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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 117 - No. 145 (1. Mai - 31. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0593

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. . Jufcerateodtegeſpaltene
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deren Raum 3 kr. Jafs-

rate, worüber die Redak-

und Geld erbittet man
frangne.



Montag

26. Mai

1845





Deutſchland.

* Mannheim, 24. Mai. In Preußen, wo versuchsweise einige

Strafanſtalten nach dem penſylvaniſchen Syſtem eingerichtet werden,
spricht man ſich täglich lebhafter gegen diese Beſtrafungsart aus. Da auch

î in Baden diese Einrichtung ins Leben geführt werden soll, mögen

wir nicht anstehen, zur nochmaligen Prüfung derselben die neueſten
Mittheilungen der Presſſe hier wiederzugeben. Ein Artikel der Trierer
Zeitung spricht sich wie folgt über die neue rheiniſche Strafanstalt
aus : :

„Köln, 14. Mai. Der nach dem penſylvaniſchen Syſteme ein-
gerichtete neue Flügel des hiesigen Arreſthauses iſt nun bis auf das
innere Meublement beinahe vollendet. 170 Zellen befinden sich in
dieſem Flügel in vier Stockwerken und öffnen sich alle nach der
Mitte des Gebäudes
Zu den Zellen gelangt man auf ſchmalen von durchbrochenem
Eisen angefertigten Gängen, zu diesen Gängen führt eine ebenso
eingerichtee Treppe. Das Licht in dem miitleren Raum fällt
theils von Oben, theils durch drei große Kirchenfenster, welche sich

an beiden Enden deſſselben befinden. An einem Ende wird unter

dieſen Fenſtern ein Altar errichtet, am andern iſt eine mit Glas um-
gebene Stube, die zum Aufenthalt der Aufseher dienen soll. Eine jede Zelle
iſt durch eine doppelte Thüre verschloſſen; in der zweiten befindet sich
eine kleine nur von Außen durch das Herablassen eines Schiebers zu
öffnende Spalte und ein kleines viereckiges Fallthürchen; durch die
erſtere beobachtet der Aufseher, wenn er es für nöthig erachtet, den
Gefangenen und spricht mit ihm, durch das zweite wird ihm sein
îUſssen gereicht. Das letztere wird auch während des Gottesdienſtes,
den ein allen Gefangenen unſichtbarer Priester abhält, und während

des einzurichtenden Schulunterrichts geöffnet. Damit aber keiner der

Gefaugenen ja Niemanden und etwa nicht den gegenüberwohnenden
Leidensgefährten erblicken kann, soll die vordere Thüre in solchen
Fällen halb zugemacht werden. Das Licht fällt in jeder Zelle durch

ein oben befindliches kleines, mit mattem Glase versſehendes Fenster.. *

In der Ecke steht der Arbeitstisch des Gefangenen, zum Schlafen hängt
er sich Abends eine Hängematte auf, zur körperlichen Bewegung
dient eine Uurnvorrichtung, gleichfalls befindet sich in jeder Zelle
ein Abtritt; eine Schelle führt nach dem Zimmer der Aufseher. Die
Heituung geschieht durch warmes Wasser, für gehörige Ventilation
der Zellen iſt Sorge getragen. Für die gefährlichen Kranken ſind
drei doppelte Zellen eingerichtet, in denen ein Krankenwärter neben
den Gefangenen schlafen kann. Die Widerspenstigen kommen in
acht unterirdische Strafzellen, welche sich durch nichts von den ge-
wöhnlichen Zellen unterscheiden, als daß sie etwas dunkler, und, wie
alle unterirdiſhen Gemächer, feucht und der Gesundheit nachtheilig
ſind; ein außen darum gelegter Mantel von Mauerwerk kann un-
möglich diesem Uebelſtande genügend abhelfen. Nach dem Reglement
des Hauses soll der Gefangene währen) seiner ganzen Strafzeit in
dieſer einsamen Zelle sien, Niemanden sehen, als den Aufſeher, der
ihm durch ein kleines Loch sein Eſſen reicht und etwa von Zeit
zu Zeit einen der Beamten des Hauses. Keiner soll Kenntniß von
dem Andern haben, daher müssen sie auch beim Eintritte ihren Na-
men ablegen und die verschiedenartigen Nummern der Zellen sind die
_ Unterscheidungsmerkmale der Einzeluen untereinander. Da es jedoch
Fälle geben kann, in denen einzelne Gefangenen der Genuß der fri-
î chen Luft dringend nothwendig iſt, sind im Hofe zwölf durch hohe
_ OGretterwände abgesperrte Räume, die man leicht mit Ställen zu ver-
. gleichen ſich versucht fühlt und nur einen ganz beschränkten Raum
umfassen. Soll ein Gefangener dort frische Luft erhalten, so wird
ihm eine Kappe mit einer Maske um den Kopf gezogen, die nur
für die Augen zwei kleine Löcher hat...

