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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 268 - No. 298 (1.October - 31. October)
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Pietismus und Teufelsbeſchwörungen im Lippe'ſchen.
j Aus dem Fürſtenthum Lippe.

Der Pietismus, und mit ihm das geiſt- und krafilose Halten
am todten Buchftaben, so wie eine meiftenthcils träge und hinbrütende
Heiligkeit im bloßen Giauben hat bei uns ſeit den leßten Jahren —
zur Betrübniß jedes Vernünftigen bedeutende Fortſchritie gemacht
und greift noch immer mehr um sich. Auch ift, wie ja zu ailen
Zeiten, Fanatismus und Aberglaube damit verbunden. Wer nicht
der Anſicht dieſer Sekte iſt , gilt für ewig verdammt, während ſie
fich ſelbſt mit größter Sicherheit ihren Himmel und ihre Seligkeit
zuſprechen. Auch Wundererzählungen und alle Arten von Ueberspan-
nungen und falſchem Glauben sind an der Tagesordnung. In Salz-
. uffeln (einem kleinen Städtchen im Fürſtenthum Lippe) treibt u. A.
ein Schloſſer, Namens König, sein Wesen. Indem er einen Wech-
ſelverkehr zwiſchen sich und Chriſtus vorgibt, treibt er allerlei aber-
gläubiſche Künste, womit er den großen Haufen dieses Städtchens anzu-
locken gedenkt. Er redet von Vorgefichten, aus denen er prophezeiht,
er will Feuer durch Besprechungen löschen und den Teufel, durch den
die Krankheiten hervorgebracht würden, durch Händeauflegen und an-
dere Kunſtzriffe austreiben können. Noch vor wenigen Tagen

(am 15. Sept.) hat er, wiewohl fruchtlos, an einer Frau,

welche die „ fallende Sucht - bekommen hatte, seine Künſte probirt.
Der Paſtor des Orts soll zugegen gerweſen sein, und alle Anwesenden
wollen gehört haben, wie ein nicht lange versorbener ruchloſer Mensch
mit seiner bekannten Stimme sogar und mit Nennung seines Namens,
aus dieſer Frau herausgeſprochen, seine Qualen geschildert und den
Pafſtor beſchworen habe, für ihn zu beten. Anfangs lachte ich darü-
ber, da aber der Paſior, der durchaus nicht zu jener Sckte gehört,
die Satrhe befſtätigte, schien sie mir bedenklich. Wer weiß , ob sie
nicht ein bloßer jesuitenartiger Kunftgriff ißt, um den Paſtor zur Par-
tei hinüberzulocken? Der Schlosser, der allerdings ein versſchlagener
Kopf iſt und sich, wie er ſelbſt sagt, seit seinem 18ten Jahre mit
ſolchen Künſtrn abgegeben bat, mag es darin bis zu einer täuschenden
Geschicklichkeit gebracht haben, und da die Bautchrednerei, wenn auch
" etwas Seltenes, so doch wenigftens nichts Unnatürliches iſt, so läge
vielleicht eine Auflösung dieses Nätbsels nicht sehr ferne. Auch mag
die Frau wohl selsſt mit im Komplott gewesen ſein. Außerdem be-
hauptet der Mensch, er habe oftmals Beſuch von den Geistern dreier
angesepener Männer des Städtchens, welche nicht lange verftorben
ſinn. Es iſß unter dieſen ein Paftor, von dem mit großer
Sicherheit bepauptet werden kann, er habe ſich sſelbſt entleibt; und
auch der in alle Wege achtungswerthe, bekannte Apotheker und Hof-
rath Brandes. Man begreift wirklich nicht, wie von einer Regierung,
die doch bei kleineren Dingen so bald bei der Hand zu sein pflegt,
ſo Etwas ruhig kann geduldet werden!?
Friedrich Brandes.
(Herold.)



Deutſchland.

* Karlsruhe, 5. Okt. In dem Zuge bei dem landwirthschaftili-
<en Fefe zu Mosbach, welcher unter Mitwirkung des Direktors
der Centralfielle des landwirthschaftlichen Vereins angeordnet worden
war, sah man auf einem Wagen, auf dem nach der Mittheilung in
der Karlsruher Zeitung Weberei der Gemeinde Auerbach, vollſtän-
. diger Webſtuhl in Bewegung, fertige Tücher, Handel mit Juden--

dargestellt wurde. ~ Ob der letzte Gegenftand eine neue. geschmack-
volle Vorftellung abgegeben hat, wissen wir nicht. Aber sinnig war
es gewiß nicht, in Gegenwart unseres Landesfürften die gute Pflege
" des Viehes und daneben ein unfreundliches Benehmen gegen die Mit-

bürger darzulegen.

