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Mannheimer Abendzeitung — 1845

DOI Kapitel:
No. 146 - No. 175 (1. Juni - 30. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0621

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purch die Poſt bezogen im
ganzen Grofherzogthum gz &
Vaden 2 fl. 8 kr., im ""
Ausland erhöht ſich das
slbonnement um den Poft-
aufschlag.



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2. Juni

1845.



Montag



Deutſchland.

+ Mannheim, 31. Mai. Die Ausweiſung der unterzeichneten
badischen Bürger v. Itz ſtein und Hecker aus Berlin und den
preußischen Staaten, welche uns am 23. d., nach einem Aufenthalte
von 36 Stunden in dieſer Stadt und Potsdam, verkündet wurde,
iſt seit jener Zeit der Gegenſtand vielfacher Beſprechung in öffentli-
c<en Blättern und in geſsellſchaftlichen Zirkeln geworden. ,

Daß dabei manche Entſtelungen vorkommen und unrichtige
Thalsachen angeführt werden, iſt begreiflich. Die Sache iſt aber
nicht allein für uns, die wir in Folge der unerklärbaren Ausweisung

vor dem deutschen Volke in dem ſonderbarſten Lichte erſcheinen müs-

ſen, sondern auch für alle Deutsche, in vielfacher Beziehung von der
höchſten Wichtigkeit. ~

Wir find es uns daher ſchuldig, durch eine wahrheitstreue Dar-
ſtelung des Hergangs jeden Verdacht, jede unrichtige, erdichtete oder
verzerrte Angabe von uns zu weisen und auf diesem graden und off-
nen Wege unsere, durch den Akt der Ausweisung angegriffene, Ehre
vorläufig zu schützen, bis auf die bei unserer höchſten Behörde ge-

machten Schritte eine Verfügung erfolgen kann.

Die Nothwendigkeit einer Erholung vonden vielen und mühevollen Ar-
beiten auf dem langen Landtag von 1844 fühlend, beſchloſſen wir eine
Reise nach Leipzig, Dresden, Berlin und Stettin, wo wir auch unsern
gemeinſchaftlichen Freund und ehemaligen Kammercollegen, den großh.
bad. Zollvereins-Commiſssär, Geheime Finanzrath Hoffmann, besu-
<en wollten, und wohin v. JIystein nach einem ihm in Leipzig
zugekommenen Schreiben noch besonders eingeladen wurde, um den
_ trſtgeborenen Sohn als Pathe aus der Taufe zu heben. ......
. Voit da sollte unsere Reiſe nach der Insel Rügen, dann über Ber-
lin zurück nach Köthen und Magdeburg gehen, um auf ver Elbe
nach Hamburg, von dort aber auf einem Seedampfboot nach Holland
zu gelangen, und nach dem Beſehen der wichtigſten Städte dieses
Landes auf den belgischen Eiſenbahnen und auf den Rheindampf-
ſchiffen in unsere Heimath zurückzukehren.

Zu dieser Reiſe waren wir Beide mit den vorſchriftsmäßigen

Päſſen, welche auch von dem k. preuß. Gesandten in Karlsruhe
unterzeichnet waren, verſehen. -
_ HNath erinem kurzem Aufenthalte in Leipzig, wo wir am 17-(
Mai angekommen waren und die uns angebotene Einladung zu Feſt-
eſſen und zu einem Fackelzuge beharrlich abgelehnt hatten, begaben
wir uns den andern Tag nach Köthen, wo wir uns einige Stun-
den aufhielten und nach Leipzig zurückkehrten. Aim 20. Mai besuch-
teu wir Dresden, beſahen die dortigen Merkwürdigkeiten und kehrten
nach Leipzig zurück, um am folgenden Tage nach Berlin zu reisen.
Dort gegen 6 Uhr Abends angekommen, begaben wir uns in das
Opernhaus. Den andern Morgen aber besahen wir die Stadt ſelbſt,
die Gemäldegallerie, die Antikensammlung t€., ohne mit irgend ei-
nem Berliner, da wir dort keine Bekannte haben, zu sprechen oder
juſammenzukonmen. Nachmittags benutzten wir die Eisenbahn, um
Potsdam und Sanssouci zu sehen, von wo wir um 8!., Uhr nach
Berlin zurütkkehrten. i

Unsere Abreise nach Stettin hatten wir auf den 23. Mai früh
feſtgeſezt; wir war:n bereit, um 5'/, Uhr früh an den Bahnhof zu
fahren, als — es hatte 5 Uyr geschlagen ~ der Polizeiraih Hof-
mann oder Hofrichter in unser Zimmer trat, und uns eröffnete,
daß wir nach einem höheren Befehle Berlin und die preußiſchen
Staaten ungeſäumt. zu verlaſſen und uns auf dem kürzeſten Wege
nach unsrer Heimath zurückzubegeben hätten, wozu er den um 7 /,
Uhr nach Leipzig abgehenden Cisenbahnzug bezeichnete.

Auf unſere Frage nach einer urkundlichen Ermächtigung zu die-
ſem Schritte und dem Grunde eines ſolchen tiefverletzenden Aktes der
Answeisung erklärte der Beamte, indem er auf sein Dienſtkleid deu-
tete, als königlicher Beamter bedürfe er keiner ſehriftlichen Legitima-
tion und einen Grund der Ausweisung anzugeben ſtehe nicht in sei-
_ Yer Grwalt, da er nur das Werkzeug höherer Befehle sei. ~ Eben
Heßwegen könne hier das Reden und Erwägen der Gründezu nichts führen.
q Da uns der Beamte zugleich eröffnete, daß er angewiesen ſei,

1 ms an den Bahnhof zu begleiten, so erklärten wir uns mit Be-

luna “gegen dieſes Vorhaben, als ein ahwürdigendes, worauf



dex Polizeirath äußerte, daß er also diese Sache auf eine Weise bes
handeln wolle, die unser Zartgefühl nicht beleidigen würde. — .