_ vrAbſichtlich iſt die Beschreibung der ganzen Einrichtung ausführ-
licher gewesen, damit man ſich einen deutlichen Begriff von der Art
î und Weise, in der der Gefangene dort gehalten wird, machen kann.
Es fragt ſich nun, welche Absicht hat der Staat bei der Einführung
eines solchen Syſtems ? Will er die Strafe verſchärfen, so erreicht

er vollkommen seinen Zweck ; denn eine furchtbarere Strafe iſt nicht ;

ju denken, als den Menſchen allex Gesellschaft zu berauben; aber

Habgeſephen davon, daß eine ſolche Strafe dem ganzen Wesen des

. Menſ=chen widerſpricht, ſo würde auch noch das Bedenken zu crhe-

in einen langen kirchenartigen Raum. Hg

ben sein, ob es zuläſſig sei, über den Berurtheilten andere und här-

tere Strafen zu verhängen, als das Gesetz anerkennt. Wie verlau-
_ tet, will man dieses Hinderniß dadurch beseitigen, daß man nur

diejenigen in die penſylvanische Abtheiluug des Gefängniſſes bringt,
welche sich freiwillig dazu erbieten, und damit ſich einer oder der

andere freiwillig dazu erbiete, will man eine Verkürzung. der Straf-

zeit damit verbinden. Aber auch dies ſcheint dem Geſetze zuwider
zu sein und wir glauben nicht, daß eine ſolche Verkürzung die Ver-

ſchärfung der Strafe rechtfertigt, zumal da diese Strafart auch mit

nachtheiligen Folgen verknüpft iſt, welche den Körper und den Geiſt
des Gefangenen, wie die Erfahrung lehrt, verkrüppeln. Wir ſind
feſt überzeugt, daß es nicht in der Absicht liegt, die Strafart zu
verschärfen, sondern daß man den Zweck der Beſſerung der Gefan-
enen, die Verhütung von Rückfällen dabei im Auge hat. Aber
auch die Möglichkeit einer erfolgreichen Beſſerung läßt sich ſchon von
vornherein in Zweifel ziehen, weil das ganze Syſtem, wie ſchon
bemerkt, der menschlichen Natur widerſpricht. Die Beſſerung eines
Menſchen ist eine neue Erziehung, oder eine Fortsetzung derfelben.
So wenig abir die Erziehung eines durchaus isolirten, des Umgan-
ges mit andern zu erziehenden und erzogenen Menschen Beraubten
gelingt, so wenig wird es auch möglich sein, eine Beſſerung in

ſolchem isolirten Zuſtande zu bewirken. Das werden alle Pädago-

gen und Pſychologen zugeſtehen müſſen. . .Es kömmt hiezu , daß die
große Mehrzahl der Gefangenen keine wissenschaftlich gebildete Men-
ſchen sind, die in den Schätzen der Wissenschaft einen Ersatz für
den Mangel an Umgang mit andern denkenden und fühlenden We-

sen finden, sondern, meiſtens rohe und ungebildete Leute, welche die

Einsamkeit gewiß einer großen Zahl nach zu. körperlichen und gei-
ſtigen Verkehrtheiten treibt. Namentlich liegt ein Laſter, das wir

hier nicht näher bezeichnen wollen, sehr nahe, welches durch die

Einsamkeit beringt wird und Körper und Geiſt dauernd zu Grunde
richte. Wie diesem in dem fraglichen Gefangenensyſtem vorzubeugen
sei, das möchte ich den Vertheidiger desſelben fragen. -

„Auch hat die Erfahrung der letzten Zeit namentlich in Amerika
bewiesen, daß die angeblich nach früheren Berichten beobachteten gün-

ſtigen Resultate vielfältig auf Täuschung oder abſichtlicher Entſtellung
beruhten, besonders haben sich auch die Recitive nach der Entlaſſung

nicht günſtiger gestellt wie bei andern Syſtemen. Und wie ſollte dies
auch möglich sein. Cine solche consequent durchgesetzte Jsolirung ruft
entweder einen furchtbaren Grimm, einen Haß, ein gewiſses Rache-
gefühl gegen die ganze Gesellschaft hervor, oder sie deprimirt mora-
liſch so sehr, daß auch dadurch aus den Gefangenen kein brauchbares
Mitglied für die menſchliche Gesellschaft gebildet wird. Und was ba-
bei noch besonders in Betracht kömmt, es iſt unserer Ueberzeugung
nach nicht die Anſteckung des Verbrechers in den gewöhnlichen Ge-
fängnissen, welche die Rückfälle nach der Entlaſſung bedingt , sondern

di: Macht der mißlichen Verhältnisse, welche dem Entlaſsſenen bei sei-
nem Wiedereintritt in die Welt entgegentreten und welche durch kein
System der Gefangenenhäuser geändert werden können. Nicht allein,
daß er die Verhältniſſe, die ihn vielleicht früher schon zu gesetzwidri-
gen Handlungen getrieben haben, in keiner Weise geändert findet, es
ſtellen sich sogar seinem Fortkommen noch andere Hinderniſſe in den
Weg. War man ihm früher vielleicht noch nicht abſloßend begegnet,
so wird er, der einmal verurtheilt war und im Gefangenhauſe geſeſ-
ſen hat, gewiß von allen Seiten verlassen und verſtoßen. Kein Wun-
der, daß dieſelben, ja sogar noch heftiger wirkende Ursachen dieſelben
Wirkungen hervorrufen. Die Erfahrung hat aber ferner bewiesen,
daß eine beträchtliche Anzahl der Gefangenen in den penſylvanisſchen
Zillen irre wird, wozu gewiß das oben berührte, nicht zu vermei-
dende Laſter das Seinige beiträgt. Uns scheint es aber im höchſten
Maße verderblich, auf die Gefahr hin, einen Gefangenen verrückt, zu
machen, ſeine Beſſerung zu versuchen. Die Hauptaufgabe der Ver-
beſſerung des Gefänguißwesens iſt unserer Meinung nach die, den
Verkehr mit Menschen aller Art,. so viel wie möglich, für dic Ge-
fangenen zu erlrichtern; nur dadurch kann man vewirken, daß sie der

menschlichen Geſellſchaft als brauchbare Mitglieder erhalten oder zit

denjelben berangebildet werdenn.
Metüht!hauſen (in Westfalen), 10. Mai. (Magvdceb. Z.) Wie
ſehr unserm Bauernstande eine gründliche Bildung Noth thut, damit


 
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