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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 238 - No. 267 (1. September - 30. September)
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Freitag

: Mannheimer Abendzeitung.

19. September



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deren Raum 3 kr. JZníſs-
rate, worüber die Redak-
tion Auskunft zu ertheilen
hat, die Zeile oder deren
Raum 4 kr. –~ Yriefs
und Gel erbittet man
ranco.

1845.



* Prei Landtage.

Wohl zu keiner Zeit hat das deutſche Volk mehr Grund gebabt,
mit Spannung die nächſte Zukunst zu erwarten, als in gegenwärti-
gem Augenblick. Wer möchte es läugnen, daß Deutschland einer ent-
ſcheidenden Kriſis nahe, wer möchte die Bedeutung der gegenwärtigen
Zeit verkennen? JIn allen Sphären des geiſtigen, des politischen, .re-
Tigiöſen und socialen Lebens haben sich Gegensätze gebildet, die nach-
gerade ſo schroff einander gegenüber sich zu ſtelln angefangen haben,
daß an eine längere Dauer des bestehenden Zuſtandes, an ein länge-
res feindliches Nebeneinanderftehen der feindlichen Elemente nicht wohl
gedacht werden kann. Durch alle Räume und Verhältniſſe des Lebens
sucht die Freiheit zu dringen und hat den Kampf mit der Unfreiheit,
mit dem Zwange begonnen, hat die schlummernden Dämone des
Unrechts jeglicher Art geweckt und zum Kampfe aufgefordert.
Staatsbürgerliche Freiheit kämpft mit politiſchem Gewissens - und
Denkfreiheit mit kirchlichem Absolutismus und mit dem hiſtorischen
Unrecht, mit der unnatürlichen Gesellſchaft,, die ſich zum Bewußtsein
gekommene Menschenwürde um Anerkennung der Menſchenrechte für
‘alle Glieder des Volkes, das Mitielalter mit der Neuzeit, mit der
Denkweise der Gegenwart, mit allen Ideen und Einrichtungen der
Zeiten der Unfreiheit, die wir hinter uns haben. Wir befinden uns,
wer vermöchte es zu leugnen,

Verhältnisse unseres geſellſchaftlichen Lebens besſeelen, ob die Nieder-
haltung theils wiederkehren, theils auf's Neue sich befeſtigen werde,
ob es freie deutſche Bürger geben, ob es jedem Einzelnen überlaſsen

dhleiben werde, nach seinem individuellen Gefühle seinen Gott zu ver-

ehren, öder ob er seinen. Glauben nach den Formen und dem Willen
einer geiſtbeherrſchenden Staateskirche einrichten müſſe.

Es möchte im gegenwärtigen Augenblick zeitgemäß sein, auf
. bie Kampfpläte der Ideen, auf die Werkſtätten des sich von in-
nen herausbildenden Fortschritts das Augenmerk zu richten. In Kur-
zem werden faſt zu gleicher Zeit ? deutsche Kammern sich versammeln.

! In drei deutschen Staaten werden fich die Ständeſäle öffnen, um die

Volksvertreter aufzunehmen und in der batischen, sächsischen und baieri-

ſchen Volkskammer wird — eine in Deutschland sonft seltene Erschei-

nung — wirder ein freies unzenſtrtes Wort erſchallee. Von den oben
angeführten Zeitintereſſen werden natürlich nur die politischen und
religiösen in den Ständekammern ihre Vertreter haben, die sociale
Frage iſt von zu radikaler Natur, und für ihre friedliche Löſung zu
wenig Hoffnung vorhanden, als daß die Deputirten eines conſtitutio-
nellen Staates, welche ja nur bis zu einem gewiſsen Census herab
Wähler find, sie zum Gegenftand ihrer Erörterung machen könnten.
. Desto mehr aber werden die beiden erſten Fragen debattirt werden.
Beirachten wir nun vorerſt die ſächſiſche und badische Kammer ~ ver-
"schiedene Gründe, worüber weiter unten, sprechen für ihre Trennung
von der baieriſchen , so iſt hinsichtlich des Stoffes, der unzweifelhaft
Von ihnen verarbeitet werden wird, eine große Aehnlichkeit vorhanden,
niéhtminder gleichen einanderdie beiden Kammern bezüglich des Geiſtes, wel-
"ther ſich in beiden bethätigen wird. Zwar iſt die sächſiſche nicht so
viel demokratisch zuſammengesettt wie die badische, zwar hat die ſäch-
: ſiſche Elemente in ſich, z. B. die Abgeordneten des Ritterſtandes, wel-
che in keine Volkskammer gehören; zwar ift die ſächsiſche Kammer nicht
. ine Volksvertretung ſondern eine Repräsentation der verschiedenen so-
genannten Stände, aber troß dem zeugt sie durch ihre diesmalige Zu-
ſammensegßung von einem Geiſte der Freiheit, der in dem Volke le-
bendig war. Wie in Baden so iſt diesmal auch in Sachsen eine so-
' genannte Opposition gewählt worden, welche den Vertretern des Rück-
critts gegenüber ihre Stimme kräftig für die Sache des Volkes er-

heben wird, und es ift deßhalb zu erwarten, daß in der nächſten
. Zeit an der Elbe so gut als am Rheine deutsche Patrioten für Frei-
"heit und Recht in die Schranken treten und den Intereſſen der Zeit
! "das Wort reden werden. Vielfache Aufforderung liegt für die Sach-

ſen dazu vor wie für die Badner. (Fortſ. f.)



mf

in der Nähe des Tages, an
welchem darum gekämpft werden wird, ob künftig die Freiheit die

Deutſchland.

