtantiſchen Hierai chie
wendet ſich gegen das prwußiſche Lantrecht, defsen geſctzliche Beſtim-
mungen ein Product des Rationaſliemus ſind; es iſt ,„uncthriftlich -
und „ges iſt bctrübend, zu bemerken, welche Geſstnnungen und Hand-
lungsweise selbſi dieses G:setzbuch für zulässig erklärt und sanctionirt hat.
Von Friedrich dem Großenheißt es, er have den Grundsatz ausgisprochen,
in ſeinen Staaten könne Jeder nach ſeiner Fagon selig werden, ,,den
man leider auch noch jettt so oft beifälliz wiederholen hört.“ Sehr
drohend erklärt sich die evangeliſche Kirchenzeitung gegen alle Die,
welche in der hoden Moralität, in der unmittelbaren freien Einigung
des Willens mit dem Sittengesetz die Substanz des Chriftenthums
finten, indem sie Schillir zu ihnen rechnet und ihn als einen Haupt-
repräsentanten seiner ganzen Zeit ansiebt, sagt sie sehr naiv: ,„Gett
sei Dank, taß ein Menſchenalter hingereicit hat, sie in ihren tietſten

_ Fundamenten zu urtergraben und in die Luft zu sprengen. " Bon

Strauß sagt Leo, was er gethan, rrsei sittlich furchtbarer, läſterlicher
als Mordbrand, Schändung nd Hochverrath gegen irdische Maje-
ſtäten zuſammengenommen-1; von Rage heißt es, was er Proleſtanti-
smus nenne, sei , ſcheußlicher als Vatermord, schredlicher als S...... :..
denn es ſchließe alle Gräuel der Welt ein'; die deutschen Jahrbücher
werden gar nicht anders als +f+ Jahrbücher genannt, und von den
literariſchen Leiſtungen Bruno Bauers heißt es, daß ste Fufelgeruch
ausathmen, daß fich in ihnen leidenſchaftliche Rohpeit und unngtür-


 
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