Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mannheimer Abendzeitung — 1845

DOI Kapitel:
No. 207 - No. 237 (1. August - 31. August)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0981

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
M 233.



Abonnement mitvier-
teljähr. Vorausbezahlung
. in Mannheim 1 fl. 15 kr.,
durch die Poft bezogen im

anzen Großherzogthum
z en 2 fl. s kr., im
Ausland erhöht fich das
Abonnement um den Poft-

aufschlazee.

Mittwoch

lannheimer Abendzeitung.

TN Auguſt

Inserate diegespaltene
Zeile in Petitschrift oder
deren Raum 3 kr. Inſse-
rate, worüber die Redak-
tion Auskunft zu ertheilen
hat, die Zeile oder deren
Raum 4 kr. ~ Briefe
und "elt erbittet man
ranco.

1845.













* Pleber die neue Richtung der Geſchichiſchreibung,
(Schluß.)

Louis Blanc's Werk hat aber auch, nach unserem Urtheil, seine
Schattenseiten. So sehr er tarin von vielen franzöſiſehen Siaats-
männern, namentlich von Thiers sich günstig urterſchridet, daß er sich
gegen die Centraliſation der Arminiſtration erklärt und sür die Ge-
meinden die vollſte Unabhängigk.it in der Verwaltung ihres Vermö-
gens verlangt, so behauptet er doch auf der andern Seite, die Staats-
gewalt müsse die Leitung der Gesellſchaſt in ihren drei Hauptbewe-
gungselementen ungeschwächt in ihren M

1) die Gefühle durch tie Leitung der Religion als Staats-
religion. H

9%, den V er st a n d durch die Leitung des öffentlichen Unter-
richts, und

3) die Inter ess en durch die Leitung der Induflrie. _

] In den beiden erſten Forderungen, wie auch in seinen Ansichten
von der Politik, welche Frankreich nach Außen befolgen sollte, ver-
mögen wir nur den nationalen Franzosen zu erkennen, der sein Va-
terland in j ed er Beziehung einiz, groß und fiark will, um vie Welt-
bestimmung so erfüllen zu können, wie ſie seinem Geiste vorſchweht.
Wir brauchen kaum zu sagen, wie wenig wir ihm in der Watl sol-
<er Mittel beiſtimmen können. Die Welt hat ein zu theures In-
tereſſe an der größtmöglichen Forſchungefreiheit im Reiche des Glau-
bens und des Geiſtes, als daß dies heilige Interesse den Bedürfniſſen
der äußeren Größe und Herilichkeit eines Landes untergeordnet wer-
den dürfte, von den Nachtheilen, die für das Land seibſt daraus ent;
ſtünden, zu schweigen. Auch übersieht birr L. Blarc, daß mit dem-
ſelben Rechte, mit welchem er für die Staatsgewalt die Leitung des
Verſtandes durch die Handhabung des Unterrichts fordert, auch die
Leitung der Tagespresse, dieses mächtigsten aller Unterrxichtsmittel, für
die Regierungsgewalt in Anspruch genommen werden könnte.

Wichtiger ſind die Gründe, aus welchen er tie Leitung der In-
teress en durch die der Induſtrie für die Gesezgebung fordert.

Er sagt: durch die Aufbherung aller Feudatrechte, Privilegien
und Monopole im Jahr 1789 sei wohl die Gleichheit insoweit her-
geſtellt worden, daß ein Jeder zur Erwerbung von Vermögen das-
selbe Recht erhalten habe. Aber rvas nützt dem Webcr das Recht,
ſich ein Vermögen zu erwerben? Der Fabrikant beſittt die Gebäude,
die Maschinen, den Credit, das Capital; er, der Arbeiter, nur ſcine
Hände, und diese hängen müßig, wenn der Fabrikant ſie nicht be-
schäftigt. Der Fabrikant hat z u seinem Rechte auch die Mittcl; der
Arbeiter das Recht o hne Milt.1l und dies Recht iſt werthlos. Die
Leibeigenschaft iſt abzeſchafft und der freie Arbeiter iſt nur ein frei-
williger Leibeigner. ~ Soll, sann, darf dies so bl.iven ? so fragt
Louis Blancz so frugen die Arbeiter in Lyon und an andern Orten
im Jahr 1831, als sie mit blutiger Schrift auf ihre Fahnen die
ergreifenden Worte schrieben: „Arbeitend leben oder kämpfead sterben..

