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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 268 - No. 298 (1.October - 31. October)
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Mittwoch



Fs 282.

15. October

Jus erate vtegefpaliens
W:48%8:

Nannheimer Abendzeitung. .

Um ld. erbiltei man
franco.

1845.



§* Volksbildung. — Die Vereine zur Verbreitung
| nüßlicher Bücher.

(Schluß.)

Ein sorgenvolles Leben, ein „Im Schweiße deines Angefichtes--
iſt wahrhaftig nicht werth, daß man ihm noch todtes Visſen aufklebe,
und verſchmäht mit Recht ein bloßes „Lesen-. Ich denke, wir wol-
len das Volk frei machen; ich denke, wir werden nicht die alte Sünde
der Deutschen b-gehen und das Volk ewig bilden und bilden und
bilden wollen, und immer noch nicht zum Auffaſſen seiner vaterlän-
diſchen Verhältnisse fähig halten, bis eines ſchönen Abends die Welt
einfällt und das gebildete Volk in ihre Trümmer begräbt. Es ist
dann freilich zu beklagen, daß die Welt so schnell eingefallen iſt —
indeß : man war faſt nahe daran, die Absicht zu hegen, die Vorar-
beiten zur Reife überdenken zu lassen! u.

Hört es ihr Ungläubigen! Das Volk ift gezeiti gt, um ſich
an seine kirchlichen Fragen mitzubetheiligen. Das haben die jüngften
Vorfallenheiten bewieſen. Durch heiße Sommer ißt das Volk gezeitigt,
um im Staatswesen mitzureden und mitzuhandeln. Das beſtätigen
alle Länder mit freien Verfassungen. Hört es, ihr Ungläubigen, die
ihr nur an eine Umwälzung glaubt, wenn das Anerkennungsſchreiben
tines Hofes eingelaufen iſt.

Enthalten wir dem Berechtigten nicht länger sein gebührend
Theil vor, laſſen wir Erzählungen Erzählungen sein, und reden wir
mit unserm Volke von seinen heiligften Angelegenheiten! Zeigen wir
ihm seine Feinde mit der schönen Tiegerhaut und den ſcharfen Kral-
len! – Wir wollen das Unkraut ausraufen, das die Jünger der
Nacht pflanzen, wir wollen das Schlinggewächse hinwegreißen, das

ſich windend in tas Herz des Volkes einbohrt und sein Mark zehrt.

Sie schleichen ja umher die Finfierlinge, voll nächtigem Glaubenshaß,
und ftacheln in eifernder Rede, in frecher That zur Wurth auf. Da
und dort auf den Wegen – aber verfiohlcen! denn ihr Gewissen
iſt schwarz – fireuen sie gemüthvergiftende Bücher umher, rechten
Teufelsabbiß. :

Die es gut mit ihren Brüder meinen, waren von Jeher zu zage
im Aussäen ihrer Ueberzeugungen. Sie ſsc<ienen und scheinen zu
glauben, eine Volks meinung wachse von selber. Man hat
aber in neuern Zeiten keine Beiſpiele mehr, daß ein niegesehenes Thier,
oder ein nagelneues Kraut urplötzlich aus dem Boden fertig hervorge-
ſprungen sei: ~ es pflanzt sich in unsern Tagen Alles durch Sa-
men fort und Sonnenschein und Regen und Luft und Helle iſt zum
Gedeihen vonnöthen. Das wollcn wir auch beachten, wenn wir
unsere Brüder klardenkend, frei und gesegnet machen wollen. Als
treue Arbeiter dürfen wir das Feld nicht unbesſiellt lassen.

Hungert das Volk, müſsſen wir es speiſen, hat es Gift bekom-
men, müssen wir ihm Heilmittel geben. Sonſt — ſtirbt es!

Gesinnungsvolle Bücher müſſen ihm gegeben werden, die es ein-
führen in die großen Umwälzungen, an denen die Gegenwart rüftet.
Fürwahr, man könnte es wieder zu Vaterlandsfragen leiten und den
langen blauen Montag endigen. ~ Laſſen wir die wackern „schwarzen
Husaren“ , das Heer der Buchſtaben , sich tummeln und mit flinken
Sprüngen da und dorthin fliegen, einhauen auf den Feind mit tüch-
zen ti: daß das Land frei werde und das Volk jauchzend seine
Befreier grüße.

Wir erwarten das Heil nicht von den Tugendſalbadereien, von

. den Dantkbarkeitserzählungen und den Gutekinderſprüchlein, sondern von

ernften, zur fFiurmbergenden Gegenwart rufenden Worten, die ein
Mann der die Neuzeit begreift und ihrem Streben voll inniger Liebe
anhängt, mit belehrender, mahnender, zürnender Stimme zu seinem
Volk redet, von Worten, durch die der lebendige Aderſchlag der heu-
tigen großen Bewegungen zuckt.

Da s ift uns ein gebildetes Volk, das sich der Frei-

heit und der Verbrüderung theilhaftig macht.

.1. Deutschland.
.. * Mannbheim, 13. Oktbr. Zu Nr. 275 hat unser Berliner
ip S Korreſpondeut über die Audienz berichtet, zu welcher der König
den Magiftrat von Berlin gebeten hatte. Die merkwürdige Rede des



dadurch vermehrt habe.

