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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 1 – No. 30 (1. Januar – 31. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0089

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_ in uusern Tagen der Cenſur das Wort reden;

Abonnement mit viere _
teljähr. Vorausbezahling
in Mannheim 1 fl. 15 kr.,
durch die Poſt bezogen im | r

inzen Grosherzozthun ay p G
y.. 2. fl. 8 kr., im
Ausland erhöht fich das
Abonnement um den Poft-

aufſchlag.



Inſer ate die geſpaltene
Zeile in Petitſchrift oder
deren Raum 3 kr. JZnſe-
IC rate, worüber die Reeak-
U U... tion Auskurft zu ertheilen
s © hat, die Zeile over dereti
Raum 4 kr. ~ Briefe
und ht erbittet man
ranco. j



23. Januar

1845







qyes



Donnerſtag

Landtagsverbandlurgen.

** Harlsruhe, 14. Januar. 135. öffentl. Sitzung, Herftellung der
PYreßfreiheit. (Forts.) :

Mathy: Meine Herren! Sie haben mir vor einem Jahre geſtattet, einen
Antrag auf Herſtellung des freien Gebrauchs der Preſſe zu begründen; Sie
werden heut den Borsſchlägen der Commission nach dem Berichte meines ver-
ehrten Freundes v. Ihftein Jhre Zuſtimmung geben und es hieße Waſſer in
den Rheiu tragen, wollte ich nochmals veriuchen, das Recht der Deutschen auf
freie Meinungsäußerung zu begründen, die Recht und Sitte verleßenden Eigen-
ſchaften einer Anftalt nachzuweisen, in welcher der Jabegriff aller Maßregeln
zur Erhaltung der Ohnmacht und Schwäche von Deutschland seinen leßten und
grellſten Ausdruck findet; einer Eisrichtung, welche da eingeseßt ift, um den
Zeitgenoſſen das cdelſte Gut, die Griftesfreißeit, den Nachkommen die Wahrypeit
ver Geschichte. zu verkümmern. Kin Mann kann
wir haben für sie keinen deut-
schen Ausdruck; sie iſt eine wälſche Erfindung, und wer gegen Ausländerei ei-
fert, der sollte ih vor Allem für die Ausrottung jenes wöäl-
ſchen Unkrauts erheben. Seine Liebhaber finden ſich auch nicht in den Reihen
ber verſtändigen ridlichen Männer. Unter Jhnen, meine Herrn, deſſen bin ich
gewiß, sſißt kein Wortführer der Censur. - .

Es ift cine ausgemachte Wahrheii, daß ohne freie Bewegung die Deutſchen
ſo wenig wie irgend eine andere Nation zu der Kraft und Bedestung gelangen
lönnen, welche nöthig ſind, um ihr Daſein zu ſchüßen und ihr Gedeigen zu för-
zs. um aus hre becngten Lage herraus zu kommen und einer polniſchen
Theilung zu entgehen. :

(Es. if zus offenkundige Thalsſache, daß die Bemühungen der Deutschen,
ihre Fähigkeiten und Mittel zur Beförderung des Wohlstandes und der Bildung
anzuwenden , durch fremve Anmaßnung und einheimische Bcvormundung, durch
Mangel an freier Bewegung und Uteberfluß an Vorſchriften gehindert und gro-
lientheils vereitelt werden. !

Nur zu klar wurde dies Alles ſchon oftmals dargethan und zudem noch
bewiesen, daß ein solcher Zuſtand im Widerspruche
nicht nux mit dem uatürlichen und vernünftigen Rechte, sondern im Widerſpruche
sogar mit ven Grundgeſeßen des Bundes wie ver cinzelnen Staaten geschaffen
wurde und fortbeſteht. .

