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Mannheimer Abendzeitung — 1845

DOI Kapitel:
No. 299 - No. 328 (1. November - 30. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#1283

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Abonnement mitotee. U %. ;
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6. November

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Deutschland.

* Mannheim, 4. November. Die D. Alg. Z., welche
in Sachen des badiſchen Gesetzwesens zuweilen von gewisser Seite
her (aus Carlsruhe) Neuigkeiten und vertrauliche Betrachtungen zuge-
wieſen erhält, bringt als „Ersling der Geſchäftsthätigkeit-, unseres durch
großh. Erlaß geſchaffenen Staatsraths eine „Inſtruktion für die Po-
lizeibehörden, die polizeiliche Beschlagnahme von Druckſchriften betref-
fend.e, Jbhr Hr. Correiſpondent findet die „Inftruction-/ sehr gesetzlich
und aufs Aeußerſte liberal und ſucht damit entweder dieſe Anordnun-
gen beſondets zu empfehlen, was fie wohl brauchen mögen, oder aber
ehen damit den Verfassern derselben Eines. anzuhängen, weil ſie nicht
noch mehr Befugniſſe der Polizer einräamen, nicht noch weitere
Beſchränkungen des gerichtlichen Preßverfaprens aufstellen.. Wir
theilen vorläufig dieſe Infſtruktion- mit; eine ſcharfe Beleuchtung
wird ſie ſicher demnächſt auf dem Landtage erfahren : wir machen nur
noc in Betreff ihrer Ucbergriffe in unser Preßgesey beſonders auf
die 98. 2. 3. aufmerksam. Ihr „Hauptinhalt-. ift nach der „D. A. Z."
SEO Druckschriften über 20 Bogen, ohne Unterschied des Drucdkortes,
?önnen nur dann polizeilich mit Beschlag belegt werden. a) wenn Verleger und
Druckort nicht genannt find, over b) die erforderliche Kaution nicht geſtellt ift,
over c) wenn der Inhalt der Schrift ein solches Vergehen oder Verbrechen
begründet,. das im öffentlichen Interesſe von Amts wegen verfolgt werden
kann. Diese Beschlagnahme muß binnen 24 Stunden von dem Staatsanwalt
und vem. Gerichte bekannt gemacht werden, damit dieses über die Fortvauer
ver Beschlagnahme erkenne.

2) Für Schriften unter 20 Bogen, welche im Großherzogthum gedruckt
find, ift, wenn die Censur umgangen oder die Schrift anders, als wie ihr die
Drutkerlaubniß ertheilt worden, gedruckt worden, kein gerichtliches Einſchrei-
ten zulässig, wenn die Polizeibehörde Grund findet, die ohne ihre Erlaubniß
gevruckte Schrift mit Beschlag zu belegen. Nur insoweit es fich um Befſtra-
fung der Umgehung der Drudkerlaubniß handelt, hat die Polizeibehörde dem
Staatsanwalt zur Erwirkung rines richterlichen Straferkenntniffes die Anzeige
zu machen. Als im Jnlande gedruckt wird jede Schrift angesehen, auf wel-
<her der auswärtige Drucker und Dructkort nicht angegeben ift.

3) J| der auswärtige Drucker und Drudkort angegeben und liegt der
Druckort außerhalb des deutschen Bundes, ift dabei die Schrift in deutſcher
§::zte\gtst11; tre Istu wut uu:
f Jſandlungen befindlichen Exemplare in Verwahrung nehmen. Sie hat in die-

sem Falle von ihrer Verfügung den andern Polizeiftellen Nachricht zu geben
und ein Erenpplar an vas Mivifterium des Innern abzugeben, welches das
Verbot entweder aufhebt over durch Ausschreiben generalisſirt. Die von den
Buchhanolungen in Verwahrung genommenen Eremplare find an den Ort,
woher sie kamen, oder an die dortige Obrigkeit zurückzuſchicken; sie ſind zu
vernichten, wenn die Buchhandlung sie erſt angeschafft oher zum Verkauf ge-
halten han, nachdem ihr das Verbot der Polizerbehörde schon eröffnet worden.
Auch hier handelt die Polizeibehörde ganz unabhängig von der Einmischung
der Gerichie. Nur wenn die Vernichtung der Schrift wegen ibres ſtrafbaren
Inhalts verlangt wird, find die Gerichte anzugehen.

