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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 299 - No. 328 (1. November - 30. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#1295

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Sonntag H 9. November 1845.







Deutschland.

*+* Mannheim, 7. Nov. Die endliche Entlaſſung Se yd en-
'ſtickers aus dem Gefängniß im Wege der Begnadigung beſtätigt
ſich. Siehe Nr. 300 der Mannheimer Abendzeitung.

Aber ! die Gnade iſt, ohngeachtet der erftandenen 14jährigen Ge-
fangenſchaft und dabei bewiesenen untadelhaften Wandels an eine, bis
zum Grabe des unglücklichen Mannes fortdauernde Bedingung, an
lebensl ängl iche Verbannung aus dem theuern Vaterlande, sogar
aus Europa, geknüpft!

Das Frankfurter Journal vom 3. Nov. erwähnt aus dem Ham-
burger Correſpondenten die Verhandlungen, welche lange vor der
Entbindung der Kronprinzessin über die Freilaſſung des Gefangenen
ftattgefunden und ſich wieder verſchlagen haben. )

Seydenſticker konnte sich nach so langer Trennung von seiner
Gattin und fünf Kindern, an denen er mit Liebe hängt, nicht ent-
ſchließen, ohne die Seinigen nach Amerika zu ziehen, und doch fehlte
es ihm an Mitteln, die Ueberzugskoſten der Familie und jene des
Lebeusbedarfs in erſter Zeit zu beſtreiten, wenn sie nicht von der
hannover'ſchen Behörde gedeckt würden, worauf dieſe aber nicht ein-
gehen wollte. 'm :

So zog er es denn vor, fernerhin im Gefängniſse zu bleiben!
Der Arme wußte noch nicht, daß Deuiſchlands edle und theilnehmende
Bürger durch Beiträge von vielen Seiten her für seine Familie,
wenigſtens die nothdürftigften Mittel zur Ueberfuhr nach Amerika zu-
ſammengetragen haben und daß derſelbe helfende Geiſt nicht erkaltet
iſt, wie bereits die Ankündigung v. Ihſteins von einem zur Deckung
der Reiſekoſten beſtimmten Beitrage bewiesen hat.

Erft nach abgebrochenen Berhandlungen erhielt Scydenfticker
Kenntniß von den für seine Familie gesammelten Beiträgen und nun
xeichte nicht Er, sondern seine Gattin, nach der Entbindung der Kron-
prinzisfin mit einem Prinzen, eine Bitte um Begnadigung tin, wo-
rauf dieſe am 26. Okt. und zugleich zum Behute der Uebirſierlung
des Verbannten 240 Thlr. von der hannoverſchen Behörde bewilligt
wurden. ]

So muß denn der hart geprüfte Mann im harten Winter das
Vaterland verlaſſen, bis seine Familie ihm später mit Benutzung der
für sîe eingegangenen noch übrigen Gelder und allenfalls weitere Bei-
Iräge ibm folgen kanx.

Es ist part und schmerzlich , seine Heimath, das Land, wo man
giboren iſt, urd Freunde und Verwandte hat, ohne ausreichende
Mittel für immer verlaſſen zu müſſen.

Docb so kann es tenn dem Verbannten noch gelingen, sich in Ame-
rifa eine neue Stellung zu verſchaffen und ſerne j5samilie zufrieden
un» glücklich zu sehen, die, wie er und seine Gattin der deutscher
Mitbürger stets mit Liebe gedenken werden.

S§§ Pforzheim. Das Entſsetliche, von einizen Wenigen schon
lang? ſehr Gefürchtete, von sebr Vielen aber mit Sehnsucht Erwartete
— ift endlich geschehen! –~ Das hiesige Lokalblatt vom 5ten d. M.
No. 89. enthält nömlich folgendes „Eingesen det:

„Pforzheim, 4. Nov. Vorgeften um Z", Uhr traf Herr
NMNonge mit seinem Bruder von Stuttgart kommend hier ein, in
Begleitung einer Anzahl hiesiger Bürger und Einwohner, die ihm
theils in mehreren Wagen bis Illingen entgegengefahren, theils ent-
gégengeritten waren. Der Zug wurde schon vor der Stadt und dein
Lintritt in dieſelbe von einer zahlloſen Menschenmenge mit ſstürmischem
t Jubelruf empfangen, der den Zug auch durch die ſtets wachsende
Wienge und durch die plöglich beleuchtete Hauptfiraße bis vor die
Wohnung des Hrn. Bijouter.efabrikanten H er r e, des Vorſtandes der
. hieſigen deutſch: katholiſchen Gemeinde, bei dem Hr. Ronge als Gast
eintrat, unausgeſetzt begleitete.

Geſtern Vormittag fanden sich bei ihm die Mitglicder der jungen
_ Oemeinde zu — ciner Beſprechung ein und Nathmittazs fand ihm zu

Ehren ein einfaches Mahl ſtait, an dem über 200 Perſonen aus
YUln Ständen urd ſelbft aus der Umgegend Theil nabmen; die Ehren-
Aäte an ker Tafel, Hrn. Ronge gegenüber, naymen m: hrere der
zchtbarſten hicſigen Frauen cin und ebenso zierte ein ſchöncr Kranz
von Frauen und Jungfrauen die Tribüne. 1.9

r.:

Die Person des Herrn. Ronge iſt, worüber nur eine Stimme
herrscht, eine höchft freundliche und ansprechende Erscheinung.

