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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 207 - No. 237 (1. August - 31. August)
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Ibendzeitung.



tf wuſlurrespen. und Get) erbitet man
Sonntag 17. Auguſst 1845.









#1 * Nundschau über die Abgeordneten-Wahyhlen zur
badischeu zweiten Ftändekammer,
(Schluß.)

9) Amt Breisach. Binz wird ohne Zweifel doch wieder zum
Deputirten erkoren werden, wie viel Mühe ſich auch der miniſterielle
Candidat, ein Umtsrevisſor in Karlsruhe, gibt, ihn durch ſeine Schrei-
be: aus Reihe und Glied zu verdrängen. Wir theilen die Ansicht
eines Correſpondenten dieser Blätter, welcher jenem Bramten, woie
im Jahr 1841 zu Kenzingen einen Durchfall prophezeibt und können
über seine voreilize Siegesstcherheit nur lächeln. Was ſoll der
Deputirten Schmaus , warum erhebt man die Stimmen zu Toaſten,
eye man Sitz und Lorbeer errungen? Sollen die Federnschncider des
eifrizen Candidatin in einem Opiumrauſch in's Treffen gehen, wie
rie Türken? Warum ſprengin sie aus, Binz wolle nicht mehr in die
Kammer treten? Ach das jind klägliche Manoeuvres und kein ordent-
licher Mensch würde sich zu solchen verſtehen. Doch die Herren den-
ken, wenn's nur hilft. Sie versprechen Bezirkeſtrasgerichte und der-
gleich-n, darauf kommi’'s ihnen nicht an, sie ſind außerordentlich frei-
gebig, und mit den Gerichtsſiellen, die sie überall hin verlegen,
könnte man ein zchnmal größeres Land verseyen als Baden iſt. Aber,
wie gesagt, wenn's nur bilſt! In der Amisſtadt Breisach haben sie
auf solche gnädige Zusagen hin das ganze Amtéperſsonale zu Wahl-
männern gemacht. Und dech meinea wir noch immer , es werde
nichts helfen, wir versehen uns dazu, wir überlassen uns tieſer Ueber-
zrugung uad bitten unsere Mitbürger, doch zu beherzigen, was die
Wablorrnung ielvft vorſchreibt, nämlich eine verſtändige, vorsichtige
Auswahl von Männern, die, ausegezeichnit durch b ürg erl ich e Tu-
genden, Kenntnisse urd Erfahrungen, den hohen und schönen,
aber schweren Pflichten eines Abgeordneten gewachſen sind. Wähler
bie ſich durch Drohungen oder Verſprechungen verlciten lassen, trifft,
um mit dem Abgeordneten Mathy zu reden, die verdiente Verachtung.
Eiu badischer Staatemann sagt: Ein Volk, das die Schmach der
Wahlbeherrſchung erduldet, iſt nicht werth, eine Verfaſſung zu haben.
Wenn 150,000 Wähler kommen und ſagen, sie seien beherrſcht wor-
ben, so reürde ich ihnen, sagt Mathy, antworten, das iſt eure Schuld,
ihr seid der ſärkere Theil. Wenn ein Watlmann käme und ſagte,
ich bin beherrſcht worden, so würte ich ihm erwiedern: Schämen
Sie ſich, Sie bekennen Ihre eigene Schande. Sie baben geschwo-
ren, nach Jyrcr innern Ueberzeugung, im Intercſſe des Vaterlandes
zu wählen, Ihre Schuldigkeit wäre gewesen, Ihr Mandat zurück-
geben und den Wählern zu sagen: Ich bin der Mann nickt, der frei
wählen fann, wählen Sie einen Andern!

„.10) Aemterwahlbezirf Hornderg, Tryberg und Has-
tac. Mir glauben annehmen zu dürfen, daß diesem Wadbldezirk die
Ehre vorbehalten bleibt, den braven Rindeſschwender zu wählen. Zwar
wird ties. Letztere auch in Lahr und Pforzheim geſchehen, aber wir
werden wohl nicht zu viel bepaupten, wenn wir sagen, daß Rinde-
ſchwender sich für Hornberg entſcheiden wird. Wir rufen: Einver-
ſtandin! zu diesem Vorsatz und drücken Euch treuen, lieben Eidsge-
noſſen im Geiſte die Hände. i

11) Im Amt Offenburg wird ein wackerer unabhängiger
Bürger von Marlen desselben Amtsbezirks gewählt werden. Wir
sind zwar dem vorigen Abgeordneten Knapp für manche gute Dienste,
welche er in früheren Jahren der Volkssache geleiſtet, zu bleibendem
Danke verpflichtet; er iſt einer der Veteranen in der badischen Kam-
mer, denn er war ſchon Mitglied des erſten Landtags . aber sein
vorgerücktes Alter hat ihn in der letzten Zeit aus der Rolle fallen
Iaſſen, und die jüngere Periode sciner parlamentarischen Wirksamkeit
zeigt, wie man mit dem beſten Willen, liberal zu scin, ganz im ent-
gegengeſetzten Sinne reden und abſtimmen kann. Er gleicht einem
Steuermann, der im dicken Nebc:l herumfährt und den Compaß total
Verloren hat; das datirt sich von der Zrit her, wenn wir nicht irren,
in welcher Knapp angefangen hat, fremde Weine (Champagner) zu
fabriciren. Das Aueländiſche thut sciner derben deutschen Natur nicht
gut. Man ſagt, das Volk sei undankbar. Das sind wir nicht,
wir erkennen das Tüchtige an, was Einer leiflet, aber wir
Verlangen viel, u. A. auch, daß ſich unsere Lieblinge immer gleich

