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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 238 - No. 267 (1. September - 30. September)
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Donnerstag



Mannheimer Abendzeitung

4. September

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rate, worüber die Redak-
[]. tion Auskunft zuertheilen
. YS hat, die Zeile oder deren
Raum A kr. –+ Briefs
und Gets erbittet man

ranco. 3

1845.











Der Geiß im Hintergrunde.

* Der würitemberger „Beobachter " sagt zum Schluſſe ei-
nes größern Aufsatzes unter obiger Aufschr.ft u. A. Folgendes : ;
#1 Als die Vorkämpfer der geiſtigen Intereſſen in Deutſchland mit
ihren Lehren hervortraten, erblickten Viele darin nichts Geringeres,
als den Versuch, das Beſtehende über den Haufen zu stürzen, und
Viele wollt en einen solchen Versuch darin erblicken, weil das Neue
nicht in ihren Kram paßte. Und was enthielten jene Lehren? Das
Verlangen nach Preßſsreiheit, um das Volk, namentlich in politischer
Beziehung, mehr auszudilden und ihm klarere Begriffe von seinen
Rechten und Pflichten beizubringen, das Verlangen nach einer kröfti-
gen, etwaige Üebergriffe dur Staatsgewalt zügelnden Volks- Rtpräſen-
tation, das Verlangen nach Gleichheit vor dem Gesetze, das Berlan-
gen nach vaterländiſchen, auf Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des
Gerichtsverfahr-ns gegründeten, die Sicherheit des Eigentsums und
der Person garantirenden Geſch büchern, das Verlangen nach einer
feſten Stellung gegen auswärtige Anmaßurgen, das Verlangen nach
einer, dem Indifferentismus s uernden Organisation des K rchenregi-
ments durch Beiziehung von Laien, das B.rlangen nach Verminde-
rung der mehr auf den Glanz, als das Weisen berechneten Staats-
auegaben, das Verlangen nach Besreiung von Grund und Boden
gegen Ablöſung, das Verlangen nach einer gl.ichmäßigeren , die Ge-
werbe und den Grundbesitz nicht vorzugsweise und faft aussä ließlich
treffenden Beſteuerung, das Verlangen nach Cntfeſſelang der Induſtrie
und der Gewerbe von dem auf ihnen laſtenden inneren Zollsyfieme
und Zunftzwange, so wie nach einem angemessenen Schutze der va-
terländiſschen Industrie durch Verträge, Repressalien, Zollerhöhungen
nach Außen rc.

Diese Anforderungen hat man als excentriſch und destruktiv be-
zeichnet; und weil die Opposition, von der Ueberzeugung auszehend,
daß die maleriellen Intereſſ:n durch die griſtigen bedingt seien, legtere
in den Vordergrund stellte, ſo haben die Feinde der Nufklärung, von
der Absicht ausgehend, die ihnen läſtigeren Punkte zu beseitigen, das
Volk auf Pflegung der materiellen Inter:\\:n hingewiesen. Und siehe
da! Es sind entflauren Simonismus, Socialismus, Communismus,
lauter Dinge, welche in ihrer letzten Inſtanz das ~ Heiligfte be-
rühren, was der Reiche hat, den ~ Beutel. Daher die Urberwa-
<ung und Unterdrückung der Handwerker-Verbindungen, ſtatt der nun-
mehr als wenig gefährlich erscheinenden Studentenverbindungen, da-
her das Beſtreben, durch Wobhlihätigke.ts Vereine und Indufirie-An-
ftalten der augenfälligsen Noth zu begegnen. Fern sei es, humane
Unternehmungen ÿerabwürdigen, oder gar ver:ächtigen zu wollen!
Aber solche Mittel haben die Wirkung eines Waſſeriropfen, den man
ins Meer fallen läßt. Die Hülfe muß allgemeiner, großartiger sein.
Sie liegt selbſt weniger in Ersparniſſ.n im Staatshaushalt, als in
der dem Volke beizubringenden Ueberzeugung, daß man es gut mit
ihm meine, und diese Ucberzeugung erhält es nur durch eine freiſin-
tg tu k umane Gesetzgebung und eine hiemit übereinſtimmende Be-

andlung.

Önermeht hätte sich eine, den Besitz so sehr gefährdende Theo-
rie n. können, wenn die griſtigen Intereſſen sorgsamer gepflegt
worden wären.

_ Darum, Ihr Brvorzugten, Ihr Wohlhabenden, achtet den Geiſt
höher, als Ihr bisher gethan, verbannet Eure Eleichgültigkeit gegen

" die Fragen des Rechts, entledigt Euch Eurer Zunft- und Koſtenvor-

züge, ſuchet Eure Befriedigung nicht blos in sinnlichen Genüssen und
im Gelderwerb, und Ihr Alle bedenket, daß ein auf gesetzliche Gleich-
| rt urtgstr Rechts zuſtand die sicherste Garantie Eurer Reich-



Deutfſchland.
*** Mannheim , 1. Herbſtmonat. Im Blatt No. 236 des
_ »rMannhrimer Journals. beſchäſtigt sich ein Aufsatz (Heidelberg, 27.
August) mit dem Lehramt G. Weil's an der Hochſchule und knüpft
dun s einige Bemerkungen über die Stellung der Juden zum
aate an.
_ Die Aufnahme dieſes Aufsatz:s iſt bemerkenswerth. Er iſt ge-

schrieben vom Standorte des ,, gutmüthigen Chriftenthums “’, welches
zwar nimmer den Juden behandelt, wie ein räudiges Thier, das man
~ nach der mittelalterlichen Sitte ~ mit einem farbigen Fleck zeich-
nen muß , doch aber weit entfernt iſt, den Hebräer als ebenbürtig

anzusehen. Der ,, gutmüthige Chriſt‘’ wild den Juden nicht von der

alten Knechtschaft ledig machen, von Gr' rdſaß wegenz er will das
jahrhundertalte Verbrechen nicht ſühnen burch eine ehrliche Gleichftel-
lung, durch einen großen Freiheitsbrief ~ nein! Befreiungen, Ver-
günſtigungen, Almosen, ~ das ſind seine Werke der Liebe. – O,
daß einmal in diesen, wie in ticſer greifenden Dingen, an die Stelle
der gewaliſtolzen, sich der Macht bewußten, von Oben herabſehenden
„Liebe‘ das alte Recht träte!

