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Mannheimer Abendzeitung — 1845

DOI Kapitel:
No. 268 - No. 298 (1.October - 31. October)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#1251

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ganzen Großherzogthum
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aufſchlag.

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ranges.



Mittwoch

29. October











Geh.-Rath von Ra um e r vor der Akademie,

+ Berlin, 24. Okt. Die Akademie der Wiſsenſchaften hat
hei der Geburtéfeier des Königs auch eine Documentation ihrer Ge-
finnung gegeben, über welche alle Preußischen Blätter berichten. F.
v. Raumer hat in der Sitzung, welche zu dieser Feier am 16.
Fiattfand, eine kurze aber inhaltsvolle Rede gehalten und dieselbe auch
gleich darauf dem Druck übergeben, in der sich ſehr bedeutſame An-
ſpielungen auf die Zuftände der Gegenwart finden. ; Raumer entscheidet
fich darin vollkommen gegen die Ansſchauungsweise der hiforiſchen
Schule und vindicirt der Bewegung der Zeit allein das Recht, über
die Geſtaltung derselben zu entscheiden. Das sind nur die unächten
und scheinbaren Freunde der Geschichte, meint er, welche die Bewe-
gung und den Fortſchritt verſteinern und unter dem Vorwanide , ihr
Dauer zu verleihen, ihr das Licht des Lebens ausblasen wöchten.
„Der wahrhaft Kräftige wird durch den Rückdlick auf die, Vorzeit zu
Toaten begeiftert, das , was hingegen jene falschen Geschichtsfreunde
aus der Vorzeit ins Auge faſſ:n, wird ihnen zur Salzsäule, um
welche sie herumsizen und sich pagodenartig Beifall zunickn, wäh-
rend ihnen zum Erzeugen und G.bären der neuen Zeit Kraft und
Wille fehlen. – Alles, was geschehen i, gehört zur Geschichte, hat
seinen Werth oder Unwerth, welchen Alter oder Neuheit weder allein
begründet, noch aufhebt. Es iſt eine leere, ein- bloße petitio prin-
reipii, wenn sich Gelehrte oder Staatsmänuer immer für das Alte
oder immer für das Neue erklären, ohne irgend tiefer in die Sache
ſelbſt einzugehen. ~ Ebensowenig führt die tausendmal wiederholte
Formel zum Ziele, daß die bloße Dauer ein Beweis und eine Bürg-
ſchaft der Wahrheit und Vortrefflichkeit gebe, die Geschichte verweiſet
mit unverkennbarer einleuchtender Flammenſchrift, daß das Freieſte
uad Bewundernswertheſte eft nach kurzer Jugendblüthe in ein allzu-
frühes Grab binabſank, und umgekehrt die irrigften Lehren, die platte-
ſten Boruriheile und unmenſchlichſen Tyranneien Jahrhunderte lang
unumſchränkt herrſchten. Wenn jedes Geschlecht, wie Friedrich II.
rur zu wahr sagt, seine eigenen Thorheiten begeht, so hat es auch
ein Recht und eine Pflicht, seine eigene Thatkraft zu entwickeln, Neues
zu erzeugen und seine eigne Weisheit an den Tag zu legen. – Wer
jene Thorheiten fördert und dieſe Weisheit trübt, begeht einen doppel-
ten Mord.. Alles Mumiſsiren der Leichen begründet kein neues Leben
und alle vorzeitigen Geburten müssen sterben. ~ Jegliches hat feine
Zeit. Die Könige, die Völker, welche wiſſen und begreifen, was an
der Zeit iſt, gehen rafilos mit ihr vorwärts, die, welche den welt-
geſchichtlichen Ton und Takt überhören oder verkennen, werden unter
dem Strome der Zeit begraben. Bezweckt eine Regierung ihr Volk
raſcher vorwäris zu drängen, als es Zeit und Natur erlauben, so
wird dieses Treibhausweſen keine tadelfreie Früchte erzeugen: fährt
eine Regierung, anstatt lenkend und fördernd an die Sache zu treten,
ſich auf dem tadelnswerthen , unglücklichen Gedanken feft, ste müſſe
wie der Hemmſchuh wirken, sie könne und dürfe auf eine natürliche
allgemein sich offenbarende Bewegung aufhalten, so wird über Kurz
oder Lang ihr Irrthum und ihre Ohnmacht zu Tage kommen.“ ~
Die Reiſe nach Amerikä scheint auf Raumer von wetentlichem Eirfluß
gewesen zu sein. Er ißt noch nie so frei mit der Sprache herausge-
gangen, als in dieſer Rede. Der Minifter Eichhorn wohnte derſclben
in feiner Gala-Uniform beit.



Deuctſchland.

. Würzburg, 23. Oktober. (Köln. Ztg.) Mit großer Span-
nung sieht man einer Schrift entgegen, welche, wie man vernimmt,
von kundiger Feder für den nächſten Landtag vorbereitet wird. Sie
ſoll sich haupisächlich über die finanziellen Verhältniſſe Bayerns ver-
breiten und in diescr Beziehung höchst wichtige Aufschlüsse über ge-
EU Fragen bringen, über welche ſich im Publikum längft allerlei

edenklichkeiten geäußert haben. Welchen Werth man auch im Mi-

niſterium auf das Erscheinen einer solchen Darftellung dis bayeri-
ſchen Finanzzuſtandes legt, geht daraus hervor, daß bereits vor
mehren Monaten, als die erſte Kunde von einer solchen Arbeit ver-
lautete, an alle Stadtfommiſsäre die gemeſſenſte Weriſung ergirg,
auf Buchpruckereien und Buchhandlungen genaue Spähe zu halten,
um, weny das Buch im Lande gedru>t oder von Auswärts einge-

bracht würde, sogleich die Beschlagnahme verfügen zu können; auch
ſollte Alles, was der einzelne Beamte über das Dasein einer solchen
Schrift etwa erfahren könnte, unverzüglich an die höchſte Stelle
berichtet werden.

