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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 58 - No. 86 (1. März - 31. März)
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1845.



Deutschland.

. (*?) Aus der Provinz Starkenburg, 6. März. Unsre
landſtändiſchen Verhandlungen in Darmstadt gehen einen unbedeuten-
den Gang. Ich bezweifle nicht, daß die Ausſchüſse ziemlich beschäf-
tigt sind, aber da dieſe Ausſchüſſe nur aus 21 Mitgliedern der Kam-
mer beſtehen, so verharren die übrigen regelmäßig in Unthätigkeit,
(mit Ausnahme des Präſidenten und der Sekretäre), wo nicht gerade
angesezte Sitzungen ihre Thätigkeit aufrufen. Von den Berhandlun-
gen der erſten Kammer erſchienen bis jetzt zwei Bogen im Druték;
von den Verhandlungen der zweiten Kammer allerdings mehr. Aber
dennoch liefern ihre Sitzungen wenige materielle Ausbeute. Der
Präſident sagt regelmäßig die Sitzung um 11, halb oder dreiviertel
auf 12, ja einmal um 12 Uhr an, und bald nach 12 Uhr hat sie
ihr Ende erreicht. Was an Oppoſítion allenfalls noch da iſt, hat
ſich im Abg. Grafen Lehrbach concentrirt, einem Aristokraten durch
Stellung und Geburt, aber die gar zu entschiedene Reaction doch
offenbar mit Mißfallen betrachtend und diesem Mißfallen zeitweise
ernſte und gewichtige Worte gebend. Es. iſt traurig, von den übri-
gen Mitgliedern der Oppoſition andeutend hier sprechen zu miſſen.
Genug, daß ſie ſtill, daß ſie leidend sich verhalten. Is es Ber-
zweiflung an der Zeit oder an fich? Etwas muß es doch sein. Neu-
lich erzählte man, der Abg. Glaubrech sei vom Abg. Grafen Lehrbach,
als Präſidenten des dritten Ausſchuſſes, zum Referenten in der Main-
Neckar-Cisenbahn beſtellt worden. Das wäre endlich einmal eine Ge-
legenheit, entschiedener aufzutreten. Aber die Sache wird auf Ver-
langen der Regierung geheim hehandelt. In Würtemberg und Baden
verhandelte man das Alles öffentlich. Abg. Brunck, obgleich einstim-
mig von der zweiten Kammer eingerufen, kommt nicht und auch diese

Angelegenhiit ſchläft unter Eis den Winterſchlaf. Das Vorhaben

des Hrn. Brunck ſcheint dem Schreiber nicht zu billigen. Kann er
irgend abkommen und iſt es ihm nicht aufs Entschiedenſte unange-
nehm, noch weiterhin Mitglied der gegenwärtigen zweiten Kammer
zu sein, so komme er und diene der liberalen Partei als wünſchens-
werther ygüllwein. Will er aber von der Kammer absolut nichts
wiſſen, so spreche er ihr gegenüber so beſtimmt sich aus, als er es
officiell gegen Dritte gethan haben soll. Lieber laſſe er sich dann exi-
liren, als Zweifel an seiner Ansicht beſtehen. Auch kommt sodann
sein Bezirk wieder zu einem Vertreter. ;

+© Berlin, 3. März. Endlich hat ſich die Seehandlung dazu
bemegen laſſen, eine Schrift zu ihrer Vertheidigung herauszugeben.
Dieselbe iſt zuerſt der preußiſchen allgemeinen Zeitung beigelegt, dann
aber auch einzeln verkauft worden, nachdem wenige Tage vorher
eine ebenfalls nach offiziellen Quellen gearbeitete Broſchüre: die kön.
preuß. Seehandlung, ihr Wirken und die dagegen erhobenen Be-
ſchwerden, welche den Provinzialſtänden gewidmet iſt, in der hiesi-
gen Voſſiſchen Buchhandlung erschienen war. Kurz zuvor hatte aber
auch der Stadtrath Riſch eine Fortsetzung seiner Schrift über die
Seehandlung herausgegeben und darin alle offiziellen und halboffiziel-
len Artikel, welche die hiesigen Zeitungen enthalten hatten, wider-
legt, so daß auch die beiden genannten Schriften, welche das in die-
ſen Artikeln Gesagte nur wiederholen, dadurch ihre Erledigung fin-
den. Der ganze Kampf iſt ferner in jeiner Hauptsache durch die
Kabinetsordre vom 14. Februar, welche der Seehandlungsbroſchüre

voran gedruckt iſt, erledigt. Diese beſtimmt nämlich, nachdem sie

der Thätigkeit des Miniſters Rother rühmend erwähnt hat, daß die
Seehandlung keine neue gewerblichen Unternehmungen mehr anfangen
soll, wenn sie durch den Staat nicht besonders dazu autorisirt wird.
Die Stände werden sich daher auch mit dieſer Sache nicht weiter zu
beschäftigen haben. Der Miniſter Rother hatte selbt auf diese Maß-
regel angetragen, da er einsah, daß seine Inſtitute ſich ohne die Bil-
ligung der öffentlichen Meinung nicht halten können. Obwohl er
der Anfeindungen, welche die Seehandlungsinſtitute in der jüngsten
Zeit erfahren haben, mit Schmerz und Unwillen gedenkt, so spricht
er doch dies selbſt aus, und seine Schrift wie der ganze Ausgang
der Sache iſt daher als offenbarer Sieg der öffentlichen Meinung zu
betrachten. Der Minister erkennt auch die Nichtigkeit des Sates,
daß der Staat oder ein von demselben abhängiges Inſtitut keine
î_ Handels- oder Fahrik-Unternehmungen beginnen solle, weil der bür-
gerliche Verkehr dadurch beeinträchtigt werde, an, meint aber, derselbe

