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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 58 - No. 86 (1. März - 31. März)
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. den Dämpfungen des
liegt in der Entwickelung und Gestaltung diejes Egoismus ſelbſt.

th mann

„' tithen Freiheit, hat der Mittelklaſse
_ t das Recht des Erwerbes in die Hände gegeben; die großen Vermö-
_ gen des Adels wurden nivellirt, überboten;

_ opferte, iſt von dem Begriffe des Interesses
_ von Menſchen verdrängt worden. Man erzählte

YAbonnententmitvier-
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in Manyhheim 1 fl. 15 kr, LY . g tl.
durch die Poſt bezogen im gj [a nt r g °

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Ausland erhöht sich das .



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. tion Auskunft zu ertheilen
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Raum 4 kr. ~ Briefe



Abonnement um den Poſt- î und Geld erbiettet man
aufschlag. j Ö / franco.
Samſstag 1. März _ 1845
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t: ; Deutfchlsrrd. ; -
] ** Mannheim, 26. Febr. In Betreff der in diesen Ta-
gen in der badischen 2. Kammer verhandelten Fragen über Papier-

geld-Ausgabe und Errichtung einer Bank erhalten wir folgende Mit-

' theilung nebſt dem darin erwähnten Rechnungs-Nachweiſe: „Der

Vorschlag des Abgeordneten Mathy, das neue badische Anlehen von

13 auf 10 Millionen zu reduciren und 3 Millionen durch Emission
von Papiergeld aufzubringen, iſt von den Kammern nicht angenom-
men worden. Zu diesem Resultat hat vielleicht die Hinweiſung des
frühern Finanzminiſters auf die Assignaten der französischen Republik

_ beigetragen. Warum ließ man ſich aber durch dieſes Beispiel ſchrek-

ken, während so viele deutsche Staaten theils selbſt Papiergeld ausge-
geben, theils Banken zur Ausgabe desselben ermächtigt haben. Es

iſt bekannt, daß Preußen für viele ‘Millionen Papiergeld emittirt _
hat. Sachsen hat zum Bau der Eisenbahn eine Million Thaler in

Papier ausgegeben. Nassau und Frankfurt find diesem Beispiel ge-
folgt. Oeſterreich und Baiern haben ihren Banken das Recht zur

Ausgabe von Papiergeld verliehen. Alle diese Papiere gehen bei
uns um, wenn auch nur in geringem Maße. Man weill aber auch
_ in Bayen ein Bank-Inſtitut hervorrufen, und diesem das Recht ein-

räumen, Banktzettel auszugeben. Diesen Vortheil hätte aber der
Staat weit beſſer ſür sich behalten. Man hat sielleicht den Umfang
deſſelben nicht gehörig gewürdigt. Wir wollen denselben in Zahlen

nachweiſen. Wenn der Staat nach dem Vorschlag des Abgeordneten Züricher z. B. haben sich die Reaction ihrer doctrinären Bourgeoisie

_ Mathy das verzinsliche Anlehen um 3 Millionen reducirt hätte, so
würde er an Zinsen jährlich 105,000 fl. erſpart haben. Da nun
das Anlehen in 30 bis 40 Jahren heinibezahlt werden soll, so hätte
dieſe Erſparniß ſich etwa 35 Jahre lang jährlich wiederholt, und
würde daher 3,675,000 fl. betragen. Nehmen wir aber an, der
. Staat würde die erſparten Zinsen zur Heimzahlung des verzinslichen
Anlchens benußen, so würden auch die Zinſen der heimbezahlten
Summe erspart werden. In diesem Fall würden im Lauf von 35
Jahren 7 Millionen Gulden weniger ausgegeben werden müſſen, als
nach dem von der Kammer adoptirten Anlehen-Gesez. Wer das nicht
glaubt, der mag bei der Redaktion dieser Zeitung den mathematiſchen

t11. DVBerweis , den wir daselbst hinterlegt haben, einsehen.