Ucber dicſen Puukt werde ich kein Wort mehr verlieren. Eher möchten ſich
Jene aufgefordert fühlen, etwas Haltvares, alſo auch Neues zu erfiunen, welche
dem deutſchen Geiſte ein Joch aufgeliden haben, -

Nur cine cinzige Eigenschaft der Cenſur möchte ich, bevor ich der Hinder-
niſſe ihrer Abschaffung gedenke, Jhnen recht anschaulich machen, eine Eigessſchaft,
welche bis jcht zu wenig beachtct worden iſt, weil sie den wiſssenschaftlichen Ge-
ſichtspunkt nicht unmittelbar berührt; der Bürger aber wird ihre Natur und Be-
deutung gar leicht versehen. ––] ff

Bucher üb.r 20 Bogen, die im Jnlande, d. b. in Baden gedruckt ſind,
dürfen nach deu Beſtimmungen, die vom Prcßhgesetze noch übrig geblieben, nicht
vhne Richterſpruch unterdrückt werden. Durch Richterspruch, nach dem Gesetze
erlaſſen, kann jedes Eigenthum, kann ſeibſt das Leben des Bürgers vernichtet
werden; dann liegt abcr ein Verſchulden vor, und man weiß, warum das
Schwert der Gerechtigkeit den Stuldigen getroffen hat. Allein wir haben erft
Yurzlich erfahren, daß die Polizei in Fällen, wo sie dazu nicht befugt war, Bü-
<cr über 20 Vogea weggenommen , daß auf die Beschlagnahme nicht, wie das
Gesſetß vorſchrcibt, eine Untersuchung folgte; wir kenuen einen Fall, wo das
Ministerium die Besſchlagnaÿme verfügte und die Polizei ſie vollzog, gegen ein
Buch. wclches wever die eine noch die andcre Behörde vorher erdlickt hatte. ~

Und wenn die Gerichte in einzelnen Fällen
auf Anrufen der Betheiligten die Polizei in die Schranken des Geſches zurück-
wiesen, so waren vie Schriftcn doch Mouate lang widerrechtlich der Verfügung der
Vigenthümer entzogen, die Staatskasse war miit nicht unbedeutenden Kosten be-
schwert, es war endlich durch Richlerspruch erwiesen, daß ein gesctzwidriger
Eiuvgriff in fremdes Eigenthum begangen worden war – durch Staatsäbehörden
und Staatlsdeamte. Noch ſchlimmer iſt das Verfahren gegen Schriften, die im
Auslande, d. h. außerhalb Baden erscheinen, alſo + wie ſich ſtatiſtiſch nachwei-
ſen läßt, — gegen die große Mehrzahl der Bücher. Die Cigenthümer solcher
Bücher haben, dcr Polizei gegenüber, gar keinen Schuß. Nach dem blosen Ber-
lieven einer Verwaltungsſtelle werden derlei Schriften weggenommen und ver-
nichtel; und es werden zu diesem Dienſte selbſt die Zollbeamten mißbraucht, zum

großen Nachtheil und gegen den Zweck ihrer cigentlichen Bestimmung, die ledig-

lich in der Erhebung und Sicherung der Zollgefälle beſteht. Der gekränkte Ei-
tt fyi?r . Jat keine Berufung an die Gerichte,
Dieses Verfahren iſt auser Baden nur noh in wenigen deutschen
Staaten üblich; in den meiſten werden Bücher , deren Vertrieb im Lande die
Regierung nicht geftatten will, dem Eigentbümer zurückgefendet. Nach wreeiner
Anſicht follten alle Bücher, sie mögen gedruckt sein, wo sie wollen, gleich behan-
delt, ſie sollten, wenn die Polizei ihren Inhalt für ſträflich hält, den Gerichten
zur Aburtdeilung übergcben werden. Jedenfalls sollte dies bei Bütchern geſche-
hen, die in einem deutschen Buadesſtaate erschienen. ſind; diese wenigstens sollte
man in Baden nichi als herrenloſes Gut
hehatdels. Womit in aller Welt will man es auch rechtfertigen, daß unter al-
Pen Arten des Eigenthums nur das Erzeugniß der Buchdruckerkunft dem größten
Theile nach außer dem Gesche erklärt wirv! | j