In Folze der etwas lar’ zewerdenez. Unterredung öffnete sich
hier die Nebenthüre und ein bewaffneter Polizeibeamter trat ein (wahr-
ſcheinli ) um zu zeigen, daß man die Befehle mit Gewalt ausführen
könne), der sich jedoch auf einige Worte des Polizeiraths wieder ent-
fernte, worauf der letztere selbſt unser Zimmer verließ, jedoch in dem
Gaſthofe bis zu unsrer Abreiſe verweilte. ; ;

Um 5?,/, oder höchſtens 6 Uhr begab sich v. Iuſtein zu dem
bad. Gesandten, während Hecker eine Anzeige- und Besſchwerdeschrift

an denselben verfertigte, worin auf ſchleunigen Schutz gegen die uns

verkündete Ausweisung angetragen wurde.

v. Itzſtein konnte den Geſandten nicht sprechen, da der Portier
ihm sagte : der Gesandte schlafe noch und dürfe vor 8 Uhr nicht
geweckt werden. – Auf die Entgegnung, daß es zwar noch früh ſet,
daß aber dringende Fälle eine Ausnabme machen müßten und ein sol-
<er Fall hier vorliege, da er und sein Freund, beide baviſche Bür-
ger, so eben ganz unerwartet den Befehl erhalten hätten, Berlin nnd
die preußischen Staaten zu verlaſſzn, daß wir deßhalb auch sogleich
eine Borſtellung an den Hrn. Geſandten senden und um Schutz gegen
eine ſolche Maßregel bitten würden, erwiderte der Portier: daß denn
vielleicht der Jäger den Herrn wecken und die Schrift ihm übergeben
könne. – Aus Borſicht ſchrieb uv. Itſtein dem Portier noch unſere
beiden Namen auf Papier, damit der Hr. Gesandte davon benachrich-
tizt werden könne.

“ Die Vorſtellung wurde alsbald, gegen 61/. Uhr, an ihn gesen-
det und war auf dem Couverte als höchſt dringend bezeichnet,

_.dahei batten wir dem Utrberbringer noch beſonders anempfoblen, dem

Hrn. Geſandten sagen zu laſſen: daß wir höchstens 7'/, Uhr abrei-
ſen müßten, wenn bis dahin kein ſchütendes Einſchreiten von seiner
Srite erfolge. tts .

Der Bote brachte indeſſen keine andere Antwort zurücdk, als jene

frühere des Portiers; was unsere alsbaldige Abreise, zur Folge hatte.
“ In Leipzig erfuyren wir denn, daß der Geſandte ſich nach 8

Uhr - also eine Stunde nach unsrer Abreiſe in dem Gaſthofe ein-

gefunden und nach uns gefragt hatte. :

Die Kunde unfrer Ausweisung hatte sich mit Blitzesſchnelle in
Leipzig verbreitet; man bot uns mit groß:r Wärme und von meh-
reren Seiten Feierlichkeiten, Feſteſſen, u. dgl. anz allein wir woll-
ten auch dießmal jeden Anlaß zu Demonstrationen vermeiden, lehnten
die Anträge ab und reisten am folgenden Tage nach Mannpyeim zu-
rück, von va aber sogleich nach Karlsruhe, wo wir nicht allein den
einzelnen Hrn. Ministern unsere Beschwerde vortrugen,. sondern auch
dem höchftpreisl. Staais - Miniflterium in einer ausführlichen Schrift
den merkwürdigen Hergang und die unſrer Ehre so nahe tretende
Ausreimung zur Kenntniß brachten und um Erwirkung der Zurück-
nahme derselben so wie um die uns gebührende Genugthuung baten,
worüber wir denn die Entſcheidung ruhig erwarten zu können glaubten.

Dieses iſt der wahre Sachverhalt; entſtellenden Ztitungsberichten
oder lügenhaften Correspondenzen werden wir gebührend zu begegnett
wiſſn. ] v. Itzsſtein, Hecker.

§ Aus dem Wupperthale, im Mai. Wir haben uns per-
sönlich überzeugt, daß die „Elberfelder Zeitungs sich nicht einer fo
liberalen Censur erfreut, als die ultramontane Partei gewöhnlich
lamentirt. Seit drei Monaten legt die betreffende Redaction in re-
gelmäßigen Zwischenräumen die Striche dem Ober-Censur-Gerichte
vor, und letzteres soll bereits in dieser Weise für ein ganzes Jahr
mit Arbeiten beladen sein. Wie sollen nun die anderweitigen Beschwer-
den aus dem ganzen Staate ihre Erledigung finden? Was iſt da-
mit gewonnen, wenn nach monatelangem Kampfe erſt ein Artikel
frei gegeben wird? Nichts, als daß man allenfalls dem Censor, wenn
er zugänglich iſt, bedeuten könnte, er habe die Freiheit instructions-
widrig beschnitten; denn mit dergleichen alten Artikeln -iſt der Tages-
preſſe nicht mehr zu dienen. Der oft geäußerte Wunsch in jedem

Orte, wo ein Hauptblatt erscheint, eine höhere Inſtanz für Censur-

beſchwerden zu eröffnen, wird immer dringender, wenn wir länger
toch der entfeſſelten Preſſe entgegenharren müſſen. Diese Einrichtung

ließe ſich besonders da leicht treffen, wo der Sitz eines R ich ter-


 
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