~ Nach Briefen aus Karlsruhe iſt die da und dort noch gehegte
. ſchwache Hoffnung, als würde die Zollkonferenz sich noch einigen, ver-

ſchwunden. Der preußische Bevollmächtigte soll beharrt haben auf i-
Hen einer bedeutenderen Zollerhöhung entgegenzutretenden Anträgen,
welche von mehreren Repräsentanten ſüddeutscher Zollvereinsftaaten
abgelehnt wurden, so daß es ſcheint, der alte Tarif werde mit wenig
oder gar keiner Ausnahme bleibn. vic |

Pforzheim, 3. Oktober. (Frankf. J.) Wer ſich durch die
Maßregeln unserer Regierung gegen die neue kirchliche Bewegung hat
irre machen laſſen und dadurch auf den Gedanken gerathen ift, es
werde dies dem Deulſch-Katholicismus in unserm Lande hemmend in
den Weg treten, der kennt unser Volk nicht. Man bedauert aller-
dings die wahrzunehmende Aengftlichkeit vor Rom gerade in dem Au-
genblicke, wo Rom unſcrer Regierung so überwüthig entgegentritt und
ſie, auf ihr gutes Recht geftütztt, ihm gleichfalls muthig entgegentre-
ten sollte. Es darf daher denn auch gar nicht wundern, daß in ei-
ner geſftern Abend im Saale des goldnen Adler stattgefundenen Ver-
sammlung hiesiger Katholiken diese Sache eine gründliche Erörterung
erfuhr und sich alsbald eine deutſ < - katholiſche Gemeinde
b:ldete, wobei bereits 17 Theilnehmer untersſchriftlich ihren Beitritt
erklärt habenz die Unterzeichner gehören meift dem beſsern Mittelſtande
an, und die Baſis ift daher eine gute und fefte. Möge die neue
Gemeinde blühen und gedeihen! ~ Alſo wieder ein weiteres Glied zu
der großen Kette, die, so Gott will, bald unserer ganzes deutsches
Vaterland in Eintracht und Liebe umſschlingen soll!

+© Berlin, 3. Oktober. Die dem Magiftrate bewilligte Au-
dienz haite ein so großes Interesse erregt, daß ſich, obwohl die rechte
Stunde nicht bekannt geworden war, geſtern früh gegen 9 Uhr meh-
rere hundert Personen auf dem Sthloßplatze verſammelten, um dem
Maziſtrate ihre Sympathie zu bezeugen. Dieß geschah rurch ein drei-
maliges Hoch, das den Mitgliedern deſſelben bei ihrer Rückiehyr aus
dem Schlosse in deſſen Portale gebracht wurde, so daß es weithin in
den Schloßhof schallte. Der König empfing den Magiſtrat in Ge-
genwart des Generals v. Thile, Hrn. v. Bodelſchwingh's und des
Geheimenraths Eilers. Der Oberbürgermeiſter Krausnick sprach den
König au und dankte für die bewilligte Audienz. Der König erwie-
twiederte darauf, daß er zwar erwart:t habe, der Magiſtrat werde von
seiner Petition abſteben, da dieß aber nicht geſchehen sei, so möge er
sein Verlangen vortragen. Der Oberbürgermeiſter las darguf die
Denkschrift vor, und der König beantwortete dieſelbe in einer
Rede, die er ebenfalls abla se. – Nach dieser Rede mußten die
Magiftratsmitglieder sich natürlich zurückzichen, ohne Gelegenheit zu
haben dem König Etwas erwiedern zu können. Sie fuhren indeſſen

gleich darauf nach dem Rathhauſe und beschlossen daſelbſt, eine Beant- -

wortunasſchrift an den König abzufaſſen urd demnächſt zu übersenden.
Zwei Tage vorher hatten die Stadtverordneten dem Magiſtrat für
jene Adreſſe an den König gedankt und ihren Entschluß kundgegeben,
demselben in allen von ihm in dieser Angelegenheit noch zu thuenden
Schritte unterſtützen zu wollen. ,

Die katholiſchen Dissidenten haben, muß noch bemerkt werden,
die in der – Rede des Königs erwähnten beiden Kirchen noch nicht er-
halten. Der Magiftrat hat ihnen dieselben allerdings bewilligt, der
Oberpräſident der Provinz hat aber seine Einwilligung dazu versagt
und statt deſſen nachforſchen lassen, ob nicht Lokale in der Stadt
vorhanden seien, welche dem Bedürfniß derselben entsprechen. Es ift
indessen kein anderes hinlänglich geräumiges Lokal aufgefunden wor-
den als die Freimaurerloge zu den drei Weltkugeln. Diese hat sich
jedoch nicht veranlaßt gesehen, ihr Lokal für die Deutſch-Katholiken
herzugeben, da sie der Anſicht ift, daß denselben die bewilligten Kir-
chen gebühren. ~ Die re formirte Jude ngemeinde hat jett den
Saal des engliſchen Hauſes für ihren Gottesdienſt einrichten lassen
und geftern ihr Neujahrsfeſt in derselben gefeiert. Hr. Stern hielt
die Eröffnungsrede und Hr. Philippſon aus Magdeburg die eigent-
liche Predigt. Dieselbe wurde vor- und nachher mit Orgelmusik und
Gesang begleitet uud der ganze Gottesdienst soll die Mitglieder der
Gemeinde in hohem Grade zufrieden ftellen.

_ YVerlin, 2. Oktober. (N. W. Z.) Der in diesen Tagen er-
folgte Tod des ruſſiſchen Finanzminifters, Grafen Cancrin, erregt
auch hier eine gewiſſe Theilnahme, da man denselben immer für die
Haupitriebfeder des Sperrungsſyftems, welches Rußla:.d beſonders in
ds letten Zeit gegen Preußen auf eine drückende Weiſe angenommen
at, hielt.

"z g. 27. Sept. Der hiesige Buchhändler Gerhard gab
im Mai d. IJ. eine Broſchüre, die beiden deutſch-katholiſchen Geiſt-
lichen Rudolph und Dowiat betreffend, unter dem Titel: --Zur Wür-
digung zweier Pamphlete- heraus , in welcher er viele römiſch-katho-


 
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