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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 268 - No. 298 (1.October - 31. October)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#1171

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1845. Z











* Die diesjährige Getreide & Erndte.
Seit mehreren Jahren droht im Often Mißwachs, der zuerſt in Rußland

begann, sodann nach Polen und Preußen vorrückte, und in diesem Jahre

ſich auch auf den öſtlichen Theil von Deutschland ausdehnen zu wollen
ſchien. Wie die allgemeine Erfahrung bestätigt, veranlassen in den nördli-
<en Breiten jederzeit naſſe Jahrgänge viel eher Mißwachs, als
trockene. Das hat sich in den letzten Jahren aufs Neue bewährt.
Denn Näſſe war es, die in Rußland vor wenigen Jahren die Ernte
verkürzte, ſie war es auch die ein Sleiches im vorigen Jahre in
Polen, Galizien und Oberschlesien zuwege brachte. In Deutschland
zeigte ste sich dieß Jahr nur theilweiſe, und sie traf daselbst nur ein-
zelne Landftriche, denn während fie dort herrschte, litt man in an-
dern an Trockenheit. Wir nennen die betreffenden Länder
einzeen, und weisen dabei darauf hin, was se von
einander zu entnehmen und abzugeben haben werden. Rußland
wird ohne fremde Zufuhr bestehen, weil ſich seine Gouvernements
unter einander aushelfen können. Ob es aber viel ans Ausland
wird abzugeben haben, das iſt gar sehr in Frage zu nellen. P o-
len ift für seinen Bedarf nicht gedeckt, und da cs auch keine nam-
haften alten Beftände hat, so wird entweder Mangel und Noth ein-
treten, oder es wird ſich nach Zufuhr umsehen müſſen. Wo ſoll es
aber dieſe herbekommen, da ringsum eine ſparſame Ernte gewehen,
und alle seine Nachbarn , ebenfalls ohne Beftände aus den frühern
Jahren, nicht auskommen werden? Zudem fehlt es ihm an Geld,
um große Summen für Getreide ins Ausland ſchicken zu können.
Das Königreich Preuß en iſt im vorigen und im gegenwärtigen
Jahre von großen Ueberſchwemmungen heimgesucht worden, die ge-
rkade seine fruchtbarſten Landftriche vercüſteten. Die Nachricht
aus Pom mern über die dießjährige Ernte bringen meiſtentheils
Klagen über deren geringen Ausfall. Im Großherzogthum Posen
ſteht die Ernte weit unter mittelmäßig, und nur die etwaigen alten
Beſtände können dort einem entschiedenen Mangel vorbeugen. Ein
gleiches gilt von Schl esi en, wo die Aussichten, die man hatte noch mit-
ten im Sommer bitter getäuſcht worden sind. Wir haben
in dieser Provinz ganze Gegenden, wo die meiſten sonstigen Ver-
käufer von Getreidé im Frühjahr unter den Käufern auftreten wer-
den. Noch schlimmer ſteht es in Galizien, wo die Kornpreise
unmittelbar nach der Ernte um 60 Proc. in die Höhe gingen und
noch im Steigen sind. Und dann tas vielerzeugende Ungarn, wo
dereis die Staatsregierung Anſtallen zu Magazinen trifft.
Jaſt noch bitterer wie in Schlesien ward dort die früher gehegte
Hoffnung auf eine gute Ernte getäuscht *). In Oesterreich, Mä h-
ren und Böh men zählt man die dießjährige Ernte nur zu den
gering mittelmäßigen, und sie wird nur mit genauer Noth den Be-
darf decken. – Gehen wir in den Weſten von Europa über, und
beginnen mit Deutschland, so hat Sachsen zwar gerade keine Miß-
ernte, aber ebensowenig eine reichliche und gesegnete gewonnen. Glei-
<hes gilt von Brandenburg und Magdeburg. Baiern hat,
wie ſo viele andere Länder, in diesem Jahre viel von Hagel und
Wolkenbrüchen gelitten, und iſt dadurch im Ertrage etwas herabgesetzt
worden, wenn dieß auch nicht die im Allgemeinen den Crrealien nicht
günſtige Witterung des Jahrganges schon gethan hätte. Württem-
berg und Baden haben ſich, ſowie Westfalen und die Rhein-
provinzen noch am Wenigsten über Mißwachs zu beklagen, nur
macht dort die Kartoffelkcankheit eine Lücke. Uebrigens sind Kartof-
. feln im größten Theile der öſtlichen Länder ziemlich gerathen, und
wohl geeignet, dort manche Lücke auszufüllen. Freilich werden ſie
dort noch richt überall in so ausgedehntem Maße angebaut, daß

. dieß von allen Gegenden gelten könnte. Ich gehe im Westen weiter.