4) Iî die Schrift entweder in fremder Sprache geschrieben, oder nicht
politischen Inhalis. oder in einem andern Bundesſtaate, mithin unter Censur,
tt?!»tt l ::; fie eben so behandelt, wie eine im Jnlande gedruckte Schrift

_ 95) Soll nach einem im Regierungsblatt verkündeten Bundesbeschluß eine
Schrift unterdrückt werden, so iſt fle in allen Buchhandlungen und an allen
! Orten, wo sie vorgefunden wird, sogleich hinwegzunehmen und zu
. 6) Wenn in obigen Fäden 2. und 3. ein Gericht gegen das Verfahren

der Polizeibehörde einſchreiten oder fich in der Sache ein Erkenntnißrecht zu-
tignen wollte, so hat die Polizeibehörde einen Kompetenz-Konflikt zu erheben,
unter einftweiliger Ausrechthaltung der nöthig erachteten Maßregel.“

Stnttgart , 4. Nov. (Beobachter.) m 9. Oktober 1477

wurde die erste Verſammlung des akademischen Senats auf der Uni-
î versität Tübingen gehalten, welche in dieſem Jahre Graf Eberhard
_ im. Bart geftiftet hatte, in der guten Meinung, e-zraden zu helfen den
î_ OHBronnen des Lebens, daraus von allen Enden der Welt unerſickttich
geschöpft werden möge tröſtliche und. heilſame Weisheit zu Erlöſchung
î des verderblichen Feuers menſchlischer Unvernunft und Blindyeit --
Heut zu Tage wäre viclleicht nicht „Un ver nunft ,- sondern e-Ver-
î nuntt- geſchrieben worden. Denn die Theologen haben es so weit ge-
î <hracht, daß man nicht mehr die „Unvernunft,- sondern die „Ver-
. nunft- zu fürchten habe. ]

_ Der Aufenthalt Rong's in Stuttgart war diesmal mit keinen

_ Demonßrationen. verbunden,. auch iſt seine Abreiſe ohne viel Geräuſch

vor sich gegangen Auch: iſ es zut so. Bereitet er nun im Stillen
das Werk, das er begonren, vor Allen aber füyrt er die großarti-
gen Gedanken aus, welche er in der Gemeindeverſammlung zu Stutt-

E _ cus

gart angedeutet, wonach er den socialen Fragen in seiner Kirche eine
Stelle anzuweiſen im Begriffe fleht. Der Pauperismus ift heut zu
Tage eine solche Frage von ävußerſter Bedeutung geworden, daß ſte
Reiner mehr zu umgehen im Stande ift, welcher die bedeutungsvolen
Winke der Zeit verfteht. ;

Speyer, 3. November. ( N. Sp. Ztg.) Die heutige Wahl
aus der Klaſſe der Grundeigenthümer hat folgende Ergebniſſe ge
währt:

Zahl der Abgeordneten: 160.

Zu Abgeordneten wurden gewählt die Herren : 1) Aypellationsge-
richtsrath C. F. Heirtz von Zweibrücken mit 92 Stimmen, 2) An-
walt G. J. Stockinger von Frankenthal 81 , 3) Gutsbefitzer F. Brunck
von Winterborn 80, 4) Gutsbesitzer G. Reudelhuber von Lambsheim,
5) Gutsbesitzer L. Kern von Böchingen 60, 6) A. Lillier von Zwei-
brücken 46, 7 ) Pv. Tillmann von Edeebeim 37, 8) K. H. Wolff
von Wachenheim 27, 9) Bürgermeifter S. Bader von Hambach mit
32 Stimmen.