bleiben. Der alte Fritz gilt für einen guten Feldherrn, aber sein letz-
ter Feldzug war schlecht gemacht. Er hätte ihn wegiaſsen sollen, er

hatte Lorbeeren genrg zusammengetragen, um sich darauf auszuruhen

und des Leibes zu pflegen. Statt Herrn Knapp hat ſich ein anderer

Candidat empfohlen, der die Fahne des Liberalismus aushängt, aber

er sitzt ihm nicht in Blut und Seele, er kommt uns vor wie ein künſtli-

cher, ein gemachter, ein hölzerner, ein rfalscher- Liberalismus. Wir

wollen uns nicht rarauf einlassen, ihn zu empfehlen, wir freuen uns,

den wackeren Bürger aus Marlen als muthmaßlichen Abgeordneten

begrüßen zu können, und mit uns noch Tauſende.

12) Die Acmter Ach ern und Bühl werden ohne Zweifel den
sriſchen freien Richter schicken. Diese geſunde Natur muß Jedem zu-
sagen, der dcm politiſchen Leben Theilnahme widmet und Entſchieden-
heit am Menſchen achtet. Eine. solche Wahl ehrt die Wähler, wie
den Gewählter. Wir bcdienen uns ſeiner eigenen, am Verfaſſungs-
feſte geſprochenen Worte, wenn wir unsere Mitbürger bitten, zu be-
denk:n, daß die Stelle des Wabimannes kein bloßer Ehrenplay iſt,
keine bloße Ebrerſtelle, die man etwa seinen Vorgeſetzten, oder dem
Bramten des Orts überläßt, sondern sie iſt eine Stelle des Vertrauens,
eine höchſt wichtige Bevollmächtigung; das Recht, einen Abgeordne-
ten zu wählen, iſt keineswegs tas Recht, irgend Jemand eine Höflich-
keit zu erweiſen, oder dadurch Gun ß zu erwerben, sondern es iſt
eine h eilig e Verpflichtung, nach Gewiſſen und Ueber zeugung
Demjenigen seine Stimme zu geben, welchem man mit Versſtand die
beſte Ausübung der Rechte zutrauen kann, welche die Verfaſſung ge-
rährt. Wir ſind zu diesem Titel darurch veranlaßt worden, daß
von gewiſſer Seite her tie Amisſtatrt B ühl und andere in diesem
Amisbezirke liegende Orischaſten bearbeitct worden sind, einen andern
Abgeorèeneten in die Kammer zu senten. Man hat ſich Mühe gege-
ben, Richter zu verdrängen und einen „Liberalen, vorzuſchieben. Auch
die ultramontane Geiſtlichkcit jenes Bezirkes hilft dazu, weil Richter
ein Feind des Jesſuitiomus und cin Freund der zeitgemäßen kirchlichen
Reform ift. Es iſt ein weiter Wega, wenn man von Bühl über
Rom in die Kammer reisen will. Die ſcowarzen Vögel thäten am
Beſten, ſie blieben jenseits ter Berge. Wir wohnen gottlob nicht
in Luzern, und so wird's wohl gute Wege haben mit einem Jeſsui-
ten-Abgeordneten, und die Einwohner des Amtes Achern und Bühl
werden einschen, daß es ſich in der Kammer um andere Fürſprecher
handelt, als um solche.

13) Ae mt erwablbez irk Durlach und Stein. Wie wir
mit Gewißbeit irsahren, wüd ein intelligenter Bürger aus Königs-
bach gervählt werden; ein Mann des Fortschritts. Wir heißen ihn
in den Reihen rer badiſchen Deputirten willkommen; wir freuen uns
mit ilm übcr tie hoye Bestimmung, zu welcher ihn das Vertrauen
seiner Mitbürger beruft und erinnern ihn an den Spruch, welchen
Pfarrer Sachs bei der Verfaſſlungsfeier zum Tixt ſeiner Predigt wählt,
Lug. 12, 48.

„Welchem Viel anvertraut iſt, bei dem wird man Viel suchen,

und wem Vicl befohlen is, von tem wird man Viel fordern.-

14) Im Amtsbezirke Bruchsal wollen sie ihren bisherigen
Abgeordneten Biſſing fallen laſſen. Sie wissen vielleicht so wenig
als wir, warum. Gefallen Euch seine Grunrsätze nicht? Es ſind
die Grundsätze eines Chrenmannes, ausgezeichnet durch bürgerliche
Tugenden, Kenntniſſe und Erfahrungen, wie es dic Wahlordnung
vorſchreihtt. Das wißt Ihr, so gut als wir, das habt Jyr ſicher,
Das iſt zu Euren Dienſten, aber die Bersſprechungen, die man Euch
etwa macht, wird der Wind verwehen, und man wird über Euch
lachen, wenn Ihr nur darauf horchtt. Wen wollt Ihr denn nur
wählen, wenn nicht einen Mann des Fortschritts ? Wir hören jettt einen
andern gleich tüchtigen Mann nennen, den Viele unter Euch wählen
wollen. Das Recht der Einigung, dee Verbindung zu gemeinſchaft-
licher Berathung und Verbesserung unserer Lage iſt uns unverwehrt ;
es ift ein uraltes Recht freier Männer. Also tretet in des Himmels
Namen zusammen und wählet eincn Drputirten, ker, wir sagen es,
cin Mann des Bolkes sei, frei, unabhängig und verſtändig, und .der
uns Ulle repräſentire, unsere Wünſche, unsere Beſchwerden, Alles,
was uns lrcb oder leid iſt Wir wollen unserer alten Fahne treu

bleiben, wollt Ihr tesertirn?


 
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