Darmfktadt, 24. Oktober. (Köln. Ztg.) In den nächſten
Tagen steht rem hiesigen Ober-Appellations- und Caſſations-Gerichte
in seiner letzteren Eigenschaft eine intereſſante Verhandlung bevor.
Nämlich schon im Laufe dieses Jahres hatte der Notar M. in Mainz
über die angebliche Handlungsweise des dortigen Kreisgerichts-Prä-
sidenten St. gelegentlich eines Weinhandels mit den Weinhändlern
L. in Mainz eine Mittheilung gemacht, welche den Kreisgerichts-
Präſidenten St. veranlaßte, zuerſt gegen M. und dann gegen L.
eine Calumnienklage zu erheben. Eine Folge dieses letzteren Schritts
war dann, daß L. die Denunciation gegen den Präſidenten St. bei
dem General-Staatsprocurator des Obergerichts in Mainz eingab.
Als hierauf die Staatsbehörde am Obergerichte den Präsidenten St.
in die Sitzung des Obergerichtes vorladen ließ, hat derselbe zegen
das Obergericht eine demande en renvoi pour cause de souspi-
eion légitime bei dem Caſsationsgerichte dahier eingereicht, d. h.
ein Geſuch, worin er tie Unparteilichkeit des Obergerichtes in seiner
Sache beanstantet (also eine Art von Recusation des ganzen Ge-
richts) und die Verweisung der Sache an ein anderes Gericht be-
gehrt, und zwar, weil die Provinz Rheinhessen nur ein einziges
Obergericht besitzt, an einen Gerichtshof der beiden ältern Provinzen
des Großherzogthums, uämlich entweder an eine Section des Ober-
Aypellationsgerichtes oder an einen anderen Gerichtshof in Starken-
burg oder Oberhessen (die beiden daſigen Hofgerichte). Diese Mt
von Recuſation wird in dem Artikel 542 und folgenden der franz.
prinlichen Proceßordnung behantelt. Es iſt begreiflich, daß die ganze
Begebenheit hrer ein großes Aufsehen schon an sich, mit Rückſicht
auf die dabei vorkemmenten Berhältnisse, machtz denn ein Fall, der
ohnedies wohl sehr selien eintreten mag, ſteigert ſich doch offenbar
noch bedeutend, wenn der Präsident des Kreisgerichtes be-
hauptet, „rechtmäßigen Verdacht- zu haben, darauf bin das ganze
Obergericht recuſirt und somit die Unparteilichkeit dieses ordentlichen
höchften Gerichtes beanſtandet. Auch erscheint die Berweiſung der
Sache durch den Caſſationshof an einen Gerichtshof der beiten äl-
tern Provinzen als juriſtiſche Unmöglichkeit, da der Caſssationshof
für Rheinhessen doch als solcher in gar keinem hierarchischen Ver-
hältniſſe zu den Gerichtshöfen jener Provinzen ſteht. :

Koblenz, 25. Okt. Der Zug der Auswanderer nach der neuen
Welt, welcher mit den ersten warmen Sonnenftrahlen in dieſem Früh-
jahre begonnen und so den ganzen Sommer hindurch angedauert hatte,
iſt jetzt, da das Jahr zur Neige geht, noch einmal besonders ſtark.
Heute glich unser Rheinwerft einem großen Bivouak, so ang:füll! war
derſclbe mit Wagen, welche die Halbseligkeiten einer großen Anzahl
Leute aus dem Nasſauiſchen enthielten, die pier das Dampfboot beſtiegen,
urn 30. d. M. in Antwerprn natd Texas in See zu gehen. Es war
ein Gemiſch von Menſcher ieglicher , namentlich aber wax
die Anzazl kictaer Kinder sehr as roß.. c(7F. O. P. A. Z,)

Beriin , 22. Oct. . (Br ) Alle Nathrichter , welche
hier aus den Gebirgegegenden leſiens einlaufen, kauten äußerſt
beunrähigend und ſchildern rie dort heirſchende Armuih so stark, daß



man fich für den Winter den traurigsten Befürchtungen hingeves
muß. . Ein ganz ähnlichzr Notzzuſtand herrscht in Hinterpommern,

in Kaſſuben, nur iſt die Brvölkerung hicr indolentir, rvie sich vent
Ackerbauproletariat und Faphrifprol:tar'at immer durch die Lebendi.fcir
seiner Reaktion ganz bideutend unterscheiden. Die Ernte in Hinter-
pommern iſt schlecht gewesen, das Viey wird durch Seuthen gelichict,
vie Kartoffeln erkranken und ob auch rie Regierung durch Uebernapme
von Chaufſfeebaut.n der iwazhfenden Armuth Navrangequellen zu cr-
öffnen. ſucht, so iſt es ipr doch nitzt möglich, auch mur oie mäßizüen
Anſprüche zu befriedizen. j

Die Ausweisung des Dr. Jorran aus dem Königreiche Sachs n
hat hicr unglaublichen Eindruck gemaczt. Was ift gegen diesen Einen
Fall die uewsisürg. Carl Grür's aus Baden, dire Ausrwciſung
Ibtſtéein's und Hecker's aus Preußen! Gegen alle rise und ägnliche
Ausweisungen konnte doih noch der Stein der ,deuiſcheu Ausländerti--
geitend gemacht werden, aber Jordan war und iſt sächsscher Bürger.


 
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