Ferner erhielten Stimmen und ſind somit Ersagzleute die Herren:
F. Villeroy von Hasel 29, Ludwig Benzino von Kusel 24, Netör
Rencker von Speyer 22, J. Schuhmacher von Obermoſchel 20, Joſ.
Benzino von Landâuhl 18, F. Hoffmann von Rülzheim 15, Mich.
Hoffmann von Klingenmünfter 14, G. Bergdolt von Duttweiler 13,
G. v. Camuzi von Dirmstein 13, Dümmler von Waldmohr 13,
Laiſe von Harxheim 10, Controleur Schulz von Steinfeld 5, A.
Jordan von Deidesheim 7, Bürgermeiſter Weiß von Schöneberg 7.

+ Fürſtenthümer Sachsen. (Schl.) Mit dem armen Volks-
schullehrerfiande wird és auch, nachdem die Be:nühungen der Lardftändr
urd der zatmen Preſſe gänzlich ohne Eifolg gewesen sind, nicht eher
veſſer werden, als bis die Fürften selbt Hand an's Werk legen
und der Ueverzeugung find, aß die Volkssſchullehcer unzleich nügyli-
chere Leute ſind, als Schauſpieier, Sängerinnen, Soldaten,
Die unvergeßliche Fürſtin Pauline von der Lippe uno
der jeßzige Fürs von Wald.nburg sind rufterhafte Beispiele für se.
Auch bei uns sind die Schullehrer nod immer Schultyrannen, Glok-
fenläuter, Uhrstell.r, Hochzeiibitter, Kindtaufnarren zugleich, andere
zahlceiche Geschäfte nicht zu crwähnen; und das alles für kaum 100
Thlr. jährlich! Und auch Obftbaumgärter sollen ſie nuch sein, die
dummen Bauerjungen in der Obfibaumkunde unterrichten. Wundere
man sich ja nicht, daß es mit unſerer Obfibaumzucht nicht mehr recht
fort wilt!

Von einem Volkssſtuüeyrer der Jetztzeit muß man yerlangen,
daß er den Kindern nicht élß lesen, Schreiben und Rechnen noth-
dürftig beibringt. Er soll und muß die Schüler über die Pflichten,
aber auch über die Rechte des Volkes anschaulich unterrichten. Der

Yufenthalt unſerer Lebrer in den Seminarien crsſcheint zur äneignung

diejer Eigenschaften viel zu karz; mindeſt.ns fünf Jahre sollte der-
selbe umfassen. *) Denn wenn auch ein juager Lehrer sich die zur
Ausübung seines künftigen Berufes erforderlichen Kenntniſſe und
Fertigkeiten angeeignet haben sollte, ſo muß auch darauf gesehen wer-
den, daß die Leute die nöthige Leb ens erfahrung ſich anzeeiznct

"haben, daß sie mit einem Worte über die ,„Fiegeljahre‘ hinaus find;
denn wahrlich, es ift ein abfoßender Anblick, wenn man einen Jun
' gen die Jungen untecrichten sieht. (11) Und wenig Vertrauen flößt die

unerfahrene Jugend eines Schulmannes den Gemeinden ein. Wi-
bedauerlich ift es daher, daß in einem deutschen Mußfkerftaate schon
ein Aufenthalt von 2 Jahren zur Ausübung ves wightigen Leprerbe-
rufes für ausreichend befunden ward! Wagrlich das iſt ein hedeu-

tender Rückchritt des Volksſchulwesens, ein öffentliches Z ugniß, wie
wenig man ſich daſſ.1be angelegen sein läßt. Die Volksschule ißt die
Dollmeſſcherin der Tugenden, dir Trägerin der Intelligenz, der Maß-

ſtab der öffentlichen Geltung eines Voikes. Wer folchen Rückſgzritt
will, dér ift der Aufkläcung mißgürſtiz, der will Zuchihäuſer!

Um Gottes willeu laſſe man die Lehrer länger in den Semi-
narien, als bisher. Und wenn es besser um die Völker werden sol,
so mache man es beſſer mit ihren L-hrern. Das achte Weltwunder



*) Wir können uns mit dieser Ansicht nicht vereinigen, wir ziehen auch
in Betracht der Lehrerbildung eine möglishſt frezre Yswggung vor:


 
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