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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 176 - No. 206 (1. Juli - 31. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0821

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. durch die Poft bezogen im





Adonnement mit vier-
seljähr. Vorausbezahlung
in Mannheim 1 fl. 15 kr., L



anzen Großherzogthum gz
Kaden 2 fl. 8 kr., im “*
Misland erhöht fich das
flbonnement um den Poft-
haaiuſfsſshlag.

Samstag

19. Juli

Insératediegeſpsitens
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Raum 42 kr. -- Brisfs
und Geld erbittei mor

TAHCcO.





* Ileber die politische Tagespreſſe.

Es läßt sich nicht wohl mehr, selbſt von den entschiedenſten Geg-
nern verhchlen, welche Aufzabe die Tagespresse in Deutſchland hat.
Die große Menge von Zeitungen, welche stets durch neue Erscheinun-
gen bezeichnet wird, liefert den augenfällizen Beweis, daß sowohl die
Zahl der Leser, wie. die solcher Personen, denen daran liegt, auf
größere oder kleinere Kreise zu wirken, sich mehr und mehr ſteigert,
daß ein lcbentiges Intereſſe um die Fragen des Tages und der Zeit
liberall das Volk ergriff.n hat. Gewiß ein erfreuliches Zeich n; in
ihm finden wir den gegenwärtigen Geiſt unseres Volkes ausgesprochen,
und wir e balten dadurch die Bürgschaft, daß man nicht allcin eite
lebendigere Theilnahme um Das, was recht und noth iſt, hege, son-
dern auch woyl zu unterſcheiden wiſſe, wer es redlich meine. Die
Tagespr.ſse 1ſ bei den jetzigen pelitiſchen Z.ſtänden Deutschlands faſt
das einzige Mittel, woturch das Volk seine Freude erkennt uud die
Stimmen aus dem Volke laut werden. Eben dieselben Verhältnisse
inachen, daß die deutschen Zeitschriften eine edlere höhere Bedeutung
haben mögen, als die raiſonnirenden Journale Frankreichs. Dort iſ die
Besprechung rer vorliegenden Fragen mehr eine Brücke der Spekala-
tion, der G.winn- und Ruhmſucht, und es liegt weniger daran, ein
gemeinsames Aufsſtr b. n rege zu halten, als ſich auf der Zahl der ge-
wonnenen Köpfe von Stufe zu Stufe zu ſchwingen. Auch in Deutſch-
land sind es einzelne Nimen immer, woran ſich die allgemeine Auf-
merkſamnkeit kett t; wir haben in manchen Beisp clen gesehen, wie die
Leser einzelnen Männern ſ.1bſt in ein anderes Feld folzten und mit
ihnen es w'eder verlicßhen. Doch iſt es damit ein Anderes. Die

Tageepriſse bildet bei u s nicht das Mittel, zu ſteigen. Jene Män-.

ner wurden nicht deßhalb geliebt und ermuntert, um ſie an die Spitze

ver Staate vcrwaltung im JIntericsse ihrer Partei zu erheben –~ wie
wäre das bei uns denkbar — sonrtern weil sie Worte sprachen aus