_ Vom Rhein, 21. Febr. (Trier. 3.) Die Schweiz ſcheint
dazu beſtimmt zu sein, den diplomatischen Staub unseres Jahrzehntes

î Hdufzurühren, und die Ruhe der Erschlaffung gegen die Bewegung des
Kampfes zu vertauschen. Wenn die Welt einmal wieder in Unruhe
versetzt wird, wir können uns nicht beklagen. Seit 1830 iſt viel
î_ Pulver von den Pfannen geblasen worden , die Kugelzieher und die
_ Stiefelknechte waren die thätigſten Werkzeuge in unsern Haushaltun-

gen. Ruhe um jeden Preis, Frieden um jeden Preis, Frieden über-
_ Al und immer! ‘Es iſt keine Frage, daß der hundertſte Theil der
Zwistigkeiten, welche seit fünfzehn Jahren durch die Diplomatie –

_ nicht beseitigt, sondern bei Seite geschoben wurden, noch vor 50 Jah-
ren die Welt in Feuer und Flammen geſczt hätte. Die Julirevolu-

_ tion und das Jahr 1840 mit seinem Tractate enthielten den reiche
_ ſten Zündstoff zu europäischen Völkerkriegen. Dennoch blieb Allcs

_ ruhig, die Pferde wurden immer wieder abgesattelt. Ein großer
.. Grund zu dieser auffallenden Friedensliebe, zu diesen fortwähren-
Privat-, Standes- und Nationalegoismus,

; 1 Dr Egoismus iſt schlechter, gemeiner, raffinirter geworden, und
îvarum läßt er mit sich handeln, der Egoismus iſt Handels-
.. m geworden. Die Industrie und der Handel haben ſeit der fran-
gzöſiſchen Revolution von 1789 einen Aufschwung genommen,. der
.: wahrhaft erſchrecklich iſtz die Oeconomie iſt Zweig der Regierungs-.
kunſt geworden, ja Wurzel und Stamm, die Oeeonomie iſt die Seele

der modernen Politik. Die Befreiung des dritten Standes, die Han-
delsfreiheit, die Gewerbefrciheit, dieſer eigentliche Sinn der bürger-
ſämmtlicher Länder in Europa

und der Begriff der Ehre,
erſchaaren von Söldlingen
einer weit größeren Zahl

dem der Adel früher sein Gold und die. He

_ ei einKrieg gegen Frankreich im Werkegewesen, hu Rost (his

habe gesagt, er wollenicht, er gebe kein Geld her. Die Geschishte iſt viel-
leicht gelogen, aber sie iſt dennoch wahr, in ihrem innerſten Wesen
wahr. Denn wenn Hr. von Rothschild sagt, ich gebe kein Geld her,

. so heißt das, ich bekomme keine Unterschriften auf meinen Subscrip-

tionsbogen, ich habe mich bereits erkundigt. Hr. von Rothschild be-

zahlt bekanntlich die Anleihen blos durch den Credii seines Namens.

Die Schweiz scheint in diesem Augenblicke die lange europäische

Ruhe brechen zu wollen. Die Ursache dieſes Bruches, der Grun,
. weßhalb wir ihn als möglich voraussehen, müſſen daßer ſtark uw.

dringend sein. Dieselbe Schweiz, die sich im Jahre 1836 in der
Sache des Spions Conseil als Schuhputzer Frankreichs tractiren ließ,
ohne auch nur zu mucken, diese Schweiz muß von ciner Lebensfrage

des Jahrhunderts bearbeitet werden, daß sie beginnt, ſich so energiſch
zu rühren. Diese Lebensfrage iſt bie Jeſuitenfrage.

