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Mannheimer Abendzeitung — 1845

DOI Kapitel:
No. 31 – No. 57 (1. Februar - 28. Februar)
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Samſtag

+ I annheimer Abendzeitung

15. Februar

Inseratedlegefpaltene
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deren Raum 3 kr. Inse-
rate, worüber die Redak-
_ tion Auskunft zu ertheilen
D hat, die Zeile oder deres
Raum 4 kr. + Vriefe
und ‘tie sicUgi man
anco.

1845













Landtagsverhandlungen.

** FRarlsruhe, 11. Febr. 148. öffentliche Sitzung. ; .

Präs.: Be kk. Auf ver Regb.: Min.-R. v. Jage mann, Min. - Präſ.
Joll9.

§ Bistusson über Welcker's Bericht über den Strafvollzug im Zuchthause
u Bruchsal.

f w charakteriſirt in der allgemeinen Diskuſfion die Anhänger des
pensolvanischen Syftems, und theilt ſie in drei Klassen: 1) in Theoretiker ;
2) Schwärmer, Quäker; 3) in solche, welche die Bequemlichkeit der Straf-
vollziehung alleia vorziehen, darunter gehören die Gefängnißinspectoren te. —
Dieſe Anhänger des pensylvanischen Syſtems übertragen ihr Syſtem aus ei-
nem Freiſtaate in einen monarchiſchen Staat, aber bei uns seien die Strafen
viel höher, dort treten von Zeit zu Zeit Begnadigungen ein, deshalb musse
man sich sehr hüten, diese Einrichtung gerade in unser Vaterland überzutra-
gen. Der Redner beantwortet nun sie Frage; wirkt die isolirte Haft
nachtheilig auf den menschlichen Körper, prinzipiell und auf Thatsachen sich
ſutßend, bejahend, und macht in erterer Beziehung auf den Zusammenhang
zwischen Körper und Geist, in leßterer Beziehung auf die Berichte der pen-
ſylvanischen Gefängniß-Aerzte, -Geiſtlichen, -Jnspectoren rc. aufmertsam, laut
welchen eine immense Anzahl ESträflinge alljährlich wahnsinnig wird. Aus
allen vieſen Gründen erklärt der Redner das pensylvanisſche Syſtem für un-
zweckmäßig und für die Gefangenen höchſt schädlich. Den Einwurf, daß man
durch dieſes Syſtem die Beſſerung des Gefangenen befördere, widerlegt der
Redner ebenfalls durch Anfuhrung der über diesen Punkt sich âaußernden
Schriftsteller und Anführung von Thatsachen. Deßhalb sei es absolut noth-
wendig, die Haft auf ein gewiſsſes Maß zu reduziren, gleichſam als Schule
der Beſſerung, so daß also die isolirte Haft höchstens zwei Jahre andauere.
und nachher iu gemeinschaflliche Haft und Arbeit überginge, und der Ge-
fangene, je nach feinem moralischen Zuſtande, in die ihm entsprechende gesell-
ſchafiliche Klaſſe eingetheilt wurde, jedoch so, daß ihm die Wahl von isolirter
Haft immer noch frei ſtände.

Junghanns hält es nicht für Erhöhung der Strafe, wenn der Ver-
brecher einſame Haft erdulden muß. Die Beschuldigung, daß in penſylvani-
schen Gefängniſſen der Wahnuſinn erzeugt werde, weiſ’t er mit der Behaup-
iung ab, daß diese Wahnsinnigen schon vor ihrer Berurtheilung einen Ansatz

zum Wahuſinn gehabt haben. Jedenfalls müsse jugendliche Absonderung ein-

gefuhrt werden. ; ,
gef hr e hat sich aus dem Welcker'sſchen Berichte überzeugt, daß es kein
humaneres Gefängnißſyſtem gebe, als das pensylvanisſche. Der Redner sei
hauptsächlich dasür , weil es dem Verbrecher Gelegenheit gebe, in sich ſelbſt
einzukehren, Buße zu thun, auf daß es mit ihm zum Durchbruch komme.