Will man etwa behgupten, daß die Cenſur mur firafbare Aeußerungen

fhreiche, die Polizei nur strafbare Schriften vernichte].. Angenommen, dies. sei

zs; warum läßt m1n die Polizei richt alle Leute, die ſie für Verbrecher hält,
#ÿne Weiteres einsperren oder hinrichten; wozu braucht man Strafgerichte,
weun die Polizei den nämlichen Zweck auf kürzerem Wege erreicht? Gerade

ü



darum, weil Niemand behaupten kann, daß die Polizei die Strafrechtspflege,
entbehrlich mache, iſt es ei: unverantwortlicher Ciugriff, nicht nur in das Recht
der freicn Aeußerung, sondern auch in die Zuſtändigkeit der Gerichte, wenn man
ihnen das Urtdheil über die Frage entzicht, ob der Inhalt ciner Schrift ſträflich
ſeioder nicht. Diese Frageiſt ctwas ſchwierigerzu entscheiden, als jene, obeine Stra-
Henrinne gereinigt sei, ob die Glocke eilf geschlagen, folglich der Wirth ſcin Haus
zu ſchliesen habe; solche Dinge mag die Polizei entscheiden, die Erkenntnisse
ider Mißbräuche des Rcchtes der freien Mittheilung gebören vor die Gerichte.
Es iſt aker bekannter Dinge, nicht an dem, daß die Censur nur Schlechtes
ftreiche, die Polizei nur Schlechtes confiscire. An ſchlechten Schriften bat war-
lich Deutfchland keinen Mangel; diese ſind so zu ſagen, die tägliche Rahrung
des leſeluſtigen Publikums. Eine freie Preſſe
wurde für beſſere Koſt, ſelbſt zur Ünterhaltung, weit mehr thun, als alle Ver-
eine zur Verbreitung guter Volksſchriften. – Was war aber, ~ um ein Bei-
spiel anzuführen, Siräfliches oder Schlechtes an ſfolgenten Worten:

wKarlsruhe, 20. Mai. Sichcrem Vernehmen nach iſt der bisherige Stadt-
director zu Raflatt und Abg. Schaaff zum Regierungsdirector des Unterrhein-
kreiſcs an die Stclle des in Ruheſtand versettten Regicrungédircctors Dahmen
ernannt worden.» (Allgemeine Heiterkeit.) :