So sagt jener Aufsatz, daß zwar „die heidelberger philosophische Fa-
kultät Weil's Anstellung nicht beantragt habe. Die Regierung aber
habe den Schritt gethan, der den Juden die Ausficht eröffnet, daß,
wenn sie üch sſ-lbſt emancipiren und durch tüchtige Leißungen bewäh-
ren, das volle Bürgerrecht ihnen nicht vorenthalten werde. "- , Sich
ſlbſt befrcienl’, atite abzenutte Wendung, um mit dem Schrine der
Foriſchritteliebe den alten Druck im Ganzen fortibeſtehen zu laſſen!
W.. 1spelz und Wolfsſinn. Es ift dies vas alte Lied von reder gel-
ſtigen Freiheit auch in Keiten.« Soll der Jude durch ein gutes
Betragen sich beim Oberherrn in Gunſt einbetteln und dann Gnade
für Recht ne, men? Soll er den Czriſten als einen Schulmeiſter über
seine „Leiſturngen“ Prüfung anſtellen laſſen, auf daß ihm darnach sein
Viertelchen Freiheit werdes –~ ~ ,, Süqh ſelbſt besreien!‘! Die in-
nerliche Freiheit gibt nu Jeder ielbſtz die äußere, bürgerliche
wollen tie Juden, und über ihre inneailiche haben die Chrißten nicht
zu richten, diewcil ſte nicht können, nicht sollen. Wollte man der
Chriſtenheit nach dieſem Maßſtabe ihre Freiheit Mann für Mann
zutaeſſen, es gäbe vielleicht eine ſonderbare Renung. VBergeßt nicht
den Balken über dem Splitter) Und iſt Das ,volles Bürgerrecht“!,
wenn ein Jude an einer Hocbſchul- angeſtelt. wird? Wo ift da die
Befugniß, über des Landes Wohl und Wehe mitrathen und mitdin-
gen zu können in freiec Volkekammer? – Welcher dazu nicht das
Recht hat, iſt nicht für einen Bürger zu achten. Darunter fallen
freilich auch tie Armen unter den Chrißften. j

„Anſprüche‘ hat nun zwar der Jude nach unsern Gesetzen keine,
nach seinem Rechte aber doch. ~ Daß der ,„Großherzog“’ in unſcrm
Lande ihm Änſtellungen verleihen kann, iſt jedoch gar wahr. Auch
darin hat der heidelberger Brrichterſiatter ſehr Recht, daß der ,, ge-
wöhnliche Liheralismus und Rationalismus“ oft nur ſelber drük-
ken wolle. – Es iſt mehr als ,, Freiſinn‘‘’ und ,. Aufgeklärtbeit/“ nö-
thig, um einen Staat dem großen Ziele des Menſchenthums, der
Freiheit und Sleichheit, zuzulenken. – Es iſt nöthig, daß das Wort
von der Brüderſcha ft Aller That werden. Heißſchlagende Her-
zen, die im Kampf für Volksrechte über ihr Bürg erth um hinaus
lieben, gibts nicht zu viele.

Nach dem Grundsatz „der Gerechtigkeit gegen Aller, glaubt der
Verfasser des Heidelb. Art., dürfe man dem Landvolk bei seinen Vor-
urtheilen gegen die Juden keinen jüdischen Richter geben.# Alber iſt
das Gerechtigkeit gegen Ale, wenn man einem Vorurtheile, ei-
nem blinden Haſſe, der Dummheit zu licb, Tausenden die Wirk-
samkeit im Staate verſchliekt? Nein! Grundsatz der Gerechtigkeit
gegen Alle iſt in dieser Beziehung, daß Jeder gleiche Berechti-
gung zu Aemtern hat, so Cyriſt, wie Jude. Ob im einzelnen
Fall der Jude unbeiiebt iſt, das karn nicht in Betracht kommen;
auch der Jude hat vielleicht Abneigung gegen den chriſtlichen Richter,
und selbſt mancher Chriſt iſt nicht gar gern gesehen, wie Geschichte
ſsattſam lehrt. Die Befreiung, d. h. bürgerliche Gleichſtellung der
Israeliten, muß ein Werk der Chriſten sein, nicht „auch der Juden-,
wie der Aufsay sagt, denn die Juden haben ja bis Jett wegen ge-
ringer Anzahl noch keine Gewalt dazu. Die Chriſten müssen Hand
anlegen, und die Juden haben ihnen dafür keinen Dank zu sagen.

Längst aber iſt der Juden Vol kseigerthümlichkeit zu Grabe
gegangen. Sie wollen keimen Staat mehr, sie harten ſich allen
Pflichten unsrer Staaten unterworfen .... nur die Rechte fehlen
ihnen noch. Wegen der Gefährdung des „Glaubens.. durch Ver-
sſchmelzung mit den Bekennern des Jesusglaubens ſind alle Juden
ſorglos , die Freidenkenden sowopl wir auch die Liltgläubizen, wenn


 
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