edlem, retlichem Herzen, welche üb:-rall woblthuend anſchlugen und
den wahren Bedürfriſſen Stimme lichen. Denn, sind auch in man-
hen anderen Punkten, namentlich den religiösen Parteiungen, un-
endlich viele Vorur'herle noch immer zu herrſchend, so iſt doch in
hem ganzen betheilizten Volke in den wichtigſten Angelegenheiten,
durch deren Erreichung irſt jene Vorurtheile fallen können, eine Stimme.
Die Menſchheit fühlt sich im Menſchenz wer könnte ihr lange die
Krone ihrer Würde vorenthalten, wo sie sich fühlt? Es ist bis ins
äußerſte Volk hinab Bedürfniß geworden, sich um ſich selbſt zu be-
kümmern, d. h. um seine Exiſt.nz in Recht und Pflicht. Man iſt
nicht mehr zufrieden, unfruchtbare Zasammenſtellungen von Kriegs-
und Friedensereigniſſen zu lcſen, sondern man fordert Auf'chluß von
der Tageepreſſe, Belehrung über die Begebenheiten , Erklärung und
Würdigung des Gisch henden, Warnungen für Gegenwart und Zu-
kunft, um Wodl und Wehe in Staat, Kirche und Leben richtig zu
erfaſſen und sich so mehr und mehr zu erſtarken, Die Vertreitung
der Zeitſchriften hängt , wenn wir von der C.nsur absehen, jetzt zu-
imeiſt von dem Geiſte derſclben ab, inwiefern sie zureichend und edel
genug iſt. Blätter, denen mehr oder minder ein derartiger Geiſt
fevlt, verdanken die fortdauernde Gunst nur der W itläufigkcit ihrer
Spalten, aus denen man nicht ohne manchen Widerwillen über leere
Rederei die aue führlichen Berichte von Aus - und Inland sucht. In
allen übrigen Fällen übt ~ Dank s.i es dem geraden, sich kräftigen-
den Sinne unseres Landes ~ die Menge eine scharfe Volks Cenſur.
Der schlichte gesunde Verſtand hat ſich zu offen über Auswüchse,
Schlaffheit und feilen Sinn ausgesprochen, als daß man eine beson-
dere Verweisung fordern könntez er bat Feind und Freund unterſchie-
den; mehr — er hat auch die Vermummten unter ihrer Maske mei-
ſtens, wenn auch oft erſt später, erkannt. Und Das will vicl sagen;
denn heutzutage, wo gäbe es nicht unzählige Stimmen, welche, weil sie nicht
Hie Kraft, die Würde, den Muth haben, oder weil sie es mit ihrem
gemeinen Sinne selbſt beim dienftwilligen Gegentheile zu Nichts brin-

yen konnten, ihr verworfenes Geschrei in den großen allgemrinen Ruf
mischten, und noch widerwärtigeren Mißton herbeiführten. Deſto größer
î auß der Dark sein, den wir den wahrhaft Edlen bringen, welche frei von

Wigennutz ihren Pfad wandelten, uud mit höchser Entrüſtung muß

#s jeden Freund des Rechts und ter Wahrheit bcſeelen, wenn Blät-

. ter, die ihre seitherige Ehrenhaftigkeit nur ihrer farbenloſen Weit-

ſchweifigkeit verdanken, nicht zufrieden, überall sich in theoretiſchen
Möéglichkeitsgeſchwätzen zu ergehen, diese casuiftiſche Wortrederei in
ſchmachvoller Weise ausüben und in fleinlichem Neide der offenen
Bahn von Biedermännern folgen, um ihnen boshaft eines anläſtern
zu können. Es iſt ein eigen Ding um die Gesinnung, um eine recht-
ſchaffene biedere Geſinnung. Sie koſtet Kampf mit Freund und Feind;
sie iſt bitter und verursacht dem Magen eines Großtäflers leicht Uebel-
keiten; ſie will Opfer. Ihre Genüſſe sind zu oft schmerzlich und mit
Gefahren verbunden. Aber dafür iſt sie auch etwas Hohes, welches
ſich nicht wohl in golrspenderiſchen Furchen ausackern läßt. Das