Sie bezeigen ihre V rwunderung, mene Herren. ~ Ja, die Cenſur hat
diese Nachrieht mit der Bemerkung gestrichen: epaſſirt nicht, mit Bezug auf die
bekannie Verordnunge« – Es soll nämlich eine Verordnung beſt?-hen, wonach
Dienſtnachrichten nicht eher in ven Zeitungen mitgetheilt werden rürfen, bevor
ſie in dem Regierungsblatte verkündet ſind: dies dauert oſt ziemlich lange und
darum lesen wir die Nachrichten früher in den Blättern der benachbarten Staa-
ten, denen Niemand wehren kann, das Unheil anzurichten, welches dem badiſchen
Laude ans derlci Mitthcilungen erwachsen kann. Es sollen noch mehrere ähu-
liche Verordnungen bestehen, z. B. daß keine Todesanzcige ohne pfarramlliche
Bescheinigung ihrer Richtigkeit, kein Urtheil ohne Erlaubniß des betreffenden Ge-
richtes veröffentlicht werden dürfe. Auf eine solche Beftimmung bezog sich we-
nigſtens eine Redaction, wilche cinem Mann, der wegen Verdachts der Brand-
ftiftung ein halbes Jahr unschuldig in Unterſsuchungshaft geseſſen hatte, die Auf-
nahme der Anzeige, daß das Gericht ihn verdachtfrei crklärt habe, verweigerte.
Zu allem Diesem kommen dann endlich noc die ſpeciellen Weiſungen an die Cen-
soren, über diesen oder jenen Gezenstand Nichts mehr veröffentlichen zu laſſen,
und zwar gerade über solche Gegenftände, werrche eben die Gemüther bewegen,
und deren freie Beſprechung wesentlich beitragen !!irde, Vorurtheile zu zersreuen
Irrthümer zu berichtigen, die Wahrheit an den Laz zu bringen. Da haven ſie
eine Neihe von Deſchränkungen, welche der Bundestag nicht gevoten hat, welche
aber die Censur kraſt ihres Wesens, welchcs der Wahrheit feind iſt, in die Welt
setzt. Die Wahrheit iſt das Sch'echte, das Sträfliche, was die Censur verhin-
dert, die Wahrheit über Angelegenheiten der üirche und des Staates, über Ge-
ſseße, Cinrichtungen und Hand!ungen der Regierung und ihrer Organe. Sie
thut am Volke, was verderbte Höflinge und gewissenloſe Schmeichler den Fürſten
thun, indem ſie ihgen redliche Männer vrrdächtigen, den unverfälschten Ausdruck
der öffentlichen Meinung nicht zn ihnen dringen laſſen. Wie eine folche ſchlechte
Umgebung, während sie für ſich und andere ihres Gelichters im Trüben zu fischen
suchte, den Fürften mit seinem rerlichen Willen irre leitct, ſo wird das Volk ge-
täuncht rurch die Censur. Ja, meine Herren, wo die Cenſur über
das geistige Leben ciner Nation hinſtreift, da schießen Giftpilze üppig in die Höhe,
Ia gedeiht keine friſche, geſunde und kräftige Nahrung mehr. Die Behauytung
aber, daß die Cenſur nur das Sstlechte vertilge, iſt eine große Heuchelei; auf
sie findct Anwendung, was Cuſtine vom Desvotismus sagt: „der Despotismus
ift nie ſurchtdarer, als wenn er vorgibt Guies, zu thun; denn alsdaun glaubt er
seine empörendften Handlunges durch scine 2bsichten gerechtfertigt und das
Rebel, welches sich für cin Heilmittel ausgibt, hat keine Schran-
ken mehr. Wer nur die ungeftüme offene Willkur fürchtet, der gebe nach
Rußland, dort wird er lernen, daß vor Allem zu fürchten it + die heuchle-
rische Ty rannei.- [Geht nach Rußland ~ ruft Cutftine seinen Landelcuten zii
ſeht auf die Carlsbader Beschlüſſe und die Cenſur können wir leider den Deut-
schen zurufen. t 23

Kanu demnach die jſcsuitiſche Behauptung nicht bestehen, daß die Unterdrük-
kung mißfälliger Gedanken durch cinen guten Zwcck geheiligt werde, so iß
in eben dem Grade die Angabe falsch, daß die deutschen Regierungen der Preſſe
gegenüber in dem Stande der Rothwehr seien und deßhalb das griflige Leben
der Nation in ewigen Belagerungszuſtand erklären müßten, das sie auf gut spa-
niſch nicht drei Gednken beiſammen ſtehen laſſen dürften, ohne wenigftens zwei
davon niederzuſtreichen.' | (tft z

Allerdings hat vie über Rechtsgefühl und wahre Staatsweisheit ſiegende
Neaction im Jahre 1819 ten Rgeierungen ungeheure hochverrätheriſche Ver-
ſchrvörungen vorzegaukelt, um ivr Attentat gegen die Freiheit als durch die Nott-
wehr geboten, darzutteUcn; allein damals zeigte man doch vor den deutſchen
Männirn, welche ihre gegen die Kremdherrſchaft nachdrücklich geführten Waffen
kaum abgclegt hatten, noch so eicl Achtung, daß man ihnen sagte: Nach fünf
Jahren brauchen wir das Standrecht üder die Preſfe nicht mehr; bis dahin wer-
den unsere JInquisitoren aufgcräumt haben, dann sollen Gesch) und Recht in Kraſc
treten, wie wir gelobt haben in der Noth , aus der ihr uns gereitet. (Forts. f.

Deuctſehlgzud.
Heidelberg, 13. Jan. (A. Ztg.) Zu den offenbar eitlen Be-

fürchtuungen für die Zukunft unserer Hochſchule gehört auch die cines

möglichen Erfolges fernerer Versuche niedriger Denunciation gegen
 
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