So eben hat er in einem mit Kränzen geschmückten Wagen, wie
dieß auch bei seinem Einzuge der Fall war, und ebenfalls in Be-
gleitung mehrerer Wagen und Reiter unsere Stadt verlaſſen, um auf
jeiner Heimreiſe nach Heilbronn und die dort errichtete deutſch:katholiſche

Cemeinde zu besuchen.

îYNus Baden. Anm 3. Nov. hat Hr. Johannes Ronge in
Hrn. Herr e’s Haus in Pforzheim Privatgottesdienſt gehalten; den
er ft en auf badiſchem Gebiete. (Seebl.) ;
Von der Donau. (Seebl.) Am 26. Oktober und 2. Nov.
d. J. fand in Hüfingen eine Verſammlung der kirchlichen Reform-
freunde statt, wobei ſich aus den Orten Aasen, Allmendshofen, Bräun-
lingen, Blumberg, Döggingen, Donaueschingen, Gutmadingen, Hüfin-
gen, Mundelfingen, Neudingen, Pfohren und Sumpfohren 41 Mit-
glieder, wovon 40 dem Bürgerſtande angehören, förmlich zu einem
Leſeverein konſtituirten, welcher als Vorbereitung zu dem Uebergzange
zur deutschen Nationalkirche ſich vorerft gründlich mit dem Weſen uno
Streben der Reformatoren bekannt machen will. ~ Zugleich iſt eine
Vorßtellung an die erzbiſchöfliche Kurie in Freiburg aus dieſer Ge-
gend mit zahlreichen Unterſchriften abgegangen, worin die Unterzeichner

sagen, daß ihr Streben ſich auf folgende Gegenstände beziehe: 1) Un-

abhängigkeit der deutschen Kirche von Rom; 2) Abschaffung der Dÿ-
renbeichte; 3) Abschaffung der gezwungenen Eheloſigkeit der Geiſtii-
<en; A) Abschaffung der lateinischen Sprache beim Gottesdienft z 5)
Abschaffang der Wallfahrten, Reliquien-, Bilder- und Heiligenverey-
rung, Faſt- und Feiertage; Letztere mit Ausnahme der durch tie
Staatsgesctze gebotenen; 6) Abschaffung aller Stolgebühren; 7) G-
ziehung der Geiſttichen in einer dem Konoikt zu St. Peter entgegen-
gesetzten Richtung nach Weſſenbergs Grundsätzen; 8) Abhaltung von
Synoden, mit Zuzug weltlicher Mitglieder; 9) Entfernung der Hin-
derniſſe wegen der sogenannten gemiſchten Ehen, und Beseitigung aller
Verketzerungen anderer Korfeſſionsgenoſſen.

Stuttgart, 5. Nov. (Veod.) Schon seit Wothen grassirte
hier das Nervenfieber auf eine Besorgniz erregende Weiſe. Viele
Familien sind durch die Opfer in Trauer versſitzt, welche dieſe v:r-
heerende Krankheit besonders unter der Juzend verlangte. YAehnliche
Nachrichten gingen t1 der letzten Zeit aucy von Ulm ein. Doch ſcheint
die gefährlichſte Zet bereits vorüber zu sein, indem man neuerdings,
wie von weniger Anfällen der gefürchteten Krankhiit, ſo auch von
weniger Todesfällen hört. Die Städte Ulm und. Stuttgart ſind bei-
nahe alle Jahre, während rines gewissen Zeitraums, von dieser Krank-
tee ihre Liesl ngeopfer aus dem Kreise der Jugend holt, heim-
geſucht.

Aus derm RVraunſchweigiſchen, 3. Nov. (Köln. Ztg.)
Die diesjährigen Ergänzunge wahlen der sogenannten Vertreter der
Intelligenz dckunden in iprem Resultat eine Adneigung der Watdls-
männer gegen Staatsziener als Volksrepräsertanten, indem dieselben
thunlichſt durch Kaufleute, Advokaten und Bürgermeister ersetzt wor-
Hen ſind, von denen einzelne bisher noch nicht als politiſche Namen
genannt wurden, – und darin das Mißirauen, das die Ansichten
eines Staatsdieners leicht in Abhängigkeit von rer Autorität der hö-
hern Regionen oder von den Versuchungen des eigenen Ehrgeizes ge-
ſetzt werden könnten. Man verzichtet deßhalb lieber auf den Schatz
der einer gebildeten Staatsdienerſchaft in ihren wichtigen Berufekreiſcn
vorzugewerise beizumissenden Kenntniſſe urd prektiſcten Erfahrungen.
Unverhoplen gesprochen, läuft eine solche Stimmung auf einen Zmti-
fil an der volksfreundlichen Geßnnung der oberften Staatebehörten
hinaus, was wesentlich inconſtitutionnel (?) iſt ~ und vielleicht bald
zu nachtheiligem Schaden des ftändiſchen Inftituts gereicht, zumal ir
einem kleinen Lande, in welchem landſtändische Fähigkeiten nicht eben
häufig sind. Die Verantwortlichketi für dergleichen empfindliche Miß-

Verhältniſſe wird die Regierung ſchon um déßwillen + hierüber dür-
fen jetzt alle Parteien einig scin - nickt ablebnen können , weil se
allem consitutionellen Prinzip zuwider, dem Lande die Offenilichken

seiner Lanttage, selbſt 1n dem Grade vorenthält, taß nicht einmal

die Namen der Redner in den ftänt ischen Protokollen abgedruckt wer

den dürfen, und darin ein nothwendig auch im Volke Mißtrauen

hervorrufendes Mißtrauen zeigt + wie auch verarlaßt, daß tas


 
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