Aus Belgien und Holland ſchreibt man von Mißwachs, und
daß in Frankreich Ceres ihre Gaben dieß Jahr nicht im Ueber-

% maße verliehen, davon haben die zeitherigen Nachrichten den Beweis

§..liefert. In Italien spricht man theilweise von einer guten, theilweise
aber auch von einer sehr geringen Ernte. Insbesondere berichtet
man aus Sicilien yon Mißwachs. Spanien zählt in der all-
gemeinen europäischen Geireideconjunctur wenig; so weit die Nachrichten
reichen, hat es ſich aber in diesem Jahre nicht über Mißwachs zu be-
Hagen. England, auf welches der europäische Continent so lange mit

Sehnsucht geſthen, daß es ihm seinen Ueberfluß an Getreide abneh-
men solle, sétzeint in diesem Jahre wegen der Subsiftenz seiner Ein-
wohner nicht gefährdet. Wenigstens haben sich die frühern ſchlimmen
Nachrichten gegenwärtig in gute verwandelt. Es würde auch mißlich
aussehen, wenn es auf Zufuhr von der Oft- und Nordſee her hoffen
müßte, weil es dieſe nur zu sehr hohen Preisen in geringer Qualität
und in unbedeutender Menge erhalten könnte. Denn das Befallen
des Weizens vom Rofte, was ihn in seinem Korn so sehr verſchlech-
tert hat, dehnt sich mehr oder weniger über ganz Deutschland, Polen
und Ungarn aus, und hat zum schlechten Ertrage in dieſer Frucht in
Quantität und Qualität sehr viel beigetragen. Uebrigens iſt es auch
gar noch nicht einmal entschieden, ob England nicht später noch
großer Zufuhr bedürfen wird, da bekanntlich allezeit nur bei einer
gescgneten Ernte sein innerer Bedarf gedeckt iſ. Sollte es noch Zu-
fuhr nöthig haben, so wird es sich nach Amerika wenden, und viel-
leicht das Fehlende vom schwarzen Meer her ergänzen müſſen. Auch
Skandinavien, d. i. Dänemark, Norwegen und Schweden
iſt in dieſem Jahr mit keiner reichen Ernte gesegnet worden. So
folgt denn , daß seit langer Zeit kein Jahr so ungünftig war wie
das gegenwärtige, und wenn man damit den nicht erfreulichen Um-
ftand zusammenstellt, daß auch das verfloſſene nur theilweise eine
reichliche Getreide:Ernte gewährte, daß mithin die alten Vorräthe
geringer sind als in den frühern Jahren, so mahnt dieß zu ernſten
Vorkehrungen gegen bevorſtehende Noth. E r



*) Unsre neueſten directen Berichte aus Ungarn lauten günftiger.

t | f Deutftland.

* Mannheim, 8. Okt. Das Amtsblatt des großh. hesſſiſchen
Oberſchulraths, Nr. 52, bringt nachſtchenden sehr wichtigen Erlaß:
„D armſtadt, 24. September. – An sämmtliche großh. Bezirks-
Schulkommissionen und standesherrliche Conſiſtorien. – In Gemäß-
heit höchſter Entschließung, eröffnen wir Ihnen zur Nachricht und
Beachtung in vorkommenden Fällen, daß auf die Mitglieder der Re-
ligionsvereine der sogenannten Deutsch Katholiken einstweilen tiejenigen
Normen und Vorschriften zur Anwendang zu bringen sind, welche sich
in Bezug auf die Mizglieder besonderer Sekten der chriſtlichen Reli-
gion, z. B. der Mennoniten und Juſspirirten, nach Anleitung der
Art. 54 und 71 des „,allerhöchfien" Edikts über das Volksſchulwesen
vom 6. Juni 1832 im GEroßyherzogthum in Wirksamkeit befinten, daß
somit den Mitgliedern dieser Religionsvereine, in so fern nicht von
dem Art. 51 und 52 des erwähnten allerhöchſten Edikts Gebrauch
gemacht wird. die Verpflichtung, ihre Kinder eine der öffentlich an-
geordneten Volksschulen b-sſuchen und an tem darin ertheilt werdenden
Unterricht, mit Aus n a hme des Religionsunterricht e s, Theil
nehmen zu laſſen, nach wie vor odliege, und densſ:.lben zu diesem
Ende die Wahl zwiſchen den einſchlagenden katholiſchen und evange-
lischen Volksschulen überlaſſen bleitt, sowie daß hinsichtlich des Reli-
gionsunterrichtes von einer direkten Einwirkung der Staats- und
Kirchenbehörde vor der Hand zu abſtrahiren, und es in den freien
Willen der betreffenden Eltern zu stellen it, ob und in wie ferne
ihre Kinder an dem in den öffentlichen Schulen ertheilt werdenden
Religionsunterrichte Antheil nehmen sollen odcr ſie hiefür in anderer
Weise sorgen wollen. Kn orr. Schüßler.--

§ Baden, 7. October. So eben wurde die Wahl eines Ab-
geordneten für hiesige Stadt beendigt. Dieselbe fiel mit 23 gegen



Z Stimmen auf den bisherigen Deputirten Bürgermeiſter Jörger,

da mehrere andere hieſige Bürger, denen man diesen Ehrenpoſten
angetragen, im voraus abgelehnt hatten. Wir haben schon rinmal
bei einer frühern Gelegenheit eines LUusführlicheren dargethan, wie
wenig im Ganzen in hieſiger Stadt Gemeinsinn herrsche, und wix
weit die Mehrzahl der hiesigen Bürger davon entfernt seien, poli-
tiſch mündig zu sein. Die heutige Wahl, die in Wahrheit eine
wenige erfreuliche in mancher Beziehung genannt werden muß, hat
dieses unser früheres Urtheil leider abermals glänzend gerechtfertigt.
Die meiſten Wahlmänner haben durch ihr ganzes Benehmen bei der
Wayl gezeigt, daß sie der Wohlthat, eine so freie Verfaſſung, wie
tie unfrige zu besitzen, gänzlich unwerth seien. Durch den Indiffe-
rentismus, den sie an den Tag gelegt, und nur immer das eigene


 
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