M.-R. v. Jage mann versichert, daß es sich nicht um Gefängnißideale,
sondern darum handele, welche Gefängnißeinrichtung unter den gegebenen Ver-
hältnissen als die beſte sich bewähre, und diese sei das Absonderungssyſtem.

v. It ftein iſt volllommen von dem ungenügendſten Zuſtande unseres

Gefängnißwesens überzeugt, allein er war von dem erſten Tage, an welchem!
er von seiner Einfuhrung hörte, ein Gegner des pensolvanischen Syſtems, weil.
es den Menschen nach uno nach zum Vieh mache. Deßhalb ift er auch gegen
eine Bjährige Isolirung, weil diese so nachtheilig wirke, als eine 12 jährige.
Rolirung sei nothwendig, aber zu mehr als zweijähriger könne er ſich nicht
verſtehen, weßhalb er ſich fur die Ansicht Hecker's entſcheidet, deſſen vorge-
schlagene Claſſification nicht so unmöglich zu realisiren sei. Der Redner fuhrt
fur ſeine Anſicht Worte des sächsischen Miniſters Lindenau an.
, St:R.. Fo!ly geſteht zu, daß er, wie der Abg. v. Itſtein im Verlauf
seiner Rede vorgeworfen habe, fruher gegen das pensylvaniſche Syftem gewe-
sen, aber später anvers belehrt und auch anders uberzeugt worden sei. So-
dann versichert der Hr. Minifter, daß durch das neue Gefängniß .der Ver-
brecher nicht von der Menschheit, sondern nur von der Gefellſchaft mit andern
Verbrechern abgeschloſſen werden solle.

Trefurt nennt die Absonderung und Einsamkeit nur eine radikale Claſſi-
ſikation. + Der Redner gesteht zu, daß aus der Einsamkeit sehr häufig Wahn-
ſinn entſtehe, allein er fragt, ob dieser der Uebel Höchſtes sei, und antwortet
mit Nein, denn die moralische Verderbnis sei ein noch größeres Nebel. -
Ueberhaupt, sagt er, es iſt beſſer, das zehn Schuldige das höchſte Maß phyſi-
ies Nebels leiden, als daß ein reumuthiger Sünder moralisch versſchlechtert

derde.! ; ir

. Weller entscheidet ſich auch für Einsamkeit auf kürzere Zeit, denn sie
iſt ein Mittel zur Besserung, während Einsamkeit von längerer Zeit zur
Krankheit, zur Malice, zun Stumpf- und Wahnsinn führe. Damit entscheidet
ſich der Reoner für den Antrag Heckers, zwar das pensylvanische Syſtent ein-
zuführen, aber die Einsamkeit nicht länger als 18 Monate dauern zu lassen
ra. dany die Auburn’ ſche gemeinschaftliche Arbeit mit Stillschweigen einzu-

Bader iſt ganz einverſtanden mit dem pensyloanischen Syſtem.

Hecker widerlegt die gegen ihn vorgebrachten Beweise und führt als
den Hauptgrund seiner Anficht an, daß er 1) das hoſitive Faktum des Wahn-
ſinns fur ſich habe, der in den penſylvanischen Anftalten so häufig vorkomme,
dabei iberweist er den Abg. Trefurt, der den Wahnsinn nicht als der Uebel
Vröstes anerkennt, einfach durch die Frage: „wie wollen Sie, wenn morga-

lihgem Leerung Jyr Hauptzweck iſt, einen Verbrecher besſern, den sie vorher

ann]! gemacht haben ?‘ 2) daß der Nationalcharakter der Deutschen und
U p!sUpteit riet tfrlgt: Cinsamkeit ertrage , als der Amerikaner und
live auvere étiüthnes aſſii ation eben so gut praktiſch realiſirbar sei, als

M.-Pr. Jolly kennt bei Sträflingen nur Rohheit, keine Gemüthlichkeit.





Rinde schwender bekennt fich auch zu den Barbaren, welche ſich für
das pensſilvaniſche Syſtem entscheiden.



Deutschland.

Stuttgart. Dic Zusammensetzung der am 10. Febr. gewähl-
ten Finanzcommiſs:on iſt ein wahrer Schlag in das Comptoir. Das
wußte man wohl, daß die der liberalen entgegengesetzte Partei der
Kammer Anhänger genug unter den Abgeordneten zähle, und wenn
deßwegen die Oppoſition bei der Präsidenten- und Vice: Präsidenten-
wahl auch Siege errang, so lag es doch auf der Hand, daß die Ur-
sache des Siegs nicht in einer etwaigen Maiorität der Meinungsge-
noſſen von den Herren Römer und Duvernoy, sondern in dem Man-