Aber wie, wird man die Fabrikhcrren zwingen wollen, den Tag-
lohn auf einer taxirten Höhe zu erhalten, sämmtliche Arbeiter ftets
zu dieser Taxe zu beschäftigen, selbſt wenn der Fabrikant keine Auf-
träge, keine Arbeit hat? Und ist nicht der Taglohn auch eine Waare,
deren Preis, wie der einer jeden anderen, sich nach dem Verhältniß
zwiſchen Bedarf und Angebot feſtſetzi? Soll dcr Fabrikyerr nicht auch
die Freihcit haben, die Waare T.glohn-, so billig als ibm mö,lich
zu kaufen, und nur dann zu kaufen, wenn er sie braucht? Soll an
die Stelle dieser Freiheit ein Zwang eintreten ? ~ Allein bedenken wir,
ob man eine Waare und die men chliche Arbrit wirklich mit einancer
vergleichen kann, nach allen Richtungen verglcichen darf. Iſt die rohe
Seide eine Zeitlang nicht begehrt, nun so wird ihr Preis fallen, rie
Seidenerzeugung wird so lange abnehmen, die Vorräthe so lange in
den Magazinen lagern, der Verkäufer so lange warten, bis das
Gleichgewicht wieder hergestellt i. Wenr aber der Begehr der Ar-
beit ſiockt, wer hat dann. den Muth, mit S1y's Theorie der Staats-
wirthſcha t in der Hand, zehntausend Arbeiter- Familien zu sagen:
„wartet, bis das Gleichgewicht w eder hcrge?el!t ift? Hier ſind es
nicht Waarenvorräthe, die im Magazine verderb.n, hier ſind es Men-
ſchenleben, die auf dem Spiele stehen, und der Hunzer spottet dem

Gesetze eines fr ei en Verhältniſſes zwischen Fabrkhcrr und Ärbeiter,

zroiſchen Reich und Arm. Hier liegt das große Räthsel, das seiner
Löſung harrt. Mit der bequemen Phrase: „das liege in der Natur
der Dinge, dagegen gebe es keine Mittel,, beruhigt fich Blanc nicht.
Bajonette urd Kanonen sind ihm nicht die rechten Heilmittel gegen
die Verzweiflung des Elends; er sagt : Auskunftsmittel müssen ge-
funven werden, und dies ißt die Aufgabe für die Gesetzgebung unse-
rer Tage, nicht aber der widerliche Portefeuilleſtreit zwiſchen Thiers
und Guizot, zwischen Tories und Whigs.

Wir ſchätzen ein Buch nicht blos in dem Grade, als es uns
unterhält oder auch b.lehrt, sondern wir erachten es als einen Vor-
zug, wenn es zum Nachdenken anregt. Dirsen Vorzug haben Schloſ-
ser, Funk, Vilney und Blanc, doch geht letzterer weiter als die erſten:
er gibt nicht blos das Räthsel, er sucht es auch zu lösen. Dies
letztere in seiner neueſten Schrift die Organisation der Arbeit." Wir
werden wohl in einem späteren Artikel darauf zu sprechen kommen,
für jezt genügt uns, unsere Leser auf die neue Richtung, welche die
Geſch:cht'chreibung eingeschlagen, aufmerkſam zu machen, wobei wir
nur bedauern, taß der Raum dieser Blätter nicht geſtattet, näher auf
die einz.lnen Schönheiten, auf die bewunderungswürdige Zeichnung
der Cvaractere, auf die lebendige Darſtellung und auf tie Kühnheit
und Größe der Ideen des Blanc'ſchen Werkes einzugehen.