_ Wenn man die Frage der Weltgesſchichte in einen einzigen Aus-
druck zuſammendrängen wollte, so müßte man ſagen: Gehört ver
Mensch sich selbst, oder gehört er andern Mächten? ~ Darum iſt
geſtritten und gemordet worden seit 6000 Jahren, und es wird ge-

ſtritten und gemordet werden, bis die Antwort feſtgeſtellt, thatſsächteina.

feſtgeſtellt it. Die Menschen sind nun ihrer Natur nach so beschaf-
fen, daß sie ſich erst durch einen äußerſten, rohen Ausdruck von Herr-
ſchaft bedroht glauben, daß sie erſt an die Feuersbrunſt glauben,
wenn der rothe Hahn bereits vom Dache herunter kräht. Die

ſeit mehreren Jahren ruhig gefallen laſſen; die Herren von der Re-
gierung in Lauſanne waren vor der Jeſuitenfrage um kein Haar
breit besser, als zur Zeit der 32,000 Unterschriften, welche um Ver-
treibung dés Ordens petitioniren; Freiburg, Schwyz und Wallis
hatten die Jesuiten vor Luzern, es war also diese Frage ſtreng ge-
nommen ſchon früher eine Föderalfrage; endlich fragt sich die jetzt
empörte Maſsſe, welche das freie Land der Berge von dem ſchnöden

Geiſtesdruck befrcien will, sicher nicht, ob im materiellen Handel

und Wandel nicht dieselbe Unterdrütkung der Persönlichkeit ſtattfindet,

wie man sie den Jesuiten in geist iger Beziehung zur Laſt legte.

ob die Fabrikherren in Lausanne und Genf nicht bürgerliche Jesuiten
ſind, deren Gewalt im Capitale, deren Tyrannei ſich in der Leibei-
genschaft des Lohnarbeiters kund thut. Nein, die Schweiz ſieht in

, diesem Augenblicke nur den einen schwarzen Punkt; wie es vor Jahre

hunderten der Hut des Geßler war, so iſt es jetzt der Rock der Je-
suiten. Die Geschichte iſt indeſſen immer practiſch zu Werke gegan-
gen; sie fängt beim Einzelnen, vielleicht beim Kleinen an, sie interes-
ſirt sich scheinbar gar nicht für großartige Perspectiven, den Hori-
zont abſtracter Ideen igtiorirt sie; sie reiht Factum an Factum, Kampf an
Kampf, auf Reaction folgt neue Aclion, bis zuletzt das Gemälde fertig iſt,
deſſen einzelnen Pinselſirichen man gleichgültig zuſchaute, und das
der Philosoph jetzt für ein künstlich prämeditirtes erklärt, weil er
dieſelbe Ordnung der Dinge in seinem Geiste wiederfindet. – In

der Schwciz scheint diesmal Ernſt gemacht zu werden; man kann

dies ſchon daran allein abnehmen, daß die Herren Patricier von
Bern sich jegliche Mühe geben, um oben, um an der Spitze der Be-

wegung zu sein. Zu Lausanne hat eine radicale Revolztion

ſtattgesunden, einec der eclatanteſten Äcte der Volkssouveränität, ven

die Geschichte aufzuweisen hat, setzt Knall und Fall, ohne einen Tons.

fen Blut zu vergießen, die ganze Regierung ab, ernennt eine neue
und befiehlt eine Aenderung der Verfaſſung. Wäre es nun geheuer

in der Schw.iz, so hätte die Regierung von Bern mindestens ſich ..

nicht be eilt, die neue Regierung zu Lausanne anzuerkennen. Sle
hat sie aber sofort anerkannt, ~ die Herren Patricier von Bern

ſind schlau.

JHZiurich, Bern, Thurgau, das Waadtlaud und soeben Teſſin und
Schaffhausen sind vollkommen einig, die Jeſuiten mit Gewalt zu
vertreiben. Die Majorität der ganzen Schweiz will alſo von Bun-
deswegen in Luzern interveniren; Luzern, Schwyz, Freiburg, Wal-

lis werden sich widersetzen, aber diese Cantone haben in ihrem eige.

nen Innern eine Oppositionspartei, die namentlich in Wallis nicht
unbedeutend ißt, und eine alte Niederlage auszumerzen hat. Das
Ende des Kampfes, dafern von Außen nicht intervenirt wird, läßt
ſich kaum bezweifeln. Wird von Außen intervenirt, wozu Osterreich
und Frankreich bereit sein sollen ~ ~~ so wollen wir sehen, Das


 
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