gel an Organisation der entgegengesetzten Partei lag, welche ſich noch

nicht vereinigt und gehörig zusammengefunden hatte, um einstimmige
Wahlzettel abzugeben. Neben der ſta'tsrechtlichen aber iſt tie F nanz-
Commission wohl die wichtigſte Commifsion, welche die Kammer nie-
derſetzt. Da handelt es ſich um das greifbare Metall, um vas Mehr
ortr Weniger der Staatseinnahme, um Genehmigung oder Nicht „e-
nehmigung dieser oder jener öffentlichen Ausgabe, um den Brutel der
Steuerpflichtigen, um den Nerv der Zeit. Mit dem praktischen Sinne,
der allen Regierungs-Parteien meiſt egen iſt, haben sich bei dieſem
Anlaß die noch nicht geortneten Elemente schnell zusammengefunren,
und tie ganze Commission iſt von der liberalen Partei feindlichen
Elementen dicht besetzt. Bloß sechs Candidaten kamen in trieſe aus
fünfzehn Mit,liedern beſtehende Commission zu sitzen, auf wel:he auch
die liberale Partei geſtimmt hatte, und von diesen sechs sind die drei

erſten, v...Werner, v. Kober, Freiherr v. Berlichingen solche, auf-

welche auch die entgegengesetzte Partei gestimmt hatte. So bleiben
nur die Herren Deffner, Dörtenbach, und Schweickhard übrig. mit
deren Vor'chlag die Opposition durchtrang, während sie mit Federer,
Redwitz, Schwarz, Schmid, Fischer, Bantlin und Haßler unterlag,
so daß nun in tieſer Commiſſion n'cht mehr und nicht weniger als
zehn Staatsbeamte ſiten. – Jedenfalls iſt so viel ~ urie bci den
früheren Lanttagen, so auch bei dem dieemaligen klar, daß die Op-
poſition ihre Wrkung nit in äußeren Erfolgen suchen rarf, sondern
dier.lbe auch über die Zrit der gegenwärtigen Landtagsperiode vorerſt
auf den moralischen Einfluß zu beſchrünken hat, welchen ſie unfehlbar
auf das Volk ausüben wird.

~ (Landtags- Telegraph.) Sechste Sitzung. Herr Retten-
mai er bricht bereits eine Lanze geg en die Alybahn. ~ In die
ſtaats r echt liche Commission gewählt: Freiherr u. Varenbühler,

- Scheurlen, Hol,inger, Römer, Duvernoy, Freiherr v. Linden, Hafl.r. –~

Nach Wahl der zweiten auf der Tagesordnung stehenden Commiſ-
ſion, in welche Goppell, Duvernoy, Fe: erer, Idler, v. König kom-
men, verliest Herr v. Werner seine Motion, die gleichere Verthei-
lung der Staatsſteuern verlangte. (Beobachter).

Leipzig, 8. Feb. Mit dem immer lautern Bezehr der Zeit
nach Oeffentlichkeit und Mündlichkeit wächſt auch bei strebenden jün-
gen Männern das Bedürfniß, sich zu Rednern auszubilden, damit ſie,
wenn die Zeit endlich einmal erscheint, wo freies u. off.encs Wort gefordert
wird , schon gewappnet und vorbereitet auf die Büyne treten können.
Aus tem Gefülle dieses Bedürfniſſes sind seit einiger Zeit einige
zwanzig junge Männer, größtentheils aus dem Advokatenstande, zu
einer Gesellschaft zusammengetreten, tie wöchentlich einmal Uebungen
im freien Sprechen hält. Die Mitglieder dicses Vereins, welche es
übrigens gern sehen, wenn Fremde als Gäſte ihren Uebungen bei-
wohnen, wählen sich je nach Belieben iinen Geg:cnſtand,
über welchen sie in freier Rede ihre Ansichten ausſprechen.
Das Thema wird den Uebrigcn mitgetheilt und nach beentigtem Vor-
trage eine vollkommen parlamentariſche Debatte darüber eréffuet, die
ein Präses leitet. Die Stelle eines solchen nimmt jetesmal terjenige
.V welcher in der vorhergehenden U:bung als Sprecher aufactreten
iſt. Wesſ.-3.)
Hannover, 7. Febr. (H.C.) Unsere Regirrunz L s wir
erfahren, der schwedischen und norwegischen Schiſffahrt auf der Elbe
mehrere bedeutende Vortheile bewilligt, so daß dieselde jet der ham-
burgiſcheu und brittischen gleichgestellt ist.

. k Berlin, 7. Febr. (D. A. Z.) Die bei dem Straßenauflauf

R ECE 1=;\


 
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