Wort der Wahrheit, wie des Rechts und der Freiheit ſind kurz und

schneidig. Es iſt ein Wort, das die Krieger oftmals begeiſtert in den
überlegenen Feind mit vernichtender Gewalt ftürzte; es ist ein Wort,
das Völker erhebt, das überall klingt und aus allen Landen von
Kamyf und hoher Kraft verkündet: Wahrheit + Freiheit ~ Recht.
In manch kleinem Elatte liegt mehr, als in den ungeheuerſten Spalten.
Zu kräftig, um sich in wäſſriger, unfruchtbarer Breite zu erschlaffen,
haben sie die ſchwerſte Arbeit und laufen am erſten Gefahr, verkannt
oder verdeutelt zu werden. Allein ihnen wird dafür auch das Ver-
dienſt, vor Mißverftändniſsen den ſich erhebenden Geiſt zu bewahren
und ihm treue Leiter zu ſein, daß er weder in weiter Leere umher
raſe, noch seine Kraſt in unzeitigem, verkehrten Thun zersplittere oder
verderbez ſie haben den Beruf, Licht und Lehrer zu sein. ~ Dieses
ſollte in der Gegenwart die Aufgabe der paolitiſchen und jeder sonsti-
gen Presſſe sein; indessen scheint die That zu sagen, daß der Beruf
des Volkes für die meiften seiner Vertreter und Rather, wie ſie sich
nennen, zu hoch liegt + es iſt ſchwer zu unterscheiden, aus welchen
(Hrüvden all. Achten wir daher die wenigen Männer,. welche Dem
zu entsprechen suchen, deſlo höher; fahren wir fort, mit ihnen zu
streiten und zurückzuweisen, was Neid, kleinlicher Geiſt oder falsche
Beſtrebung ihnen ſchadenfroh anzuhängen sucht; streben wir, die Sdlaff-
heit zu erregen, Zagbaftigkeit aufzumuntern, damit wir beim Siege
nicht bereuen, im Kampfe gefehlt zu haben. Zum Bolke, für's Volk
und durch's Volk in Wahrheit und Gerechtigkeit, so sei die Loſung,
damit die Beſtrebungen, fern von überſchrvänglichen Träumereien und
Plänen, sich an's Leben halten und in's Leben greifen.

Deutſchland.

* Mannheim, 17. Juli. Die erſte Abgeordnetenwahl zu
dem Landtage 1842 war die Wahl der Stadt Duillach; sie ging
den übrigen voran und bewährte ächten Bürgerſinn, indem sie, sich
zur Ehre und Andern zum guten Beispiel., alles Entgegenwirkens
ungeachtet, einen Mann aus dem Bürgerftande erwählte, der ſelbſt-
ständig von Charakter und unabhängig durch seine Stellung, dem
Vertrauen der Wäller durch sein Wirken in der Kammer vollkom-
men entsprochen hat. Wir erinnern uns noch lebhaft der Freude,
womit diese Wahl, die erſte von Allen, als ein Zeichen von guter
Vorbedeutung, im ganzen Lande begrüßt wurde. Um so betrübender
ſind dagegen die Nachrichten, welche wir von verſchiedenen Sziten
erhalten, daß Verſuche gemacht werden, die Wieterecwähblung des
Herrn Handelsmann Bleidorn, welcher durch das Loos aus
der Kammer getreten iſt, zu verhindern und einen Staatsdiener
an die Stelle des wackern Bürgers zum Vertreter der
Stadt Durlach zu wählen. Man ſchreibt uns, daß es Herrn Blei-
dorn nicht darum zu thun ſei, aufs Neue Abgeoroneter zu werden,
und wir begreifen dies, denn er gehört zu den Männern, welche durch
ihr Erscheinen auf dem Pandtage in ihrem häuslichen und in ihrem
Berufeleben große Opfer bringen. Allein gerade solcher Männer
bedarf das Land für die gewissenhafte Berathung seiner wichtigsten
Angelegenheiten, nicht jener, welche auf den Landtagen ihrem Ver-
gnügen und ihrem Vortheile nachgehen. Man magczt gegen die Wie-
dererwählung des Herrn Bleidorn die Behauptung geltend, daß die
Wahl eines abhängigen Mannes das Mittel sei, der Stadt eine
Kreisregierung, ein Bezirkeſtrafgericht und Wer weiß was für Stel:
len mehr, von der Regierung zu verschaffen. Damit macht man der
Regierung den schweren Vorwurf, daß sie ibre Entschlichungen in
Betreff der Organisation der Juſtiz und der Verwaltang nicht nach
dem Bedürfniſſe des Landes, sondern nach Gunft oder Ungunſt fasse.




 
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