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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 176 - No. 206 (1. Juli - 31. Juli)
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Raum 4 kr. ~ Briefe
und lzety erbittet man
races. ! :

Juli 1845.









Deutſchland.

* Vom Neckar, 23. Juli. So lange wir in der sogenannten
Belletristik nicht eine rein politische Proſa bekommen, wie wir schon
eine politische Poeſie haben, so lange sind die Romanſchreiber, Bel-
letriſtiker und dergleichen Fabrikanten als eines der Haupthinder-
niſſe für die politiſche Entwicklung zu betrachten. Auf die M än-
ner freilich üben ſie keinen großen Einfluß, denn für Männer
ſind gewöhnlich ihre Liebesgeschichten nicht geschrieben und auch
nicht lesbar, aber in andern Kreisen ftiften ſie deſto mehr Unheil.
Entweder werden ihre Leſer in den gewöhnlichen Begriffen und
Vorstellungen fortgewiegt, oder mit einem Gallimathias abgefüttert,
der überall da vorkommt, wo an der Stelle einer reifen, conſe-
qtienten politischen Bildung, jener unklare Drang steht, der zwar
Aenderung und Verbeſſerung verlangt, aber entweder zu inconse-
quent oder zu rückſichtsvoll iſt, um eine tüchtige Gesinnung zu er-
zeugen und sich daher über individuelle Träumereien und Fanta-
ſien nicht erheben kann. ~ Um oo erfreulicher war es mir daher,
dieſer Tage in Ihrem Blatte einige Betrachtungen über eine von
Heiurich König erſchienene Schrift : „„Die Denkwürdigkeiten des Ge-
nerals Eickemeryer'“ zu lesen. Die Schrift selbſt bekam ich noch
nicht zu Gisichte, wenn aber jene, urſprünglich der „Kölner Zeitung“"
angehörende, Betrachtungen nicht bloß ein Ausfluß der Zärtlichkeit sind,
woinit bis jetzt die „Kölner Zeitung“! stets eine gewiſſe Compagnie
von Romanſchreibern umfaßte, so wären die Denkwürdigkeiten des
Generals Cickemeyer so übel nicht ~ vorausgesetzt, daß die
Kraft davon nicht von der belletriſt chen Sauce abſorbirt, und daß
das Ganze nicht wieder ein Stück von jener Belletriſtik iſt, die der
Verfaſſer im Geschmacke der Zeit mit etwas Politik du chwürzte,

indem er einige Gedanken, die ihm im Momente des Niederschrei-

bens gerave in den Kopf kommen mögen, zu Papier gebracht hat.
Das ſchönſte Exemplar von solcher Roman- Politik ist der Unsinn,
den Heinrich König über die künftige Verfaſſung von Deutschland
geschwätt hat in dem Buche, worin er der Welt bekannt machte,
daß er eine „„Jahrt nach Oſtende‘' gemacht, unterwegs mit den An-
dern zusammengetroffen sei, was er mit ihnen gesprochen, was
jeder von ihnen preisgegeben, was Berthold Auerbach gesprochen,
der liebevolle, liebeathmende, alles mit Liebe umfassende, inwendige
Tempelbauer und Ritter der Rechtgläubigkeit auf der Schriftſteller-
versammlung zu Leipzig, was bie andern Alte gesprochen. ~

| Was nun aber die ,„Denkwürdigkeiten'! betrifft, so enthalten
ſie, wie es scheint, ein wohlgetroffenes Portrait einer Race von
Menschen, welche das Unglück der Völker auf ihrem Gewissen ha-
ben, ich meine die „nachgebornen Söhne des hiſtorischen Unrechts,“
die modernen Ueberreſte der Feudalverfaſſung, jene emigrirten Roues,
welche im Anfang der französischen Revolution die deutschen Nach-
barländer verpeſteten. – So lange ihre Macht noch nicht vollstän-
dig gebrochen, so lange thut es Noth, immer wieder auf die totale
Nichtigkeit dieses geiſtig verwahrloſten, moralisch verdorbenen Ge-
ſchlechts der leeren, hohlen, inhaltslosen, jeglichen inneren Werthes
entbehrenden Form und auf die Wirkungen ihrer Gesinnung und
Tendenz hinzuweisen. Und leider iſt ihre Macht noch nicht gebro-
chen, Schritt für Schritt muß ihnen der Zeritgeiſt jeden Zoll Boden
abkämpfen, denn sie kleben mit einer entsetzlichen Zähigkeit auch an
dem kleinlichſten Vorrechte, und wenn es auch nur das Privilegium
der Befreiung von bedingten Zahlungsbefehlen wäre, womit man
ſonſt gegen gerichtliche Schuldner sein Recht verfolgen kann. ~

Von diesem Standpunkte aus muß man die Nüzlichkeit der
belletriſtisſchen Literatenproducte betrachten, denn ob ein gewiſſer
Eickemeyer Mainz verrathen hat oder nicht, das iſt am Ende für
die Geichichte gleichzültig, sie beurtheilt den Charakter der Zeit oder
nur solche Personen, welche weltgeschichtlich zu nennen sind, Indivi-
duen aber, wie der General Eickemeyer, gehen mit Recht spurlos
vorüber und ihre Biographien können daher nur den Charakter ih-
rer Periode zum Hauptgegenstand ihrer Betrachtungen machen.