* Mannheim, 18. Sept. Die rSeeblätter bringen heute in
Nachstehendem die schon mehrfach besprochene erzbischöfliche Weisung
an alle Geiſtlichen der oberrhein. Diöcese:

K onftanz, 15. Sept. Wir theilen hier unsern Lesern den
Erlaß des Erzbiſchoſs von Freiburg an die Bisthums-Geiſtlichkeit,
die gemischten Ehen betreffend, mit. Die Geistlichkeit wird durch
diesen Erlaß, welcher dem Erlaß der Regierung in derselben Sache
geradezu entgegen gesetzt iſt, in die größte Verlegenheit gebracht.
Wem ſoll die Geiſtlichkeit gehorchen? dem Erzbischof oder dem Groß-
herzog ? Beiden hat ſie den Eid des Gehorsams geschworen. Wel-

chen Eid soll sie halten? Soll ſie der Staatsregierung oder der geiſt-

lichen Regierung gegenüber meineidig werden? Man hätte von dem
Erzbiſchofe errvarten dürfen, daß er die Sache wegen der gemischten
Ehen zuerſt mit der Staatsregierung ins Reine bringen und nicht
die Bisthumsgeiſtlichkeit zum Meineide nöthigen werde.

„„Wir Hermann von Bicari, Erzbiſchof von Freiburg , Metro-
polit der oberrheiniſchen Kirchenprovinz rc. rc. an die Hochwürdigen
Erzbischöflichen Dekanate.

Wir sind veranlaßt, unsere Dekanate aufzufordern, strenge ſich
an den Erlaß des Hochwürdigen Erzbichöflichen Ordinariats vom
3. Jänner l. J., No. 108 zu halten, ebenso die Seelsorger anzu-
halten, die dort gegebene Weisung genau zu beachten, nach welcher
sie „ſich, wenn Brautleute eine gemiſchte Ehe eingehen mollen, zu-
vor mit Vorlage aller Sachverhältniſſe an das Ordinariat zu wen-
den haben, um von demſclben die nöthige Weiſungen hierüber zu
empfangen.. Diese Weisung wurde durch die Verfügung des Hoch-
preislichen Großh. Miniſteriums des Innern vom 3. Juni l. J.,
No. 6258, für die Seelſorger, welche ihrem Ordinarius den Cid
)re: Echerſans: geleiſtet, nicht unwirksam, sondern behält für sie
ihre volle Kraft. w

Unsere Absicht bei jenem Erlaß war, durch die Einsicht in die
jeweiligen Sachverhältniſſe zu erkennen, ob der katholische Ehetheil
der kirchlichen Einſegnung würdig sei, oder nicht. (Hört!) Darü-
ber vermag allein die Kirche zu entscheiden, weil der Segen rein
kirchlicher Natur iſt. (Waren denn die bisherigen Einsegnungen
kaiholischer Priester nicht kirchlicher Natur und kann dem geweihten
Priester sein kirchliches Recht der Einsegnung von Chen verkürzt oder
gar entzogen werden f ?) '

Was nun im Altgemeinen das Verfahren bei gemischten Ehen
betrifsft, haben wir Uns genau nach den Vorſchriften des Oberhaupts
der Kirche, welchem j e der Katholik Gehorsam zu leiſten
verpflichtet iſt, zu richten. Nach diesen Vorschriften wird die
kirchliche Einſegnung gegeben, wenn alle zu erh off enden Kin-
der in der katholiſchen Religion erzogen werden, v er-
weigert, wenn dies nicht der Fall iſt (113. Es haben daher die
Pfarrer in den Fällen, in welchen nicht schon durch die Landesge-
ſetze die katholische Erziehung aller Kinder gesichert iſt, einen vor
der competenten weltlichen Behörde geschloſſenen Vertrag von den
Brautleuten zu verlangen, nach welchem alle zu erh offenden
Kinder in der katholischen Religion erzogen werden (!!).

Kommt solch’ ein Vertrag in den Fällen, in welchen nicht durch
die Landesgesetze ſchon die katholische Erziehung gesichert iſt, nicht
zu Stande, hat also der Pfarrer nicht die Gewißheit, daß die Kin-
der katholisch werden, so hat er zwar ohne allen Anstand den
Heirathsbo gen auszufüllen, und die Ehe zu verkünden, ohne
jedoch der Religion der Brautleute zu erwähnen, auch
einen Verkündſchein, worin jedoch jedes Wort unterbleiben
ſoll, aus dem auch nur der Ver dacht der - Breſtim-
mung und Billigung entstehen könnte, auszustellen, und dann einer

solchen Ehe nur als testis qualilicatus et authorizabilis exeluss

omni ritu catholico durch Vernehmung der wechselseitigen Ein-

willigung zur Ehe aſſiſtiren, und die auf eine solche Weise vollzo-
gene gemiſchte gültige Ehe in die Trauungsmatrikel einzutragen.

Durch die Unterlaſſung der Benediktion wird die Ehe (von
Gott und Rechts-wegen!) nicht ungültig, es erleidet deßhalb der
proteſtantiſche Ehetheil gar keinen Nachtheil; nur dem katholischen Ehe-

.theil, der seine Kinder der katholischen Kirche entzieht, wird der Se-

gen der Kirche entzogen, weil er ihn nicht verdient.


 
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