finde auf die Seehandlung keine Anwendung. Daß dieß aber den-
noch der Fall iſt, hat ihm die Preſſe, und namentlich der Stadt-
rath Riſch bewieſen. Der Zweck der Secehandlung, die Induſtrie an-
regen und ermuntern zu wollen, war ganz gut, ihre Mittel waren
aber verfehlt. Sie hat nicht nur die Förderung der Industrie, son-
dern auch ihren Gewinn im Auge gehabt, und sich auf solche In-
duſtriezweige geworfen, welche der Unterſtütung nicht bedurften, ihr
aber einen groß:n Gewinn abwarfen. Es war ganz gut, daß ſie
Dauermehl zum Erxportiren producirte. sie hätte damit aber auch
nicht den inländischen Markt überſchwemmen und die Müller in ih-
rem Gewerbe beeinträchtigen, und ſich dabei namentlich nicht des
Mittels bedienen sollen, ſich in Potsdam das Privilegium auf eine
Dampfmahlmühle zu erwerben, während den Müllern die Errichtung
einer solchen verweigert wurde. Ebenso Hätte sie, wie ihr Riſch
ſchlagend nachgewieſen hat, nicht die rohe Wolle, sondern das ge-
fertigte Tuch exportiren sollen. Wie sie jetzt verfährt, hat ſie die Be-
ſtimmung der Preise in ihrer Gewalt und schadet dadurch den Pro-

ducenten wie den Consumenten, während sich vurch die Ausfuhr des

Tuches ein gleichmäßiger und natürlicher Preis hergeſtellt haben
würde, Sie rühmt ſich, der arbeitenden Klaſſe in Berlin durch ihr
Wollsortirungsgesſchäft 30,000 Thlr. zu verdienen gegeben zu haben.
„Hätte sie, sagt Riſch, anstatt 10,000 Centner Wolle wie im Jahr
1837 zu kaufen, vun den vorhandenen Tuchlagern Einkäufe gemacht,
so taß dieſe Wolle wirklich hälte verarbeitet werden können, so wür-
den von demſelben Gelde 30,000 Stück Tuch in allen Oualitäten
gekauft. worden sein. Rechnet man nun den kleinſten Satz , daß den
verſchiedenen Arbeitern für Spinnen, Färben, Aypretiren, Scheeren,
Walken und Weben 10 Thlr. für ein Stück Tuch zufließen, so
würde auf dieſe Weiſe die arbeitende Klaſſe nicht 30,000, sondern
300,000 Thaler verdient haben.

Das ift ein ſchlagendes Beiſpiel, und ebenso verhält es sich faſt mit
allen Induſtriezweigen der Seehandlung. Der Staat hat die Auf-
gabe und die Verpflichtung, die Induſtrie nicht direct, ſondern indi-
rect, durch die Erleichterung der Ausfuhr sowie durch ſtete Sorgfalt
für die Verbeſſerung der technischen Mittel zu befördern, geschieht
dieſcs, so werden in einem Staate wie Preußen auch die Mittel
zur Betreibung der Induſtrie nicht fehlen. Dies haben wir in den
lezten 20 Jahren bei uns gesehen, und unsre Kaufleute und Fabri-
kanten berürfen der Seehandlung nicht mehr, um rermuntert- zu
werden. Möge der Staat, wie gesagt, nur darauf bedacht sein,
ſeine Handelsverbindungen zu beſſcern, und die Seehandlung darauf
gewiesen werden, wirklich zur See zu handeln, wie es ihre Aufgabe iſt.
Sie hat Mancherlei dafür gethan, dies Verdienſt soll ihr und dem
Minister Rother nicht verkümmert werden, es muß aber noch viel
mehr dafür geschehn, und auch im Innern muß der Staat viel mehr
für den Unterricht der techniſchen Wissenschaften thun. Unser Ge-
werbe-Inſtitut gewährt noch lange nicht den Nutzen, den es gewähs-
ren sollte. Es werden viel zu wenig Schüler zu demselben zugelaſe
ſen und der Unterricht auf demselben viel zu pedantiſch betrieben.
Gerade die besten Köpfe werden meiſtentheils wieder aus demſelben
entlaſſen, weil sie sich der schulmeisſterlichen Strenge I88 Instituts
nicht fügen mögen. Und wie wenig wird nachher dafür gethan,
daß die Schüler, welche den mühsamen Curſus desselben durchgemacht
baben, auch in den Stand gesetzt werden, daß die Kenntnisse, welche
ſie sich erworben haben, auch der Allgemeinhett zu Gute kommen. ~
Was uns für alle dieſe Verhältniſſe am Meisten noth thut, iſt ein
eignes Handelsminiſterium, dem auch zie Seehandlung untergeordnet
werden müßte. Wem kommen die großen Summen, welche sie jest
erwerben kann und erwirbt, zu Gute ? Die den Provincialſtänden
gewidmete Schrift sagt uns, daß der Staat kein Recht hat, über
dieſe Summen Rechenschaft zu verlangen. Die Seehandlung iſt
ein ganz selbſtſtändiges Inſtitut, das nur unter der Controle der
Oberrechen-Kammer, eines besondern Collegiums und des Landesherrn
fieht. Also nur diese erfahren, wozu die Gelder verwendet werden.
Dafür iſt die Seehandlung ihrer Stellung nach beſtimmt, rbei
außerordentlichen Bedürfniſſen dem Staate Geld und Hülfe zu leiſten.-t
Dies iſt ein Punkt, über den den Ständen noch zu berathen obliegt.] ~

Berlin, 28. Febr. Zu den wichtigſten Ereigniſſen auf dem
Gebiete unſerer Handelsverwaltung gehört dieſen Augenblick die Ein-


 
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