D Aus dem (ßroßherzogthum Baden. Das Gute,
ſo sagte auch der Abgeordnete Schott in der württemberg:s<hen Kam-
mer, kann nicht oft genug gesagt werden. Beſondern Nutzen gewährt
es aber, wenn daſſelbe zur rechten Zeit gesagt wird. Will ich auch
den Volksblättern alles Lob in Bezug auf ihr Beſtreben spenden,

so muß ich aber doch den innigſien Wunsch aussprechen, daß zur Zeit
der Wahlen, dieselben ein ganz besonders Augenmerk darauf haben
möchten, mit allen Mitteln dahin zu wirken, daß das Volk auf die
Wichtigkeit der Wahlmänterwahlen hingewieſen und so ernſthaft un-
tu werde, um nach allen Kräften zum Wohle des Vaterlandes
eizutragen. G!
Glaube man nur nicht, daß dieſe Wichtigkeit so allgemein erkannt sei,
als in der Regel angenommen wird. Es gibt Gemeinden, in wel-

chen sich die Unwissenheit und Gleichgültigkeit in einem solchen Grade

ausspricht, daß es jeden Redlichen betrüben muß. – Wenn in einer
Gemeinde von 500 Bürgern kaum 100 ihre Stimmen abgeben, so ift
dieses gewiß auffallend! Wenn ein Mann, welcher sogar eine Vor-
ſtandsſtelle begleitete, sagt: „Was soll ich mir den Kopf zerreißen?
i§ habe die Fünf genommen, die dabei ſitzen!l- so kann man nur
aunen. ~ ;

Noch mehr muß man aber sein Erſtaunen ausdrücken, wenn all-
gemein angenommen werden dars, raß von Seiten des Minifteruums

v Nebenius-- den Beamten bechrimmt keine Maßregeln zur Cinwirkung

anbe'ohlen sind, und daß es doch solche giht, welche die Bürger-
meiſter ~ ob auch nicht so ganz deutlich –~ anweisen, keinen Mann
zu wählen, welcher der Regierung nicht gefalle, aber unter der Hand
für einen Tochtermann tc. werben zu laſſen! + O, badiſches Volk!
iſt das Berfassungsfeſt so bald vergeſſen ? Haſt Du dort nicht so viel-
seitig die Wichtigkeit Deiner Rechte vernommen? Willſt Du davon
keinen oder nur einen ſchlätrizen Gebrauch machen? ~

Ich könnte den Ort nennen, wo zwei Gensdarmen und zwei

Polizeidiener vor der Saalthüre des Rathhauses standen, und da wo
ſie trauten, rihre' Kantidaten zu Wahlnänner Denen, die abſtim-
men wollten, vorſagten! – Dieselben zeigtin aber 4 –~ 5 Bürger,
welche sich über die Form der Wahl untergyielten, an, ſie hätten Wahl-
umtriebe gemacht!! –~ Der Miniſteriums-Präſident, Nebenius, be-
findet sich gegenwärtig in Kann ſtadtz sollte nun in deſſen Abwesen-
heit etwas geschehen ſein, was er nicht wollte ? oder treiben gewiſſe
Herren auf eigene Fauſt ihre Speculationen. –
_ “*4* Von der Pfinz, 28. Juli. Auf welcher Stufe patrio-
tiſcher Gesinnung eine große Partei in Durlach fieht, zeigt der Cor-
reſpondenzartikel in No. 201 der Karlsr. Ztg. am Beſten; ~ singt
dieſe Partei iyrer Toleranz in iyrem ächten Durlacher Blute ja
ſelbſt ein Loblied! —~ Es iſt nicht unsere Absicht, erwähnten Artikel
Panktt für Punkt durchzugehen, es würde verlorene Mühe sein, denn
die öffentliche Meinung wird ſchon darüber urtheilen, sie wird wiſſen,
was ſie unier der Redens-Art „das Wohl unserer Stadt und des
geſammten Landes aus dem Munde eines frühern Correſpondenten
und einer solchen Partei zu verſtehen hat; die öffentliche Meinung
wird darüber urtheilen, ob es inconſtitutionell iſt, wenn bei solchen
Umtrieben, bei solchen Zudringigkeiten der erwähnten Partei , die
Watleommiſsion tie Wahlzettel auf dem Rathhauſe ſelbſt schreiben
läßt und durch Polizeidiener den Antrag einer solchen Horde, die
durch Zudringigkeit und alle ordentlichen Mittel die freie Wahl zu
beschränken und in ihre Gewalt zu bekommen ſucht, zurückweisen läßt;
die öffentliche Meinung wird über den Geift einer Partei zu urthei-
len wissen, die einem „untergeordneten Staatsbeamten“ es üb:l1 deu-
tet, w nn er seiner Ueberzeugung folgt, wenn er eniſchieden gegen
eine Partei auftritt, deren Streven iſt, allen Fortschritt zu hemmen,
die dem Grundſatz huldigt. ~ : ;

„Wir versehen uns zu dem guten Sinne der eingeborenen Dur-
lacher, daß die gesammte Wahl ruhig vorübergehen und die Mei-
nurgsverſchiedenheiten nicht übel gedeutet oder gar zu Thätigkeiten
C!!!) führen werden, rvie ein B a u mstarker Mann, der glückiicher-
weise (? ? ) kein Eingeborener iſt, fürchten läßi!-

Der ehrenwerthe Correſpondent tröstet ſich nur damit, daß diese
Leute, die so undankbar find, die sich so weit vergeſſen haben , we-
gen Mtinungsverschiedenheit Thätlichkeiten zu begehcn, keine einge-
borne Durlacſer sind; während der Korrespondent selbſt (also ein
Cingeborner) mit Bitterkeit einem „untergeordneten Staatebeamten“
und einem Handwerker öffentlich vorwirft, nicht die politiſchen Grund-
sätze seiner Partei zu haben. Der bekannte Correſpondent an der
Spite seiner liebenswürdigen Partei freut sich über den gesunden
Sinn der Eingebornen, freut ſich über die eingebornen Durlacher,


 
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