Königs fehlt inmitten jenes Artikels. Wir geben sie jetzt hier in
der Faſſung der Weſser-Ztg., da dieſe dem Original- Texte, wie er
uns zugegangen war , noch am Meiſten ähnlich iſt. Der König sagte
zu dem Magiftrate:

„Er habe so lange mit der Entgegennahme der Adresse gezögert,
weil er ihnen habe Zeit zur Ueberlegung geben und sehen wollen, ob
die erſte Behörde seiner Residenz es wagen werde, einen solchen Schritt
zu thun. Er könne ihnen aber weder das Recht zugeftehen, ſich ihm
in solcher Weise zu nahen, noch eine moralische Verpflichtung. Wenn
er Jeden einzeln frage, so werde derselbe zugeben müſſen, daß es ei-
genthümlich sei, wenn die erfte Behörde von Berlin ihm eine theolo-
giſche Schrift überreiche. Da sie das gethan, so müsse er voraus-
setzen, daß sie auch den Rechtspunkt kennten. Nun aber seien, als
durch die Reformation das Oberhaupt der Kirche weggefallen wäre,
deſſen Rechte durch die Reformation dem Staate zugeſprochen ; die
jura circa sacra seien alſo ein Recht der Krone, deren Schwere ſich
Aber er sehne den Augenblict her-
bei, wo er diese Rechte der Kirche selbft übertragen könne.
Sein Grundsat sei, die Kirche müsse sich durch sich ſelbſt
ge ſtalten. Sein in Gott ruhender Vater habe der Kirche ein koſt-
bares Kleinod geschenkt (!) : die Shnoden. Diese habe aber der frühere
Leiter des Kultus für wenig beachtenswerth gehalten, und so sei ihre
Einberufung unterblieben; der jetzige Kultusminister scheue aber eben
ſo wenig wie er selvſt das Licht und die Oeffentlichkeit. Wenn die
Synoden sprechen würden, dann würde auch er sprechen; wenn fie
aber schwiegen, dann schweige auch er.

„Aber auch die moralische Befugniß zu diesem Schritte könne er
dem Magiftrate nicht zugeſtehen, und zwar darum nicht, weil sie ei-
nerſeits die kirchlichen Intereſſen nicht genügend beachtet hätten, ande-
rerseits das proteſtantiſche Bruderband nicht aufrecht erhielten. Was
das Erſte betrifft, ſo habe unter seinem Ahnherrn Friedrich I. Berlin
70,000 Einwohner gehabt und – és sei das ganz urglaublich! ~
mehr Seelsorger als jezt, wo es 400,000 Einwohner zähle.
Selbft wo ein kirchliches Becürfniß sich dringend herausgestellt, hät-
ten die Flädtischen Behörden immer Schwierigkeiten und Hinderniſse
der Befriedigung deſſelben entgegengeſtell. Aber auch das prote-
Fantiſche Bruderband hätten sie nicht erhalten: denn als eine englische
Gemeinde um die Mitbenutzung einer Kirche ftädtiſchen Patronats ge-
beten, sei es ihr abgeschlagen worden, während man zu derselben Zeit
den katholiſchen Dissidenten –~ wie er glaube, ohne daß sie darnm
gebeten –~ zwei Kirchen bewilligt habe."

„Was nun den Inhalt der Adresse betrifft, so müſſe es ihn
schmerzlich berühren, daß sie die Gläubigen in der Kirche eine Par-
tei genannt hätten, während sie die Andern gar nicht erwähnten.
Meine Herren – schloß der König – Sie ſind es, die es zuerſt
gewagt haben, die Gläubigen officiell eine Partei zu nennen. Und
doch ſind es nur Männer, welche einen Eid geleiſtet haben und den-
ſelben halten wollen! AUlerdings mögen dieselben, ich gebe es zu, die
Grenzen für ihren Eid allzueng ziehen wollen; aber es gibt Geist-
liche, welche auch geschworen haben, freiwillig, öffentlich , an gehei-
ligter Stätte, am Altare vor Gott, und die den Eid nicht halten
wollen, sondern im Lande umherreiſen, um das Volk aufzuwiegeln.
Und diese haben Sie gar nicht erwähnt, und deshalb muß ich Ihnen
meine ernstliche Mißbilligung aussyrechen.-- „M

"Meine Herren! Sie ſind meine Freunde und ich bin Ihr wah-
rer Freund. Das Band, welches länger als vierhundert Jahre Fürft
und Stadt verbindet, wird es auch noch lange verbinden. Das hoffe
ich, und damit entlaſſe ich Sie in Gnaden."

Heidelberg, 11. Okt. (Obrrh. Ztg.) Nachdem es ſich deut-
lich erwiesen hatte, daß der letzte Wadhldiftrict ganz liberal wählen
werde, wurde heute ein Reſcript der großh. Kreisregierung zu Mann-

heim der Wahlcommisſſion zugeſtellt, wonach die auf übermorgen an-

geordnete Wahl des 6ten Districts ausgesetzt ift. Als Grund wird
die Beschwerde der Advocaten Nadler und Schulz, die gar nicht in
den Wahlbezirk gehören, angegeben, welche behaupten, daß die Ein-
ficht der Wahlzettel geftattet werden müsse, welche die Wahlcommiſion
verwehrt hatte. Hierüber hatte das Oberamt zu Gunften der Antrag-
tragfieller früher erkannt, allein das Wahlgeſchäft war nicht suspen-
dirt, Da jedoch Hr. Nadler zum zweiten Male als Wahlmann durch-


 
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