„Jedoch die ſchlechten Früchte ſind es nicht, an denen Wespen
nagen, und so mag avch cin roher genußbequemer Sinn da Commu-
nismus wittern, wo der reinſte, freudigſte Eifer für die Verbeſſerung
menschlichen Elends vie Geiſteskraft in fruchtbare Thätigkeit setzt.



Deutſchland.

* Nadolphzell, 22. Aug. (Abgrordneten-Wahl.) Für den
Bezirk Radv.phzell, Blumenfeld und Conſtanz, ist der bisherige Ab-
geordnete Dr. Bader (anf den letzten Landtagen Vicepräſident der
der 2. Kammer) wieder erwählt worden.

Heidelberg, 24. Augus. Unsere Urwahlen sind bis auf
Weiteres eingeſtell. Die Wahlcommisſion hatten 11 Stimmzettel von
unberechtigten Indivitu:n ausgeschicden, Stadtdirector Böhme entschied
auf tine erhob.ne Beſchwerde ~ nicht, wie es die Wahlordnung ver-
langt, auf die Beschwerde der Bctheiligten, sondern des unbctheiligten
Kaufmanns Landfried ~, daß 9 Zeitel von Schloſſer - und Schreiner-
geſellen, die in der Ciſenbahn-Werkſtätte arbeiten, und nicht die ge-
ringſte Seltſtſtäudigkeit besitzen, angenommen werden müßtenz hier-
nach wären noch zwei l.berale Wahlmänner ausgefallen und und zwei
von der Gegenpartei in das Collegium eingetreten. Die Wathlcom-
“scbsis hz gegen dies Crkenntniß sogleich recurrirt und die folgenden

ahlen siſtirt.

hr Fh Niederrhein, 21. Auguſt. Die Besorgniſse hinsichtlich
einer b e v orfiehenden Theuerung der Le bens mittel neh-
men insofern zu, als die Aernteberichte aus den verschiedenen Landes-
theilen zu unserer Kenntniß gelangen, und wir finden es daher in
hohem Grade löblich ur.d zeitgemäß, daß dir elberfelder Han-
dels kammer eine die dürftigen Klaſſen ſo nahe berührende Ange-
legenheit frühzeitig in Ecwägung genommen hat. Soll hier geholfen
werden, so därfen wir allerdings nicht warten, bis erft die Noth in
ihrer ganzen Härte auf urs.re Unbemittclten hercingebrochen iſt. Zei-
tige Vorkehr 1ſt es, was hier noth thut, wenn das Ziel unserer
Wünsche, die Sicherſtelung der Dürftigen gegen überhohe Brod- rnd
Kartoff.!preiſe, erreicht werden soll. Mit frühzeitiger, v er-
einsweisſer Anschaffung von Lebens mitteln und Ausgabe
derſclben zum Cinkaufspreiſe in der Zeit der Noth an Unbemittelte
wäre ſchon viel geholfen; daß indeß auch die Staatsregierung hier
wesentlich mithelfen kann und muß, kann nicht geläugnet werden.

* Verlin, 23. Auguſt. Hieſige Blätter zeigen heute
an, der König habe den Staats- uud Kabineteminiſter, Freiherrn
von Bülow, auf seinen Antrag zur Herſt:llung seiner Gesundheit
auf unbeſtimmte Zrit bcrurlaubt und unseren bevollmäcktigten Minister
und außererdentlichen Gesantten am k. k. öſterreichiſchen Hofe, Gene-
ral Lieutenant Freiherrn von Cani tz, mt der einſtweiligen Ber-
zt des Miniſteriums der auswärtigen Angelegenheiten beauf-


 
Annotationen